Im übrigen aber gibt die so erkannte Skizze doch wiederum nur in großen Zügen
das Äußerliche der Komposition getreulich wieder, soweit es die Illustrierung des
gleichen und einmal erdachten Vorwurfes verlangt und bedingt hat. Der Gegen-
satz, der leicht erkennbar zwischen beiden Phasen besteht1), beruht vor allem in
dem Unterschiede, welchen das verschiedene Format (Rechteck — „Halbkreis"
[stereometrisch: Halbkuppelschale]) und die abweichende Aufstellungsart ver-
anlaßten. Die „Skizze" ist demnach nicht eine direkte und letzte Vorstudie für
das in vergrößertem Maßstabe und mit Hilfe mechanischer Handhaben (Quadrie-
rung) in unveränderter Weise zur unmittelbaren Ausführung gelangte Fresko. Ihr
gebührt ein selbständiger Wert, zumal es sich um ein Jugendwerk handelt, dessen
Aussehen für die Erkenntnis des Stiles seines Urhebers zu mannigfachem Nutzen
zu dienen geeignet sein muß. Denn ihre „fast bildmäßige", eine vertikale Vor-
führung fordernde Wirkung, die eine mehr flächenhafte, in einen Plan zusammen-
fallende Anordnung verrät, entbehrt in diesem frühen Stadium der Konzeption
noch teilweise jener Vorteile, die späterhin das Charakteristische und Neue des
Pozzostiles ausmachen sollten; und wenn im Kerne solche Vorbedingungen freilich
schon ausgiebig als vorhanden erkenntlich sind, so wird die fruchtbare Anwendung
und Ausnützung dieser Elemente doch vorderhand vermieden, als wäre für das
Einlenken in das Gebiet perspektivischer Experimente und in die Probleme von
Verkürzung und Unteransicht die Zeit eines derartigen Wagnisses noch nicht ge-
kommen; und die bedächtigen und nur schrittweise vorwärts gehenden Darlegungen
in Pozzos Architektur-Schriften, die das öftere Nachlesen des früher Gesagten (und
vom Studierenden etwa nicht gänzlich verstandenen) als Grundlage für kühnere
und kompliziertere Formen und Konstruktionen empfahlen, scheinen hier offenbar
in der Entwicklung des Meisters selbst in ihrer Anwendung vorzuliegen. Der Ver-
zicht die den vorderen Rand der Szene abschließende (fingierte) Balustraden-
schranke conchenförmig auszuwölben, entfernt die Skizze unleugbar von jenen
Tendenzen, welche durch die Einbuchtung der Apsisschale erfordert wurden und
die in ihrer veränderten Anordnung mit dem Gewinne stärkerer Tiefenwirkung und
gesteigerter Raumillusion auch späterhin trefflich in Erfüllung gehen sollten. —
Dieses Vorstadium aber entspricht in seiner Ermanglung wichtiger, den Bild-
durchbruch verstärkender Kunstmittel jenen großen, flächenhaften Leinwand-
bildern, die ohne Scorcio und mit kaum erhöhtem Augenpunkt ausgedehnte und
geradlinige Mauerzüge zu bedecken bestimmt waren2). Es nähert sich dieses
Wesen denn etwa jenen charakteristischen Erzeugnissen der Seicento-Malerei, wie
sie Antonio Zanchis Pestbild (1666) für das Stiegenhaus der Scuola di S. Rocco
in Venedig vertrat oder, um an berühmtere Beispiele dieser Kompositionsart zu
erinnern, an Annibale Carraccis und Camillo Procaccinis verwandten Darstellungen
des Heiligen Rocchus (einst Gegenstücke in der Confraternitä di S. Rocco in
Reggio, heute beide in der Dresdner Galerie) und an Luca Giordanos und Solimenas
bekannten Szenen (Christus, die Tempelhändler vertreibend und Heliodor-Begeben-
heit). Das Gemeinsame dieser Bilderreihen beruhte in einem üppigen Aufwande
(1) Soweit man dies vor den ungenügenden Aufnahmen verfolgen kann. — Als Gegenbeispiel ver-
gleiche man den sehr umfangreichen Entwurf Baciccios für die Decke der Gesü-Kirche in der Galerie
Spada zu Rom, wohl die prächtigste Skizze der italienischen Barockmalerei. — Von Andrea Pozzo
besitzt die Corsinigalerie zu Rom zwei Skizzen (für die Decke von S. Ignazio und für die Chiesa
del Gesü in Frascati).
(2) So daß die Zuweisung der in Venedig befindlichen Skizze an Fumiani bis zu einem gewissen
Grade erklärlich war.
