Fabris, kurz die Überzahl anderer Künstler der Bühnendekoration ruhig in bibie-
neskem Stile weiter arbeiteten, im besten Falle eklektizistisch einige Anregungen
aufnahmen und — natürlich unorganisch — ihrem Werke einfügten.
I. DIE STILISTISCHE UMFORMUNG
Servandoni gibt als erster bereits die formale Grundlage des klassizistischen
Bühnenbildes vollständig. Er knüpft in gewissem Sinne an die einfachen sym-
metrischen Bildungen des siebzehnten Jahrhunderts an, italienische (Parigi,
Hieronimo und Girolamo Fontana, die Mauri, Sabbatini) und französische (Berain,
Marot, Lepautre, Israel Sylvestre) Anregungen verwertend und weiterbildend.
Gemeinsam ist ihm und seinen Vorbildern vor allem die Symmetrie des Auf-
baues — im Gegensatz zu den bibienesken Schöpfungen und ein gewisser Ver-
zicht auf die Mittel perspektivischer Steigerung, wie die Verwendung von
Torbogen-Durchblicken, gebrochenen Treppenanlagen in schräger Aufsicht,
Kolonnadenreihen usf. Der Einfluß seines Lehrers Giovanni Paolo Pannini
wirkte dauernd auf Servandoni nach und wurde noch verstärkt durch den Ein-
druck der römischen Altertümer, die er, wie später auch Piranesi, auf das
Genaueste aufmaß und abzeichnete. Für einen Künstler mit derartig aus-
gesprochen klassischen Tendenzen war natürlich Paris der geeignete Ort, zur
Wirkung zu kommen. Gegenüber dem zwischen 1700—1730 in seiner Blüte
stehenden Hochbarock hatte die Reglementierung der Baukunst durch die
Gründung der Bauakademie 1671 einen festen Rückhalt im Sinne des paladiani-
schen Klassizismus geschaffen. Die Verkröpfungen und Asymmetrien Borro-
minis und seiner Nachfolger werden verworfen, als einzig maßgeblich gilt die
Antike und der immer wieder erneuerte Hinweis auf Rom und seine Formen-
welt1). „Die natürliche Schönheit und Anmut der Antike" sollte zurückgewonnen
werden 2), ohne daß sich deswegen die Studien der angehenden Architekten in
archäologische Kleinforschungen verloren. Die theoretischen Werke Claude
Perraults, Davillers und des jüngeren Blondel wirkten ebenfalls stark mit zu einer
immer weitergehenderen Akademisierungder Baukunst. In dieser Umgebung konn-
ten natürlich die antikisierenden Festdekorationen Servandonis gewürdigt werden,
der 1724 Dekorationsdirektor der Oper wurde. Auch seine Kirchenarchitektur
St. Sulpice ist fast nicht als Raumschöpfung, sondern als Theaterdekoration auf-
zufassen, andrerseits können aber auch die meisten seiner Dekorationsentwürfe
ohne technische Schwierigkeiten in reale Bauten übersetzt werden. Die Archetek-
tur des „grand gout", wie seine Werke im Gegensatz zu den Rokokoschöpfungen
benannt wurden, übertrug er ohne weiteres und als erster auf die Bühne und
bewirkte so, daß seine Entwürfe den damaligen Pariser Bauwerken mehr ähnelten
als das, was man sonst in Paris auf der Bühne bewunderte3). Für das Pathos
der damaligen französischen Dichtung boten seine Bühnenbilder natürlich durch-
aus den entsprechenden formalen Rahmen. So fließen denn auch die Be-
sprechungen seiner Dekorationen im „Mercure de France" von Lob über. Von
einer Vorstellung des „Orion" wird rühmend hervorgehoben, daß man, trotz-
dem sie, als eine der wenigen Servandonischen Schöpfungen, ausnahmsweise
in Winkelperspektive aufgebaut war, nirgends zwischen die Kulissen sehen
(!) Vgl. P. Klopfer. Von Palladio bis Schinkel. Eßlingen 1911.
(2) Vgl. F. Blondel. Cours d'Architecture. Paris 1683.
(3) Vgl. C. Gurlitt. Geschichte des Barockstiles. Stuttgart 1886—88.
