Sebastiano del Piombo hat Vittoria gemalt1) und die Behandlung des Pelzwerkes,
die Rechte mit dem Tuch und besonders das Gewollt-Monumentale der Schulter-
partie erinnert an Spätwerke des Frate, wie z. B. an das männliche Bildnis der
Sammlung Benson zu London; aber man könnte mindestens ebensoviel Gründe
gegen seine Autorschaft anführen, und die Namen, die einem sonst vor römischen
Bildnissen aus dieser Epoche um 1540 einfallen, Vasari ... Bronzino ... Venusti ...
Scipione Gaetano... keiner drängt sich einem von selbst auf die Lippen, keiner be-
sitzt völlige Überzeugungskraft, und so muß dieser Hinweis mit zwei Fragezeichen
schließen: mit einem großen, was den Maler, mit einem kleineren, was das Modell
des Bildes anbelangt.
Hat es nun einen Sinn, Mutmaßungen öffentlich vorzutragen? Wäre Vittoria
Colonna nur die gleichgültige Trägerin eines prunkenden Namens, so müßte die
Antwort lauten: Nein! Aber die Marchesa di Pescara, deren Hand einen Michel-
angelo aus seinem seelischen Inferno zum Paradiese göttlicher Huld führte, ist
nicht allein die größte Dichterin des Rinascimento, sondern die leuchtendste Frauen-
gestalt aller italienischen Geschichte bis zum heutigen Tage. Darum wollte die
selbsverständliche Frage nach ihrem Äußeren nie verstummen und darum, Vittoria
Colonnas wegen, darf auch diese Hypothese sich ans Licht wagen, auf daß ein
besser Unterrichteter sie widerlege oder zur Gewißheit erhebe.
(1) Vasari: „Le vite" etc. (ed. Milanesi). Firenze 1880, vol. V, p. 573
384
die Rechte mit dem Tuch und besonders das Gewollt-Monumentale der Schulter-
partie erinnert an Spätwerke des Frate, wie z. B. an das männliche Bildnis der
Sammlung Benson zu London; aber man könnte mindestens ebensoviel Gründe
gegen seine Autorschaft anführen, und die Namen, die einem sonst vor römischen
Bildnissen aus dieser Epoche um 1540 einfallen, Vasari ... Bronzino ... Venusti ...
Scipione Gaetano... keiner drängt sich einem von selbst auf die Lippen, keiner be-
sitzt völlige Überzeugungskraft, und so muß dieser Hinweis mit zwei Fragezeichen
schließen: mit einem großen, was den Maler, mit einem kleineren, was das Modell
des Bildes anbelangt.
Hat es nun einen Sinn, Mutmaßungen öffentlich vorzutragen? Wäre Vittoria
Colonna nur die gleichgültige Trägerin eines prunkenden Namens, so müßte die
Antwort lauten: Nein! Aber die Marchesa di Pescara, deren Hand einen Michel-
angelo aus seinem seelischen Inferno zum Paradiese göttlicher Huld führte, ist
nicht allein die größte Dichterin des Rinascimento, sondern die leuchtendste Frauen-
gestalt aller italienischen Geschichte bis zum heutigen Tage. Darum wollte die
selbsverständliche Frage nach ihrem Äußeren nie verstummen und darum, Vittoria
Colonnas wegen, darf auch diese Hypothese sich ans Licht wagen, auf daß ein
besser Unterrichteter sie widerlege oder zur Gewißheit erhebe.
(1) Vasari: „Le vite" etc. (ed. Milanesi). Firenze 1880, vol. V, p. 573
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