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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Schaeffer, Emil: Zu den Bildnissen der Vittoria Colonna
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0392

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kleidete, allerdings erst nach dem Tode der Marchesa, ihr ältester Biograph Filo-
nico Alicarnasseo dann in die trockene Konstatierung: „sie besaß keine große Schön-
heit"1) . . . Das bestätigen außer sämtlichen Medaillen2) mit Vittorias Porträt auch
zwei Bildnisse, deren künstlerischer Wert leider im umgekehrten Verhältnis zu
ihrer ikonographischen Bedeutung steht: ein roll gearbeiteter Holzschnitt das eine,
das andere eine flaue Belanglosigkeit, beide jenseits von aller Kunst, aber Weg-
weiser dem Forscher, der ausgeht, das authentische Porträt der Frau zu finden, die
Michelangelo seinen „grande amico" hieß. Der Holzschnitt ist einer Ausgabe der
„Rime della Diva Vettoria Colonna de pescara" vorangestellt, die anno 1540, das
heißt zu Lebzeiten der Marchesa, in Venedig erschien, und ein Bildnis Vittorias,
mit dem sie einstmals ihren Freund Bembo beschenkt hatte, diente vielleicht dem
Holzschneider als Vorlage8). Auch das zweite Porträt der Colonna, das man zu
Florenz, und zwar in jenem düsteren Gange suchen muß, der die Uffizien mit dem
Palazzo Pitti verbindet, dankt, was bisweilen vorkommt, seine Bedeutung lediglich
seiner Herkunft: Es ist nämlich eine Kopie Cristofanos dell' Altissimo, nach einem
heute verschollenen Bildnis, das einstmals in dem berühmten „museo" des Paolo
Giovio zu Como hing. Dies war nun durchaus nicht, was man jetzt eine „Qualitäts-
sammlung" nennt, da von den unzähligen Porträts, die dort vereinigt waren, ihr
Besitzer einzig und allein verbürgte Ähnlichkeit verlangte4). Würde nun Giovio,
der Biograph Pescaras und überdies im Hause Vittorias ein allzeit gern gesehener
Gast, ein unähnliches Bildnis der von ihm so hochverehrten Marchesa5) in seinem
„Museo" geduldet haben? Man darf die Frage wohl verneinen.
Betrachten wir nun die Vittoria all' dieser verschiedenen Darstellungen, des
Bildes, des Holzschnittes und der Medaillen, so werden wir ohne sonderliche Mühe
als charakteristisch für die Erscheinung der Dichterin feststellen: eine hochgewölbte,

(1) Die Biographie ist abgedruckt bei FerreroeMüller: „Carteggio di Vittoria Colonna." Torino 1892.

(2) Die beste Zusammenstellung der Medaillen gibt wiederum Wyß: op. cit., p. 126—127. Von den
zwei Medaillonbildnissen der jugendlichen Vittoria ist das eine allerdings mehr eine „Fantasia all' antica"
denn ein Porträt, und auch der Schöpfer des anderen, den, wie ergänzend bemerkt sei, v. Fabriczy
(„Medaillen der italienischen Renaissance", Leipzig o. J. p. 25) als den Mantuaer Jacopo Ilario Bona-
colsi erkannte, suchte, seinem Beinamen „l'antico" gemäß, Vittoria ebenfalls in eine Imperatrix, eine
Schwester der Faustina oder Julia Domna zu wandeln; aber die Stilisierung wollte oder vermochte
nicht, alle individuellen Züge zu verwischen, die wir, im wörtlichsten Sinne scharf ausgeprägt, auf
den Medaillen erblicken, die uns die alternde Marchesa in Witwentracht zeigen und die, wie F. X.
Kraus mit Recht betont, „die charakteristischen" sind. (Kraus, „Vittoria Colonna" in „Essays". Erste
Sammlung. Berlin 1896, p. 303.)

(3) Reumont, der diese Hypothese erwähnt (op. cit. p. 257), gedenkt ihrer wie einer bereits be-
kannten Mutmaßung. Aber ich wüßte nicht zu sagen, wer sie vor ihm geäußert hat.

(4) Vergl. den Brief Giovios an Pietro Aretino vom 11. März 1545 bei Bottari: „Raccolta di
lettere sulla pittura" etc. Milano MDCCCXXII. vol. V, p. 232.

(5) Über Giovios Besuch bei Vittoria auf Ischia vergl. Reumont: op. cit. p. 17 und p. 92. Für die
herzlichen Beziehungen, die zwischen der Colonna und Giovio walteten, ließen sich etliche Belegstellen
anführen. Hier seien nur Giovios Hymnus auf die „non mai ä bastanza lodata" Vittoria im „Rag-

gionamento dell' Imprese", In Milano MDLIX, p. 33 (tergo) und sein nicht für den Druck bestimmter
scherzhafter Brief an Bembo vom Jahre 1530 erwähnt, den man bei Cian: „Un decennio della vita
di M. Pietro Bembo," Torino 1885, p. 163 nachlesen mag.

Wyß überträgt seine Antipathie gegen Giovio (s. op. cit. p. 252, Anm. 28) sogar auf das Bildnis
Vittorias von Altissimo, dem er „für eine ikonographische Untersuchung keinen oder nur minimalen

Wert" beimißt (op. cit. p. 129). Denn „etwas verdächtig erscheint, daß der prahlende Giovio nirgends
ausposaunt, er besitze ein Porträt der berühmten Frau. Irgendein Bildnis hat er allerdings gehabt.

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