Heiligen, eine recht geringe Werkstattsarbeit, tritt). Sie stellen dar: links oben
Geißelung Christi, links unten Dornenkrönung Christi, rechts oben Ecce homo
(Abb. 6), rechts unten Grablegung (Abb. 7).
Der Maler hat volle Freude an bunten, breit aufgetragenen Farben. Von den
beiden prächtig und modisch gekleideten Schergen auf der Geißelung trägt der
eine ein bis an die Lenden reichendes, an den Armen tief ausgeschnittenes Wams
von gelber Seide und weißem Pelzbesatz, rote Hemdärmel, violettblaue Beintrikots,
der andere ein hellgrüngraues und goldenes Brokatgewand mit Pelzbesatz, offenem
Ärmel und Beinschlitz, kirschroten Ärmeln und grünen Beintrikots. Auf dem Ecce
sind die Gewänder der Zuschauer von rechts nach links: olivgrün, violett, bräun-
lich, kirschrot, grün. Bei der Grablegung sind die klagenden Frauen gekleidet in:
violett, blau, rot, olivgrün, gelbrötlich, rot. Die Farben sind leuchtend, hell, feurig1.
Sie heben sich wirksam von dem dunkelen Hintergrund (dunkelblauer Himmel mit
großen goldenen Sternen) ab. Die Architekturen sind außen grau, steinfarbig,
innen rot. Der Fleischton der Frauen ist grünlich, der der Männer rotbräunlich.
Lichter werden aufgesetzt, z. B. auf den Panzern auf dem Ecce homo.
Auch bei diesen Malereien werden, wie oben schon angedeutet wurde, Be-
ziehungen zur Hamburger Kunst offenkundig. Meister Bertrams Figuren leben in
der Dornenkrönung fort. Und die Grablegung steht in ihrer Anordnung der Grab-
legung um 1424 in Hamburg (Lichtwark, S. 169) recht nahe. Der vollbärtige
Mann mit dem Turban gleicht durchaus dem Mann links auf dem Dorotheen-Altar,
Bild 4.
Freilich stehen die Hamburger Bilder künstlerisch erheblich höher. Einzelheiten,
wie die Vollbärte und der Turban, sind zwar in Danzig mit besonderer Sorgfalt be-
handelt. Aber die Zehen Christi und so manches andere sind mißglückt. Und
die Frauen am Grabe entbehren nicht bloß echter Empfindung, sondern erhalten
in ihren, an sich ganz anmutigen Gesichtern durch die breite Verzerrung des
Mundes einen süßlichen Ausdruck. Auf der Dornenkrönung hat Christus durch
einen ähnlichen Zeichenfehler etwas Listiges, Lauerndes. Der breitgezogene Mund
und die Süßlichkeit finden in der böhmischen Kunst ihr Vorbild, man vergleiche
die Madonna am Kreuzberg bei Krummau (Ernst, Böhmische Tafelmalerei, Taf. 34);
aber auch die Maria auf der Flucht nach Ägypten auf Meister Bertrams Buxte-
huder Altar (Lichtwark, S. 371) ist zu beachten.
Wir gewinnen also abermals eine Beziehung zwischen Hamburg und Prag, wo-
bei Danzig in gewissem Sinne eine Brücke bildet. Einen überraschenden Ausblick
aber auf Wesen und Herkunft unserer Malereien gewinnen wir vor dem Ecce homo-
Bild des Kreuzes-Altares. Hier wird Christus dem Volk am Eingang einer
baldachinartigen Steinarchitektur gezeigt. Am Fuß der Freitreppe, die zu ihr
heraufführt, steht viel Volk: Stutzer, Priester und Kriegsknechte, deren Tracht an
die oberitalienische um etwa 1440 anklingt (vgl. z. B. die dem Antonio Pisano zuge-
schriebene Rundtafel im Berliner Kaiser-Friedrich-Museum). Einer der Männer trägt
eine Fahne mit den stolzen Buchstaben SPQ (der vierte ist leider nicht sichtbar)
und bietet uns damit eine Erinnerung an das klassische Altertum dar, wie sie uns
im damaligen Deutschland noch am Bamberger Altar von 1429, sonst aber wohl
kaum jemals wieder begegnet. Die Anordnung der Szene erinnert an Alticchieros
Malereien in Padua. Der architektonische Aufbau ist jedenfalls echt italienisch'2.
(1) Heute sind sie freilich arg nachgeblaßt. Eine sachkundige Auffrischung würde sich lohnen.
(2) Für die Beziehungen zwischen der deutschen und italienischen Kunst in jener Zeit ist u. a. der
wichtige Aufsatz Glasers (Zeitschrift f. bild. Kunst, März 1914) zu vergleichen.