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neskem Stile weiter arbeiteten, im besten Falle eklektizistisch einige Anregungen
aufnahmen und — natürlich unorganisch — ihrem Werke einfügten.
I. DIE STILISTISCHE UMFORMUNG
Servandoni gibt als erster bereits die formale Grundlage des klassizistischen
Bühnenbildes vollständig. Er knüpft in gewissem Sinne an die einfachen sym-
metrischen Bildungen des siebzehnten Jahrhunderts an, italienische (Parigi,
Hieronimo und Girolamo Fontana, die Mauri, Sabbatini) und französische (Berain,
Marot, Lepautre, Israel Sylvestre) Anregungen verwertend und weiterbildend.
Gemeinsam ist ihm und seinen Vorbildern vor allem die Symmetrie des Auf-
baues — im Gegensatz zu den bibienesken Schöpfungen und ein gewisser Ver-
zicht auf die Mittel perspektivischer Steigerung, wie die Verwendung von
Torbogen-Durchblicken, gebrochenen Treppenanlagen in schräger Aufsicht,
Kolonnadenreihen usf. Der Einfluß seines Lehrers Giovanni Paolo Pannini
wirkte dauernd auf Servandoni nach und wurde noch verstärkt durch den Ein-
druck der römischen Altertümer, die er, wie später auch Piranesi, auf das
Genaueste aufmaß und abzeichnete. Für einen Künstler mit derartig aus-
gesprochen klassischen Tendenzen war natürlich Paris der geeignete Ort, zur
Wirkung zu kommen. Gegenüber dem zwischen 1700—1730 in seiner Blüte
stehenden Hochbarock hatte die Reglementierung der Baukunst durch die
Gründung der Bauakademie 1671 einen festen Rückhalt im Sinne des paladiani-
schen Klassizismus geschaffen. Die Verkröpfungen und Asymmetrien Borro-
minis und seiner Nachfolger werden verworfen, als einzig maßgeblich gilt die
Antike und der immer wieder erneuerte Hinweis auf Rom und seine Formen-
welt1). „Die natürliche Schönheit und Anmut der Antike" sollte zurückgewonnen
werden 2), ohne daß sich deswegen die Studien der angehenden Architekten in
archäologische Kleinforschungen verloren. Die theoretischen Werke Claude
Perraults, Davillers und des jüngeren Blondel wirkten ebenfalls stark mit zu einer
immer weitergehenderen Akademisierungder Baukunst. In dieser Umgebung konn-
ten natürlich die antikisierenden Festdekorationen Servandonis gewürdigt werden,
der 1724 Dekorationsdirektor der Oper wurde. Auch seine Kirchenarchitektur
St. Sulpice ist fast nicht als Raumschöpfung, sondern als Theaterdekoration auf-
zufassen, andrerseits können aber auch die meisten seiner Dekorationsentwürfe
ohne technische Schwierigkeiten in reale Bauten übersetzt werden. Die Archetek-
tur des „grand gout", wie seine Werke im Gegensatz zu den Rokokoschöpfungen
benannt wurden, übertrug er ohne weiteres und als erster auf die Bühne und
bewirkte so, daß seine Entwürfe den damaligen Pariser Bauwerken mehr ähnelten
als das, was man sonst in Paris auf der Bühne bewunderte3). Für das Pathos
der damaligen französischen Dichtung boten seine Bühnenbilder natürlich durch-
aus den entsprechenden formalen Rahmen. So fließen denn auch die Be-
sprechungen seiner Dekorationen im „Mercure de France" von Lob über. Von
einer Vorstellung des „Orion" wird rühmend hervorgehoben, daß man, trotz-
dem sie, als eine der wenigen Servandonischen Schöpfungen, ausnahmsweise
in Winkelperspektive aufgebaut war, nirgends zwischen die Kulissen sehen
(!) Vgl. P. Klopfer. Von Palladio bis Schinkel. Eßlingen 1911.
(2) Vgl. F. Blondel. Cours d'Architecture. Paris 1683.
(3) Vgl. C. Gurlitt. Geschichte des Barockstiles. Stuttgart 1886—88.
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