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das Äußerliche der Komposition getreulich wieder, soweit es die Illustrierung des
gleichen und einmal erdachten Vorwurfes verlangt und bedingt hat. Der Gegen-
satz, der leicht erkennbar zwischen beiden Phasen besteht1), beruht vor allem in
dem Unterschiede, welchen das verschiedene Format (Rechteck — „Halbkreis"
[stereometrisch: Halbkuppelschale]) und die abweichende Aufstellungsart ver-
anlaßten. Die „Skizze" ist demnach nicht eine direkte und letzte Vorstudie für
das in vergrößertem Maßstabe und mit Hilfe mechanischer Handhaben (Quadrie-
rung) in unveränderter Weise zur unmittelbaren Ausführung gelangte Fresko. Ihr
gebührt ein selbständiger Wert, zumal es sich um ein Jugendwerk handelt, dessen
Aussehen für die Erkenntnis des Stiles seines Urhebers zu mannigfachem Nutzen
zu dienen geeignet sein muß. Denn ihre „fast bildmäßige", eine vertikale Vor-
führung fordernde Wirkung, die eine mehr flächenhafte, in einen Plan zusammen-
fallende Anordnung verrät, entbehrt in diesem frühen Stadium der Konzeption
noch teilweise jener Vorteile, die späterhin das Charakteristische und Neue des
Pozzostiles ausmachen sollten; und wenn im Kerne solche Vorbedingungen freilich
schon ausgiebig als vorhanden erkenntlich sind, so wird die fruchtbare Anwendung
und Ausnützung dieser Elemente doch vorderhand vermieden, als wäre für das
Einlenken in das Gebiet perspektivischer Experimente und in die Probleme von
Verkürzung und Unteransicht die Zeit eines derartigen Wagnisses noch nicht ge-
kommen; und die bedächtigen und nur schrittweise vorwärts gehenden Darlegungen
in Pozzos Architektur-Schriften, die das öftere Nachlesen des früher Gesagten (und
vom Studierenden etwa nicht gänzlich verstandenen) als Grundlage für kühnere
und kompliziertere Formen und Konstruktionen empfahlen, scheinen hier offenbar
in der Entwicklung des Meisters selbst in ihrer Anwendung vorzuliegen. Der Ver-
zicht die den vorderen Rand der Szene abschließende (fingierte) Balustraden-
schranke conchenförmig auszuwölben, entfernt die Skizze unleugbar von jenen
Tendenzen, welche durch die Einbuchtung der Apsisschale erfordert wurden und
die in ihrer veränderten Anordnung mit dem Gewinne stärkerer Tiefenwirkung und
gesteigerter Raumillusion auch späterhin trefflich in Erfüllung gehen sollten. —
Dieses Vorstadium aber entspricht in seiner Ermanglung wichtiger, den Bild-
durchbruch verstärkender Kunstmittel jenen großen, flächenhaften Leinwand-
bildern, die ohne Scorcio und mit kaum erhöhtem Augenpunkt ausgedehnte und
geradlinige Mauerzüge zu bedecken bestimmt waren2). Es nähert sich dieses
Wesen denn etwa jenen charakteristischen Erzeugnissen der Seicento-Malerei, wie
sie Antonio Zanchis Pestbild (1666) für das Stiegenhaus der Scuola di S. Rocco
in Venedig vertrat oder, um an berühmtere Beispiele dieser Kompositionsart zu
erinnern, an Annibale Carraccis und Camillo Procaccinis verwandten Darstellungen
des Heiligen Rocchus (einst Gegenstücke in der Confraternitä di S. Rocco in
Reggio, heute beide in der Dresdner Galerie) und an Luca Giordanos und Solimenas
bekannten Szenen (Christus, die Tempelhändler vertreibend und Heliodor-Begeben-
heit). Das Gemeinsame dieser Bilderreihen beruhte in einem üppigen Aufwande
(1) Soweit man dies vor den ungenügenden Aufnahmen verfolgen kann. — Als Gegenbeispiel ver-
gleiche man den sehr umfangreichen Entwurf Baciccios für die Decke der Gesü-Kirche in der Galerie
Spada zu Rom, wohl die prächtigste Skizze der italienischen Barockmalerei. — Von Andrea Pozzo
besitzt die Corsinigalerie zu Rom zwei Skizzen (für die Decke von S. Ignazio und für die Chiesa
del Gesü in Frascati).
(2) So daß die Zuweisung der in Venedig befindlichen Skizze an Fumiani bis zu einem gewissen
Grade erklärlich war.
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