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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Ehrenberg, Hermann: Neues von Meister Francke
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0039

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Ich verkenne nicht, daß die künstlerische Qualität des Hamburger Altars, veli-
leicht auch die des Finnländer Altars, sowohl zeichnerisch als farblich höher ist,
als die des Danziger Altars. Aber die Ähnlichkeiten sind zu stark, als daß man
bloß an eine Beeinflussung denken könnte. Auch wollte der Danziger Besteller
offenbar sich etwas besonderes leisten und hat mit dem Geld nicht gespart.
Das sieht man an dem kostbaren plastischen Schmuck des Altars, der etwas Un-
gewöhnliches, wenn nicht gar Einzigartiges ist. Pracht und Reichtum atmet das
ganze Werk. Ist es unter diesen Umständen so unwahrscheinlich, daß man für
seinen malerischen Schmuck einen namhaften und hervorragenden Künstler, anstatt
eines untergeordneten Mit- oder Nachläufers heranzog? Allerdings will mir scheinen,
als ob der Danziger Altar früher anzusetzen sei als der Hamburger. Der Finn-
länder mag in der Mitte stehen. Ist aber unser Danziger Werk wirklich eine
Schöpfung Franckes, dann werden wir die wertvollen Äußerungen Goldschmidts
über die plastischen Teile des Finnländer Altars ein klein wenig anders zu for-
mulieren haben. Denn die bildnerischen Arbeiten am Danziger und am Finnländer
Altar haben nichts miteinander zu tun. In einem Fall holte Francke als beauf-
tragter Unternehmer ausländische, im andern heimische Zutat heran.
In der Danziger Marienkirche werden aber aus alter Zeit noch weitere Altar-
Aufsätze verwahrt, die mit der Kunst des großen Hamburger Malers in irgend
welchem inneren Zusammenhang stehen. Und wenn sie auch keinesfalls von ihm
selbst herrühren, so sind sie doch wohl geeignet, uns über Wesen und Eigenart seiner
bisher noch nicht völlig geklärten Eigenart einen gewissen Aufschluß zu bieten.
Zunächst besitzen wir im angegebenen Gotteshaus zwei Dreifaltigkeits-Darstel-
lungen (Abb. 5), die ähnlich angeordnet sind, wie der Leipziger und mehr noch,
wie der Hamburger Schmerzensmann Franckes; in allen Fällen stehen die Haupt-
figuren vor einem reich gemusterten, prächtigen Teppich, der von vier Engeln ge-
halten wird. Die vollen Lockenköpfe all dieser Engel sind zweifellos einander
nahe verwandt. Sonst weichen die Danziger Stücke freilich ab, sie deuten nach
Böhmen, Gott Vater hat den ausgeprägt böhmischen, etwas weichlich süßlichen
Typus vom Ende des 14. Jahrhunderts. Ich beabsichtige, auf die Tafeln bald
znrückzukommen und möchte heute nur noch die Aufmerksamkeit auf den Altar-
Schrein in der Kreuzeskapelle der Danziger Marienkirche lenken, der dorthin einst
von der Goldschmiedezunft gestiftet wurde1).
Das Mittelstück war hier einst mit Holzschnitzereien angefüllt, von denen nur
der kreuztragende Christus (in etwa % Lebensgröße) noch erhalten ist. Das Kreuz
lastet schwer auf ihm, mit den Händen stützt er sich auf die Kniee. Das Gesicht
ist traurig, voller Klage, aber doch nicht erschütternd. Der Körper ist fast nackt,
die grob gearbeiteten Rippen treten stark hervor. Vor zwei Menschenaltern war
mehr erhalten. Hirsch, S. 420, erwähnt: „neben ihm (Christus) links eine Gestalt,
die ihn martert; noch drei freistehende Figuren und drei halbe Engelsfiguren,
die aus den Wänden hervortreten."
Von den beiden Flügeln2) sind die Innenseiten zu etwa gleicher Zeit wie die
Skulpturen, die Außenseiten dagegen (links Maria mit Kind, rechts der hl. Eligius),
etwa ein halbes Jahrhundert später und zwar von einem Danziger Maler bemalt.
Uns berühren hier nur die Innenseiten (zu denen noch die Predella, mit mehreren

(1) Eine Gesamtaufnahme der Kapelle mit dem Altar bei v. Czihak, Edelschmiedekunst in Ost- und
Westpreußen, Band II.

(2) Die Flügel, innen gemessen, mit Rand haben 173 cm Höhe und 79 cm Breite.

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