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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Ehrenberg, Hermann: Neues von Meister Francke
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0036

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NEUES VON MEISTER FRANCKE
Mit sieben Abbildungen auf drei Tafeln Von HERMANN EHRENBERG

Als der Krieg ausbrach, hatte ich nach langjährigen Arbeiten ein Buch vollendet,
in welchem neue, wie ich hoffe, nicht unwillkommene Beiträge für die Ge-
schichte der deutschen Malerei von der Mitte des 14. bis zur Mitte des 15. Jahr-
hunderts dargeboten werden. Da während des Krieges eine Drucklegung aus-
geschlossen erscheint, niemand aber seine Dauer voraussagen kann, so glaube ich
an dieser Stelle bereits jetzt einiges mitteilen zu sollen, was sich auf Meister
Francke in Hamburg bezieht, auf den unlängst durch Adolf Goldschmidt (Zeit-
schrift für bildende Kunst, Oktober 1914) erneut die allgemeine Aufmerksamkeit
gelenkt worden ist.
Im Danziger Stadtmuseum befindet sich seit seiner durchgreifenden und glück-
lichen Neuordnung durch Dr. Secker ein mittelalterlicher Altar - Aufsatz, der bis
dahin in einer der zahlreichen Kapellen der Danziger Marienkirche aufgestellt und
nur wenig Besuchern dieses herrlichen und reichen Gotteshauses bekannt geworden
war. Er ist im wesentlichen vorzüglich erhalten. In seiner Erscheinung weicht
er insofern von der üblichen Form mehrflügeliger Altar-Schreine ab, als das Innere,
und zwar sowohl das Mittelstück, als die Innenseiten der Innenflügel, mit Alabaster-
Reliefs geschmückt sind, deren Umrahmung nach innen abgeschrägt, buntfarbig
ornamental verziert und mit kleinen tropfartigen Gebilden versehen ist. Die Größe
dieser Reliefs ist in einem Fall 61 cm X 27 cm, in den andern 39 cm X 25 cm.
Sie stellen dar: Christi Auferstehung, die Verkündigung, die Anbetung der Könige,
Christi Himmelfahrt und die Marienkrönung und gehören nach ihrem ganzen Cha-
rakter der Zeit von etwa 1410 bis 1430 an. Die Figuren sind lang gestreckt,
hager, mangelhaft in der Proportion und anatomischen Durchbildung. Daß sie,
wie so viele andere Alabaster-Reliefs des 14. und 15. Jahrhunderts in Deutschland
und Frankreich, aus England stammen, kann nicht bezweifelt werden '),
Aber so merkwürdig ihr Erscheinen an dieser Stelle ist, so fesseln uns an dem
Altar-Aufsatz noch viel mehr die Malereien an den Außenseiten der inneren und
den beiden Seiten des äußeren Flügelpaares2). Dargestellt werden vornehmlich
Szenen aus dem Leben der hl. Dorothea, so daß wir annehmen dürfen, daß der
Altar einst in der Dorotheenkapelle sich befand, da, wo heute Memlings Jüngstes
Gericht untergebracht ist. Die folgende Einzelbeschreibung ist zu der Zeit auf-
genommen, als der Altar sich noch in der Kirche befand. Es war mir während
des Krieges unmöglich, die Farbenangaben im jetzigen helleren Lichte nochmals
nachzuprüfen.
I. Linker Innenflügel, Außenseite. Die heilige Dorothea, mit dunkelblondem Haar, am Unterkörper
mit weißem Tuch bekleidet, hängt mit Stricken an einem Querholz, das auf zwei gabelförmigen
Stützen aufrecht steht. Zwei Henkersknechte nehmen ihr mit Kneifzangen die Brüste ab. Der Knecht
rechts hat einen grünlichen, innen weißen Hut mit weißem Band, weißen Leinengürtel und grünes
Untergewand. Der Knecht links hat roten, goldbeschlagenen Helm, dunkelolivgrünes Gewand mit
grauem, weißgemustertem Besatz und gelben Ärmeln, bestickten, ziemlich tief hängenden Gürtel, rote
Trikots, braune Schuhe.
(x) Eine unbrauchbare Beschreibung von ihnen bei Hirsch, Marienkirche in Danzig, S. 376. Eine
bessere, aber auch nur kurze bei J. Braun, Die englischen Alabaster-Altäre (Zeitschrift für christliche
Kunst 1910, S. 238).
(2) Ihre Höhe beträgt etwa 95 cm, ihre Breite 60 cm (einschließlich der Umrahmung), während die
Bildfläche ohne Rand z. B. bei 2:81 cm Höhe und 49% cm Breite mißt.

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