Von allen unseren Provinzen hat Burgund die gotische Kunst am meisten ge-
fördert. Schon durch Cluny hatte Burgund einen starken Einfluß auf die deutsche
Architektur gehabt, und durch Citeaux sollte er noch vergrößert werden. Schon
seit den ersten Jahren des 12. Jahrhunderts entwickelte sich der Orden von Citeaux
mit einer überraschenden Geschwindigkeit, die eins der erstaunlichsten Wunder
des Mittelalters ist. Dieser außerordentlich strenge Orden gewann sich die Seelen
gerade durch seine Strenge. Die Citeauxer Ordensregel hatte etwas Heroisches.
Der immer schweigsame Zisterzienser tat in der Sonnenhitze Feldarbeit, nahm
häufig nur eine Mahlzeit am Tage zu sich, warf sich völlig angekleidet auf sein
Strohlager und erhob sich früh um 2 Uhr, um die ersten Offizien des Tages zu
begehen. Dies war das Leben, das damals tausenden von Menschen als das
Schönste von allen dünkte. Der aus dem Kreuzzuge heimgekehrte Ritter führte in
der weißen Mönchskutte sein rauhes Kriegerleben fort. Nichts trug mehr zu dem
überraschenden Fortschreiten Citeaux' bei, als die ungeheure Berühmtheit Sankt-
Bernhards, des eigentlichen Begründers des Ordens. Seine hochmütige Verachtung
für alles Vergängliche, sein tiefes Innenleben, das sich in flammenden Worten
verriet, seine „Tote erweckende Beredsamkeit", alles an ihm entfachte die Be-
geisterung der Seelen. Er war für das 12. Jahrhundert, was Franz von Assisi dem
spätern Jahrhundert werden sollte: der größte Schöpfer geistiger Kräfte.
In dieser Miliz von Citeaux lag eine gewisse militärische Disziplin. Die Zister-
zienser Äbte besaßen nicht das Recht, ihre Klöster und Kirchen nach eigenem
Gutdünken zu erbauen: sie mußten sich einem Plane fügen. Daher kommt es,
daß die Zisterzienser Abteien in Deutschland Zug für Zug denjenigen in Burgund
ähneln. Der Plan der Zisterzienser Kirchen, wie er in ganzer Reinheit in Fonte-
nay bei Montbard erhalten geblieben ist, ist von überraschender Einfachheit. Die
Kirche mit Schiff und Seitenschiffen ist in lateinischer Kreuzform angelegt: statt in
halbrunder Apsis zu enden, schließt der Chor durch eine grade Mauer ab; auf
jeder Seite des Querschiffes öffnen sich zwei, wie der Chor, viereckige Kapellen.
So waren mit Vorbedacht die einfachsten Formen gewählt. Das Äußere der Kirche
ist so einfach, wie ihr Plan. Sie sind von geringer Höhe und selten macht ein
Turm sie kenntlich. Wenn man ihrer in diesen abgeschlossenen Tälern, wo die
Seele zur Ruhe kommt, ansichtig wird, so erscheint uns ihre Demut, ihre Schwer-
mut wie der Geist von Citeaux selbst. Innerlich sind sie streng, aber ernst und
rein, wie das Christentum. Alles, was nur zum Schmuck dient, ist ausgeschieden,
kein Triforium, keine Empore, keinerlei Malerei, keine Glasfenster, aber feste Ge-
wölbe, eine einwandfreie Bauart, ein überaus starkes Proportionsgefühl.
In Deutschland hat der Zisterzienser-Orden frühzeitig Aufnahme gefunden. Und
gleichzeitig mit der Ordensregel wurden die neuen Klosterpläne übernommen.
Noch vor der Mitte des 12. Jahrhunderts erhoben sich in Deutschland Kirchen und
Klöster, die, wenn auch schüchtern, so doch die burgundischen Modelle nach-
ahmten. Die deutschen Arbeiter waren in der Konstruktion eines Gewölbes noch
so unerfahren, daß mehrere alte Zisterzienser-Kirchen, so Maulbronn, Bebenhausen,
zu Anfang nur holzgezimmerte Dächer auf ihren Schiffen trugen. Erst im Anfang
des 13. Jahrhunderts fand das von den Burgundischen Zisterziensern bereits seit
einem halben Jahrhundert angewandte Spitzbogengewölbe Eingang bei den deut-
schen Zisterziensern. Die Klosterkirche zu Ebrach bei Bamberg zeigt uns mitten
in Deutschland die burgundische Gotik in ganzer Reinheit. Allerdings wurde die
alte Kirche Ende des 18. Jahrhunderts verschönt; sie erhielt Louis Seize-Orna-
mente, welche hier so geschmackvoll wirken, wie eine von Marmontel auf Sankt
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fördert. Schon durch Cluny hatte Burgund einen starken Einfluß auf die deutsche
Architektur gehabt, und durch Citeaux sollte er noch vergrößert werden. Schon
seit den ersten Jahren des 12. Jahrhunderts entwickelte sich der Orden von Citeaux
mit einer überraschenden Geschwindigkeit, die eins der erstaunlichsten Wunder
des Mittelalters ist. Dieser außerordentlich strenge Orden gewann sich die Seelen
gerade durch seine Strenge. Die Citeauxer Ordensregel hatte etwas Heroisches.
