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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 1.1905

DOI Heft:
Zehntes Heft (Oktober 1903)
DOI Artikel:
Pallmann, Heinrich: [Rezension von: Paul Kristeller, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten]
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Sachs, Curt: [Rezension von: Salomon Reinach, Répertoire de peintures du moyen âge et de la renaissance (1280-1580)]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50013#0243
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Oktober-Heft.

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

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teilt sein können, so tröstete ich mich mit dem
Sprichworte: „Was dem einen seine Nachtigall usw “
Wenn ich noch einen Rückblick auf das
Ganze werfe, so hätte ich statt der vielen un-
nötigen Fremdwörter, wozu ich auch die über-
mässige Anwendung des Wortes „Taille“ gleich
Strich, Schnitt u. s. w. rechne, lieber deutsche
Worte gesehen. Ausdrücke wie z. B. „equili-
brierte Kraft des Künstlers“ (S. 381) „svelte Fi-
guren“ (S. 484), „äquidistant“ (S. 510) gehören nicht
mehr in ein deutsches Buch des 20. Jahrhunderts.
Trotz aller dieser Fehler haben wir doch ein
gutes, brauchbares Buch vor uns. Bei der Fülle
des Gebotenen und bei dem überreichen Stoffe, der
zu bearbeiten war, wird es wohl kaum einem ge-
lingen, nach allen Seiten hin allen Anforderungen
zu entsprechen. Wenn dem Verfasser in einzelnen
Fällen ein nicht allzu genaues Quellenstudium
nachgewiesen werden konnte, so lege ich dies
ihm weniger zur Last, als dem Mangel an ge-
nügenden Vorarbeiten für unsere deutsche Kunst-
forschung. Statt internationale Kunstkongresse
zu veranstalten oder gar in Florenz ein kunst-
historisches Institut zu begründen, das doch haupt-
sächlich der Erforschung italienischer Kunst dient,
sollten sich die deutschen Kunsthistoriker plan-
mässiger der deutschen Kunstgeschichte widmen
Unterstützt könnten diese deutschen Forschungen
werden durch ein Repertorium oder eine „Fund-
grube der deutschen Kunstgeschichte“, worin der
archivalischen Forschung mehr Raum als der stil-
kritischen zu geben ist. Da der Kunsthistoriker,
besonders wenn er an ein Amt gebunden ist, sich
nicht allzusehr mit archivalischen Forschungen,
die bekanntlich viel Zeit und Geduld erfordern,
abgeben kann, so wird er hierin gewiss die Unter-
stützung von Archivaren finden, wie ja bereits
seinerzeit Archivrat Dr. Distel in Dresden jeden
auf die Kunsrgeschichte bezüglichen Fund ver-
öffentlicht hat. Dann tut uns eine umfassende
Bibliographie der deutschen Kunstgeschichte sehr
not, in der jeder alle Hilfsmittel finden kann, die
nicht gerade am Wege liegen. Wie viel unbe-
achteter Stoff liegt z. B. in den zahlreichen
Schriften der deutschen Altertumsvereine vergraben.
Die Anregung, die Dr. E. W. Bredt vor einigen
Jahren auf einem kunsthistorischen Kongress nach
dieser Richtung hin gab, hat leider nicht die ver-
diente Beachtung gefunden. So lange wir nicht
in unserm eigenen Lande Klarheit für unsere
Kunstgeschichte geschaffen haben, überlasse man
die Erforschung der ausländischen Kunstgeschichte
den Angehörigen des betreffenden Landes. Man
nehme sich ein Beispiel an den stammverwandten
Niederländern. Heinr. Palimann.

Salomon Reinach, Repertoire de peintures du
rnoyen äge et de la renaissance (1280—1580).
Tome I contenant 1046 gravures. Paris
1905, Ernest Leroux. In-8°, 710 pag., 10 Fr.
Salomon Reinach, der bekannte Pariser Archäo-
loge, hat uns Kunstwissenschaftlern ein seltsames
Buch beschert, ein Repertorium von Bildern des
Mittelalters und der Renaissance. Er sucht in einer
längeren Vorrede die Existenzberechtigung seines
Buches nachzuweisen. In der Tat, man ist im
ersten Augenblick überrascht, ein scheinbar völlig
anachronistisches Werk vor sich zu haben. Der-
Verfasser stellt über tausend Zinkogravüren zu-
sammen, die in primitiven Umrisszeichnungen
Werke der Malerei reproduzieren, setzt den Namen
des Malers und des Bildes darunter und verweist
auf die einschlägige Literatur, mitunter auch auf
Gegenstände, Repliken u. s. w. Das sieht so ver-
altet aus, dass man dem Verfasser im Scherz ge-
raten hat, 1805 statt 1905 auf die Titelseite zu
setzen. Indessen wird man zugestehen müssen,
dass das Zurückgreifen auf frühere Techniken trotz
ihrer Minderwertigkeit häufig gute Dienste zu
leisten imstande ist, und ich möchte dem Verfasser
glauben, dass es in seinem Falle eine Notwendig-
keit war. Das „Repertoire“ will mit keinem der
grossen Sammelwerke, wie etwa dem Klassischen
Bilderschatz, konkurrieren, es will in keinem Falle
die Photgrap hie ersetzen, sondern lediglich ein orien-
tierendes Handbuch sein, das dem Gelehrten, wie
dem Kunstfreund einen Anhalt für die Erinnerung
an Bekanntes und manchen Hinweis auf Unbe-
kanntes gibt. Wirklich sind in schätzenswerter
Weise gerade die wenig bekannten, zum Teil selbst
völlig unbekannte Bilder reproduziert, namentlich
auch solche, die in sonst unzugänglichen Privat-
sammlungen hängen, und solche, die zur Zeit noch
im Handel sind. Dem angegebenen Zwecke ge-
nügen die einfachen Umrissstiche durchaus, und
schliesslich kann man auch neben dem Klassischen
Bilderschatz Photographien bei eingehenderem Stu-
dium nicht entbehren.
Der Stoff ist ikonographisch gegliedert; die ein-
zelnen Themen werden in zeitlicher Folge anein-
andergereiht: Das Alte Testament vom Sündenfall
bis zur Tobiasgeschichte, dann das Neue von der
Begegnung an der Goldenen Pforte bis zur Him-
melfahrt Christi, Maria in ihren verschiedenen Ver-
ehrungsformen, die Apostelgeschichte und Heiligen-
legenden. Es folgen antike Vorwürfe, Mythologi-
sches und Allegorisches. Den Beschluss machen
Bildnisse. Merkwürdigerweise fehlt aber eins der
allerwichtigsten Motive, das Abendmahl. Hier
hätten unbedingt die Haupttypen gegeben werden
müssen; etwa drei Stücke zur Veranschaulichung
 
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