ZU ANDREA POZZOS FRESKEN IN MONDOVI
Mit einer Abbildung auf einerTafel Von OSW. VON KUTSCHERA-WOBORSKY
Im Februar-Märzheft der „Monatshefte für Kunstwissenschaft" hat Heinr. Hammer
einen wichtigen Aufsatz über Andrea Pozzos Arbeiten in der ehemaligen Jesuiten-
kirche S. Francesco zu Mondovi publiziert. Wir begrüßen diese Veröffentlichung mit
vielem Danke, weil damit nicht nur auf das erste Freskowerk des Meisters (1776/77)1)
— Francesco Baldinucci nennt es ausdrücklich "la primogenita del Padre Pozzo"2) —
aufmerksam gemacht wurde, sondern weil hier auch gleichzeitig Gelegenheit geboten
war für mannigfache Anregungen, die als Frucht seiner Ausführungen gewonnen
werden können.
Denn vor allem ist die Komposition des Chorfreskos schon längere Zeit bekannt
gewesen in einer Farbenskizze, die Gino Fogolari vor einigen Jahren für die Samm-
lungen der venezianischen Akademie erwarb und unter dem Namen des venezia-
nischen Malers und Freskanten Giannantonio Fumiani (1643—1710) edierte 3); welcher
Irrtum denn auch und mit meiner Hilfe in das Allgemeine Künstlerlexikon (XII. 584)
überging. (Abb. 1.) Mit der Bereicherung unseres Wissens aber, die uns Hammer
vermittelte, kann nun kein Zweifel darüber herrschen, daß wir in dem Bozzetto der
venezianischen Akademie die Originalskizze Andrea Pozzos für sein Fresko im
Chore der Ordenskirche des piemontesischen Städtchens besitzen. Dies erhellt die
in beiden Fällen fast kongruente Komposition, die nicht nur in der Figurenverteilung
und der Angabe des architektonischen Gerüstes bemerkbar wird, sondern sich auch
bis in die Raffung der von oben herabreichenden Vorhangflächen, ja bis zur An-
deutung des seitlich einfallenden Lichtstrahles erstreckt, der einen scharf akzen-
tuierten Schattenkontur durch die Bogenstellung ziehen läßt und, auf die Figuren
überspringend, einen Teil der Szene in ein kontrastreiches Halbdunkel nach Art
der Tenebrosi zu verhüllen oder wenigstens zurückzudrängen bestrebt ist; woraus
die Hauptgestalt des in langen, weißen Chorhemd gekleideten Heiligen, grell be-
leuchtet und von schwarzen Sonnenflecken umspielt, plastisch und in monumentaler
Weise hervorgehoben wird.
(1) Dieses Datum überliefert Francesco Baldinucci; (vgl. Hammer S. 115). — Nach Goffr. Casalis:
Dizionario geografico, storico.degli Stati del Re di Sardegna, Torino 1842, vol.X, S. 644 f.)
wäre die Kirche am 9. April 1678 vom Bischofe Trucchi eingeweiht worden und Pozzo hätte im
folgenden Jahre seine Fresken vollendet. — Casalis (S. 637) und Pietro Giuria (Guide . .. de Turin,
de ses Environs . . . . Turin 1853, S. 287) erwähnen überdies noch ein Bild Pozzos mit der Dar-
stellung der Verkündigung in der zweiten Sakristei der Kathedrale zu Mondovi.
(2) Vgl. Zippel in „Strenna Trentina Letteraria ed Artistica. Trient 1893, pag. 108. Hammers Be-
obachtung, daß die von Baldinucci als erster kirchlicher Auftrag Pozzos angeführten Fresken für
S. Bartolomeo in Modena größtenteils nur, als Schülerarbeiten (etwa mit Benutzung eines Entwurfes
des Meisters) zu bezeichnen seien, scheint in den Angaben der modenesischen Guiden und Cam-
poris (Gli artisti italiani e stranieri negli stati estensi, Modena 1855, p. 381 und 33) bestätigt zu
werden. Der dort beschäftigte (aus Savoyen stammende) Gehilfe hieß Fra Luigi Barbieri (Barbery,
ebenfalls Mitglied des Jesuitenordens) "al quäle stando ai detti del Lazzarelli, si potrebbe attribuire
il merito della pittura della volta."
(3) L'arte 1913, p. 368. Vita d'arte 1908, p. 74. (Die zweite Zeitschrift und leider auch die von
Benvenuti in den Atti dell' Accademia degli Agiati in Rovereto (1912) herausgegebene vita Pozzos
von Franc. Baldinucci waren für die Abfassung vorliegender Notizen in Wiener Bibliotheken nicht
aufzutreiben.)
