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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0047

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so hat es der Verf. — das mag hier gleich rüh-
mend miterwähnt sein — im Allg. Lexikon bild.
Künstler von Thieme-Becker nachgeholt, wo man
(XL, S. 200 ff.) alle Mitglieder des Geschlechtes,
namentlich auch die beiden Landschafter Anton
und Josef F. ausführlich behandelt findet. Aber
auch über seinen eigentlichen Helden ergab die
sorgfältige Benutzung handschriftlicher Quellen
viel neue Details. Der Verf. hat außer den Fres-
ken auch die Tafelbilder, Ölskizzen und Zeich-
nungen herangezogen und im Anhange das ganze
Werk chronologisch zur Übersicht gebracht. Ich
freue mich endlich, auch die Reihe der Decken-
gemälde selbst durch zwei kleinere Werke ver-
mehrt zu finden: jene der St. Rosakapelle zu Kitz-
bühel und jene in Röhrerbichl (so ist der Name
nach der Ortsaussprache und allen amtlichen
Quellen zu schreiben, H 's Schreibung „Rehro-
bichl“ ist ganz unmöglich). In den „Joh. Ent-
felder 1835" signierten Fresken in Kirchberg, die
den Verf. mit Recht an Josef Schöpf (1745—1822)
erinnern, dünkt mir in der Tat viel eher eine
frühere Ausmalung durch diesen, als durch Faisten-
berger zugrunde zu liegen.
Zweifelhafter erscheinen mir nun aber die Fort-
schritte des Buches in der kunstgeschichtlichen
Würdigung Faistenbergers und zwar schon be-
züglich der Herleitung seines Stils. Ich hatte
nach dem Stil der Fresken selbst für die frühere
Zeit des Meisters auf Rottmayr und die späten
Venetaner, für die Spätwerke auf Michelangelo und
Rubens als leitende Einflüsse verwiesen. Hierin
ist mir H. in der Hauptsache gefolgt. Für die
früheste Zeit fügt er noch als eigentlichen Lehrer
den Münchner Hofmaler Joh. Ant. Gumpp hinzu,
eine sehr glückliche Annahme, für die er eine
Notiz Roschmanns m. E. richtig deutet. Leider
hat er sich mit diesen Hauptlinien nicht begnügt;
vielmehr wird fast bei jedem Werke von weiteren
Einflüssen und Anlehnungen gesprochen, meist
auf Grund von Einzelheiten, die man um jene
Zeit bei allen möglichen Barockmalern in ähn-
licher Form wiederfinden wird, die durch die
verschiedensten Schulzusammenhänge entstanden
sein können und wohl nur in ganz schlagenden
Fällen noch unmittelbar auf die großen Meister
bezogen werden dürfen. Man höre z. B.: „ Das
Überschneiden des Halses durch die vorgestreckte
Schulter ist ein spezifisch venetianisches Motiv,
das auch Tiepolo gern benutzt hat" (S. 34); die
„kalte Wiedergabe der Stahlfarbe" erinnert H. an
die Bologneser, besonders Guido Reni (S. 35); an
dem Gott Vater der Nepomukkapelle in Kitzbühel
„lehnt sich die tänzelnde Schwebehaltung an die

ömisch-cortoneske Richtung an, während seine
„fetten Hände mit gespreizten Fingern" an Ma-
ratta und sein „leicht geöffneter Mund" an die
Caraccischule gemahnen (S. 46)! Infolge solchen
Verfahrens erscheint der arme Faistenberger schließ-
lich so ziemlich von allen wichtigeren Schulen
Italiens abhängig und sammelt sich schließlich gut
ein DutzendMeister verschiedensten Stils zusammen,
an die seine Werke erinnern. Und doch ist ge-
rade bei Faistenberger nichts von einer italie-
nischen Reise bekannt und auch wohl nicht zu
glauben, daß er sich für die verschiedenen Teile
einer und derselben Figur aus allen möglichen
Stichen oder Kopien Rats erholt habe. Man darf
eben nicht bei jeder ungefähren Ähnlichkeit, auf
die man irgendwo gestoßen ist, gleich Beziehungen
vermuten; es ist z. B. sicher belanglos, daß der
hl. Sebastian Faistenbergers in Jochberg „auf einem
Ölbild Franz Sebald Unterbergers" — wir erfahren
nicht einmal, auf welchem! — „in ähnlicher Stel-
lung wiederkehrt" (S. 69). Ich glaube nicht, daß
man in solchen Aufschlüssen eine Bereicherung
erkennen wird.
Leider kann man auch der Stilentwicklung, die
H. von seinem Meister zeichnet, nicht durchaus
zustimmen. Faistenberger interessiert dadurch,
daß er inmitten des allgemeinen Fortganges vom
Barock zum Rokoko mit einem eher leichten Stil
beginnt, später aber unter Aufnahme michelange-
lesker und Rubensscher Einflüsse das barocke
Element seines Stils zu fast manirierter Wucht und
Schwere steigert. Soweit stimmt H. mit meinen
Ergebnissen überein. Er behauptet aber dann, daß
Faistenberger n ach dem Höhepunkte dieses barocken
Manierismus, der in den Jochberger Fresken (1750)
vorliegt, in den Deckenmalereien von St. Ulrich
am Pillersee und besonders jenen im Chor der
Rattenberger Pfarrkirche zur „rokokoken" (!) Art
zurückgelenkt und so erst einen harmonischen Aus-
gleich erreicht habe. Diese Stilwendung steht und
fällt mit dem Zeitansatz der (unsignierten) Ratten-
berger Bilder. Ich habe sie nach den Formen der
Stuckdekoration und dem Stil der Malerei selbst
in die 40er Jahre datiert. H. setzt sie aber in
die letzten Jahre Faistenbergers (1757/58), einmal
weil die Ausmalung des Schiffes der Kirche nicht
mehr von ihm, sondern von Matthäus Günther
herrührt, also „vielleicht durch seinen Tod unter-
blieb", daneben aber — weil Lemmen (1810!) und
Wurzbach (1858!) den Meister 1760 in Rattenberg
sterben lassen, was zwar irrig sei, aber „auf ein
Gerücht zurückgeführt werden könne, dem ein
längerer Aufenthalt in Rattenberg kurz vor seinem
Tode zugrunde liege" Über den letzteren Teil

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