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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Ehrenberg, Hermann: Neues von Meister Francke
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0038

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harmonisch, von wundervoller, tiefer Leuchtkraft, ihre Skala gleicht etwa der des
Genter Altars, nur ist sie etwas heller und goldiger. Der festliche Eindruck der
Bilder wird auch durch den Goldgrund bedingt, auf dem die Farben aufgetragen
sind, und der einmal, in dem Gesicht des einen Schergen, deutlich zum Vorschein
kommt. Mitunter schwarze Konturen. Die Farben in den Gesichtern sind fein
vertrieben. Gelegentlich sind nachdrücklich weiße Lichte aufgesetzt, z. B. beim
Nagel des großen Fingers rechts auf 5. Der goldene Hintergrund der einzelnen
Szenen ist durch punktierte Muster leicht belebt.
Die Figuren sind gedrungen, die weiblichen Gesichter regelmäßig, rundlich, an-
mutig. Die Stirn der Dorothea (2) geht in der Mitte spitz empor, ihre Augen-
brauen sind zart und leise angedeutet. Der Mund ist klein, hat volle, rötliche
Lippen, das Kinn ist stark betont. Auf 3 hat sie wiederum hohe Stirn und gold-
blondes, an den Schläfen vorgekämmtes Haar. Reizvoll rieseln auf 4 an ihrer
Wange die Haare nieder. Trotz der erschütternden Ereignisse, die der Künstler
uns schildert, bewahren die Figuren fast vollkommene Ruhe. Es sind meist an-
mutige, weich empfindende Gestalten, deren Zartheit nur die Farbenglut etwas
widerspricht. Auch wenn es sich um rohe Henkersknechte handelt, wird der
Künstler niemals heißblütig. Nirgends pulsiert wirklich dramatisches Leben.
Unleugbar wirken hier Erinnerungen an französische Kunst nach. Matthaei (in
Dehios Handbuch) hält die Bilder für burgundisch. Man könnte an Malouel
(Louvre) denken. Sicherer ist der Zusammenhang mit der hamburgischen Kunst
vom Anfang des 15. Jahrhunderts. Für die beiden Geistlichen auf 5 finden wir
eine Vorstufe im Abendmahlsbild, rechts vom hl. Zosimus, auf dem Londoner Altar
Meister Bertrams (vgl. Lichtwark, S. 401, man beachte z. B. das Kostüm, und wie
das Buch den Rock in Falten hinaufschiebt). Ganz eng ist aber der Zusammen-
hang mit Meister Francke, und zwar sowohl mit seinem Hamburger Thomas-Altar,
als auch mit dem ihm von Menander und Goldschmidt zugewiesenen Altar von
Nykyrko (jetzt im Museum zu Helsingfors). Die Behandlung der Körper, nament-
lich aber die Bildung des Kopfes ist bei allen drei Werken gleich. Gemeinsam
ist auch die Neigung, weibliche Zartheit in Gegensatz zu karikaturenhafter Roheit
zu setzen. Bei den Frauen beachte man die oft wiederkehrende, hohe, oben spitz
zulaufende Stirn und die dicken Haarflechten. Bei den Männern haben wir einen
Typ mit Schnurrbart, einen mit Vollbart und einen ohne Bart. Man vergleiche
z. B. den Mann mit der Furke auf 2 in Danzig mit dem Mann links von Christus
auf der Hamburger Kreuztragung. Die szenische Anordnung ist gleichfalls ver-
wandt. Die Ähnlichkeit ist bei Nykyrko und Danzig schon durch die Gleichheit
des Stoffs bedingt. Aber sie geht doch noch weiter und ist stellenweise recht be-
deutend. Perspektivisch zeigen sich dieselben Fehler, z. B. ist der geschachte
Fußboden auf der Hamburger Geißelung und auf 3 in Danzig einander gleich.
Ebenso steht es mit der Darstellung der Landschaft; auf der Hamburger Geburt
Christi, in Nykyrko und auf 4 in Danzig haben wir dieselben laubsägeholzartig be-
handelten Felsen und betupften Bäumchen, ganz im italienisch-trecentistischen
Geiste. Das Kostüm des vordersten Schergen auf der Hamburger Kreuztragung
(Schwertgehänge und der eigentümliche dütchenartig behandelte Schurz) kehrt auf
4 in Danzig bei dem in ähnlicher Körperdrehung dargestellten Henkersknecht wieder.
In allen drei Werken finden wir eine Neigung für orientalische, etwas phanta-
stische Kopfbedeckung bei den Männern. Der Wedel zur Anfachung des Feuers
auf 2 in Danzig begegnet uns noch einmal in Nykyrko. Kurz, es läßt sich nicht
leugnen, daß hier ein enger Zusammenhang besteht.

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