Monatshefte für Kunstwissenschaft, X. Jahrg. 1917, Heft xo/12 28 3^5
Mit einer Abbildung auf einerTafel Von OSW. VON KUTSCHERA-WOBORSKY
Im Februar-Märzheft der „Monatshefte für Kunstwissenschaft" hat Heinr. Hammer
einen wichtigen Aufsatz über Andrea Pozzos Arbeiten in der ehemaligen Jesuiten-
kirche S. Francesco zu Mondovi publiziert. Wir begrüßen diese Veröffentlichung mit
vielem Danke, weil damit nicht nur auf das erste Freskowerk des Meisters (1776/77)1)
— Francesco Baldinucci nennt es ausdrücklich "la primogenita del Padre Pozzo"2) —
aufmerksam gemacht wurde, sondern weil hier auch gleichzeitig Gelegenheit geboten
war für mannigfache Anregungen, die als Frucht seiner Ausführungen gewonnen
werden können.
Denn vor allem ist die Komposition des Chorfreskos schon längere Zeit bekannt
gewesen in einer Farbenskizze, die Gino Fogolari vor einigen Jahren für die Samm-
lungen der venezianischen Akademie erwarb und unter dem Namen des venezia-
nischen Malers und Freskanten Giannantonio Fumiani (1643—1710) edierte 3); welcher
Irrtum denn auch und mit meiner Hilfe in das Allgemeine Künstlerlexikon (XII. 584)
überging. (Abb. 1.) Mit der Bereicherung unseres Wissens aber, die uns Hammer
vermittelte, kann nun kein Zweifel darüber herrschen, daß wir in dem Bozzetto der
venezianischen Akademie die Originalskizze Andrea Pozzos für sein Fresko im
Chore der Ordenskirche des piemontesischen Städtchens besitzen. Dies erhellt die
in beiden Fällen fast kongruente Komposition, die nicht nur in der Figurenverteilung
und der Angabe des architektonischen Gerüstes bemerkbar wird, sondern sich auch
bis in die Raffung der von oben herabreichenden Vorhangflächen, ja bis zur An-
deutung des seitlich einfallenden Lichtstrahles erstreckt, der einen scharf akzen-
tuierten Schattenkontur durch die Bogenstellung ziehen läßt und, auf die Figuren
überspringend, einen Teil der Szene in ein kontrastreiches Halbdunkel nach Art
der Tenebrosi zu verhüllen oder wenigstens zurückzudrängen bestrebt ist; woraus
die Hauptgestalt des in langen, weißen Chorhemd gekleideten Heiligen, grell be-
leuchtet und von schwarzen Sonnenflecken umspielt, plastisch und in monumentaler
Weise hervorgehoben wird.
(1) Dieses Datum überliefert Francesco Baldinucci; (vgl. Hammer S. 115). — Nach Goffr. Casalis:
Dizionario geografico, storico.degli Stati del Re di Sardegna, Torino 1842, vol.X, S. 644 f.)
wäre die Kirche am 9. April 1678 vom Bischofe Trucchi eingeweiht worden und Pozzo hätte im
folgenden Jahre seine Fresken vollendet. — Casalis (S. 637) und Pietro Giuria (Guide . .. de Turin,
de ses Environs . . . . Turin 1853, S. 287) erwähnen überdies noch ein Bild Pozzos mit der Dar-
stellung der Verkündigung in der zweiten Sakristei der Kathedrale zu Mondovi.
(2) Vgl. Zippel in „Strenna Trentina Letteraria ed Artistica. Trient 1893, pag. 108. Hammers Be-
obachtung, daß die von Baldinucci als erster kirchlicher Auftrag Pozzos angeführten Fresken für
S. Bartolomeo in Modena größtenteils nur, als Schülerarbeiten (etwa mit Benutzung eines Entwurfes
des Meisters) zu bezeichnen seien, scheint in den Angaben der modenesischen Guiden und Cam-
poris (Gli artisti italiani e stranieri negli stati estensi, Modena 1855, p. 381 und 33) bestätigt zu
werden. Der dort beschäftigte (aus Savoyen stammende) Gehilfe hieß Fra Luigi Barbieri (Barbery,
ebenfalls Mitglied des Jesuitenordens) "al quäle stando ai detti del Lazzarelli, si potrebbe attribuire
il merito della pittura della volta."
(3) L'arte 1913, p. 368. Vita d'arte 1908, p. 74. (Die zweite Zeitschrift und leider auch die von
Benvenuti in den Atti dell' Accademia degli Agiati in Rovereto (1912) herausgegebene vita Pozzos
von Franc. Baldinucci waren für die Abfassung vorliegender Notizen in Wiener Bibliotheken nicht
aufzutreiben.)
Monatshefte für Kunstwissenschaft, X. Jahrg. 1917, Heft xo/12 28 3^5