Der immer schweigsame Zisterzienser tat in der Sonnenhitze Feldarbeit, nahm
häufig nur eine Mahlzeit am Tage zu sich, warf sich völlig angekleidet auf sein
Strohlager und erhob sich früh um 2 Uhr, um die ersten Offizien des Tages zu
begehen. Dies war das Leben, das damals tausenden von Menschen als das
Schönste von allen dünkte. Der aus dem Kreuzzuge heimgekehrte Ritter führte in
der weißen Mönchskutte sein rauhes Kriegerleben fort. Nichts trug mehr zu dem
überraschenden Fortschreiten Citeaux' bei, als die ungeheure Berühmtheit Sankt-
Bernhards, des eigentlichen Begründers des Ordens. Seine hochmütige Verachtung
für alles Vergängliche, sein tiefes Innenleben, das sich in flammenden Worten
verriet, seine „Tote erweckende Beredsamkeit", alles an ihm entfachte die Be-
geisterung der Seelen. Er war für das 12. Jahrhundert, was Franz von Assisi dem
spätern Jahrhundert werden sollte: der größte Schöpfer geistiger Kräfte.
In dieser Miliz von Citeaux lag eine gewisse militärische Disziplin. Die Zister-
zienser Äbte besaßen nicht das Recht, ihre Klöster und Kirchen nach eigenem
Gutdünken zu erbauen: sie mußten sich einem Plane fügen. Daher kommt es,
daß die Zisterzienser Abteien in Deutschland Zug für Zug denjenigen in Burgund
ähneln. Der Plan der Zisterzienser Kirchen, wie er in ganzer Reinheit in Fonte-
nay bei Montbard erhalten geblieben ist, ist von überraschender Einfachheit. Die
Kirche mit Schiff und Seitenschiffen ist in lateinischer Kreuzform angelegt: statt in
halbrunder Apsis zu enden, schließt der Chor durch eine grade Mauer ab; auf
jeder Seite des Querschiffes öffnen sich zwei, wie der Chor, viereckige Kapellen.
So waren mit Vorbedacht die einfachsten Formen gewählt. Das Äußere der Kirche
ist so einfach, wie ihr Plan. Sie sind von geringer Höhe und selten macht ein
Turm sie kenntlich. Wenn man ihrer in diesen abgeschlossenen Tälern, wo die
Seele zur Ruhe kommt, ansichtig wird, so erscheint uns ihre Demut, ihre Schwer-
mut wie der Geist von Citeaux selbst. Innerlich sind sie streng, aber ernst und
rein, wie das Christentum. Alles, was nur zum Schmuck dient, ist ausgeschieden,
kein Triforium, keine Empore, keinerlei Malerei, keine Glasfenster, aber feste Ge-
wölbe, eine einwandfreie Bauart, ein überaus starkes Proportionsgefühl.
In Deutschland hat der Zisterzienser-Orden frühzeitig Aufnahme gefunden. Und
gleichzeitig mit der Ordensregel wurden die neuen Klosterpläne übernommen.
Noch vor der Mitte des 12. Jahrhunderts erhoben sich in Deutschland Kirchen und
Klöster, die, wenn auch schüchtern, so doch die burgundischen Modelle nach-
ahmten. Die deutschen Arbeiter waren in der Konstruktion eines Gewölbes noch
so unerfahren, daß mehrere alte Zisterzienser-Kirchen, so Maulbronn, Bebenhausen,
zu Anfang nur holzgezimmerte Dächer auf ihren Schiffen trugen. Erst im Anfang
des 13. Jahrhunderts fand das von den Burgundischen Zisterziensern bereits seit
einem halben Jahrhundert angewandte Spitzbogengewölbe Eingang bei den deut-
schen Zisterziensern. Die Klosterkirche zu Ebrach bei Bamberg zeigt uns mitten
in Deutschland die burgundische Gotik in ganzer Reinheit. Allerdings wurde die
alte Kirche Ende des 18. Jahrhunderts verschönt; sie erhielt Louis Seize-Orna-
mente, welche hier so geschmackvoll wirken, wie eine von Marmontel auf Sankt
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