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Geißelung Christi, links unten Dornenkrönung Christi, rechts oben Ecce homo
(Abb. 6), rechts unten Grablegung (Abb. 7).
Der Maler hat volle Freude an bunten, breit aufgetragenen Farben. Von den
beiden prächtig und modisch gekleideten Schergen auf der Geißelung trägt der
eine ein bis an die Lenden reichendes, an den Armen tief ausgeschnittenes Wams
von gelber Seide und weißem Pelzbesatz, rote Hemdärmel, violettblaue Beintrikots,
der andere ein hellgrüngraues und goldenes Brokatgewand mit Pelzbesatz, offenem
Ärmel und Beinschlitz, kirschroten Ärmeln und grünen Beintrikots. Auf dem Ecce
sind die Gewänder der Zuschauer von rechts nach links: olivgrün, violett, bräun-
lich, kirschrot, grün. Bei der Grablegung sind die klagenden Frauen gekleidet in:
violett, blau, rot, olivgrün, gelbrötlich, rot. Die Farben sind leuchtend, hell, feurig1.
Sie heben sich wirksam von dem dunkelen Hintergrund (dunkelblauer Himmel mit
großen goldenen Sternen) ab. Die Architekturen sind außen grau, steinfarbig,
innen rot. Der Fleischton der Frauen ist grünlich, der der Männer rotbräunlich.
Lichter werden aufgesetzt, z. B. auf den Panzern auf dem Ecce homo.
Auch bei diesen Malereien werden, wie oben schon angedeutet wurde, Be-
ziehungen zur Hamburger Kunst offenkundig. Meister Bertrams Figuren leben in
der Dornenkrönung fort. Und die Grablegung steht in ihrer Anordnung der Grab-
legung um 1424 in Hamburg (Lichtwark, S. 169) recht nahe. Der vollbärtige
Mann mit dem Turban gleicht durchaus dem Mann links auf dem Dorotheen-Altar,
Bild 4.
Freilich stehen die Hamburger Bilder künstlerisch erheblich höher. Einzelheiten,
wie die Vollbärte und der Turban, sind zwar in Danzig mit besonderer Sorgfalt be-
handelt. Aber die Zehen Christi und so manches andere sind mißglückt. Und
die Frauen am Grabe entbehren nicht bloß echter Empfindung, sondern erhalten
in ihren, an sich ganz anmutigen Gesichtern durch die breite Verzerrung des
Mundes einen süßlichen Ausdruck. Auf der Dornenkrönung hat Christus durch
einen ähnlichen Zeichenfehler etwas Listiges, Lauerndes. Der breitgezogene Mund
und die Süßlichkeit finden in der böhmischen Kunst ihr Vorbild, man vergleiche
die Madonna am Kreuzberg bei Krummau (Ernst, Böhmische Tafelmalerei, Taf. 34);
aber auch die Maria auf der Flucht nach Ägypten auf Meister Bertrams Buxte-
huder Altar (Lichtwark, S. 371) ist zu beachten.
Wir gewinnen also abermals eine Beziehung zwischen Hamburg und Prag, wo-
bei Danzig in gewissem Sinne eine Brücke bildet. Einen überraschenden Ausblick
aber auf Wesen und Herkunft unserer Malereien gewinnen wir vor dem Ecce homo-
Bild des Kreuzes-Altares. Hier wird Christus dem Volk am Eingang einer
baldachinartigen Steinarchitektur gezeigt. Am Fuß der Freitreppe, die zu ihr
heraufführt, steht viel Volk: Stutzer, Priester und Kriegsknechte, deren Tracht an
die oberitalienische um etwa 1440 anklingt (vgl. z. B. die dem Antonio Pisano zuge-
schriebene Rundtafel im Berliner Kaiser-Friedrich-Museum). Einer der Männer trägt
eine Fahne mit den stolzen Buchstaben SPQ (der vierte ist leider nicht sichtbar)
und bietet uns damit eine Erinnerung an das klassische Altertum dar, wie sie uns
im damaligen Deutschland noch am Bamberger Altar von 1429, sonst aber wohl
kaum jemals wieder begegnet. Die Anordnung der Szene erinnert an Alticchieros
Malereien in Padua. Der architektonische Aufbau ist jedenfalls echt italienisch'2.
(1) Heute sind sie freilich arg nachgeblaßt. Eine sachkundige Auffrischung würde sich lohnen.
(2) Für die Beziehungen zwischen der deutschen und italienischen Kunst in jener Zeit ist u. a. der
wichtige Aufsatz Glasers (Zeitschrift f. bild. Kunst, März 1914) zu vergleichen.
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