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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 1.1905

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Zehntes Heft (Oktober 1903)
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Sachs, Curt: [Rezension von: Salomon Reinach, Répertoire de peintures du moyen âge et de la renaissance (1280-1580)]
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Uhde, Wilhelm: [Rezension von: Anton Hirsch, Die bildenden Künstlerinnen der Neuzeit]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50013#0244

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236

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Oktober-Heft.

der inhaltlichen Darstellungsverschiedenheiten des
Stoffes: die Einsetzung des Abendmahls (Baroccio-
Urbino oder Bubens-Brera), die Spendung des
Abendmahls (Fra Angelico S. Marco oder Justus
von Gent Urbino) und die Ankündigung des Ver-
rats (Andrea del Sarto S. Salvi oder Ghirlandajo-
S. Marco); dann weitere drei für die formalen Dar-
stellungsverschiedenheiten: die lange Tafel (Fran-
ciabigio-Calza oder Ghirlandajo-Ognissanti),den kur-
zen Tisch (Gaudenzio Ferrari Mailand oder Tinto-
retto S. Trovaso), kein Tisch (Signorelli - Cortona
oder Marco Ealmezzano Eorli).
In der Auswahl der einzelnen Bilder herrscht
eine beabsichtigte Willkür, die man dem Verfasser
nicht zum Vorwurf machen möchte, da ein Buch,
das nicht aus dem Gesichtspunkt der Wichtigkeit
heraus disponiert, sondern gerade entlegnere Werke
zeigen will, bei der Zusammenstellung auf den Zu-
fall angewiesen sein muss. Es ist mit grosser
Dankbarkeit zu begrüssen, wie hier weniger be-
kannte Bilder aus Privatsammlungen und sogar
aus dem Kunsthandel ans Licht gezogen worden
sind. Warum aber hat der Herausgeber Kopien
ab gebildet, die für die Wissenschaft völlig gleich-
giltig und deren Umrissstiche mit denen der Ori-
ginale gänzlich identisch sind? Was geht uns die
Kopie nach Tizians Pariser Grablegung, die irgend-
wo im Handel aufgetaucht ist, an?
Leider wird aber die Benutzbarkeit des Buches
auch durch manche Ungenauigkeit und viele ver-
altete Angaben stark beeinträchtigt. Beinach kennt
zwar die französische und englische Literatur, ist
aber in der italienischen sehr wenig zu Hause und
weiss von der deutschen überhaupt so gut wie
nichts. Seine Kenntnis beschränkt sich hier auf
den Klassischen Bilderschatz, Spemanns Museum
und hier und da einige Knackfüsse. Mitunter wird
auch die Zeitschrift für bildende Kunst zitiert;
dass bei uns wichtige Monographien über eine Un-
zahl von Künstlern existieren, in denen man sich
über den heutigen Stand der Forschung orientieren
kann, ist dem Verfasser unbekannt. Aber auch
Galeriekataloge, die jünger als 20 Jahr alt sind,
werden geflissentlich vermieden. Ein wenig mag
daran auch Paris schuld sein, das zwar die grösste
Bibliothek der Welt besitzt, aber zu wissenschaft-
lichen Zeitschriften, einheimischen wie fremden,
nur in einem platonischen Verhältnis steht. Einige
Korrekturen mögen hier folgen
S. 20. Mabuses Golwägerin in Berlin ist wohl
kaum eigenhändig. S. 40. Andrea del Sartos Ver-
kündigung von 1512 im Pitti ist nicht datiert. Das
Jahr ergibt sich vielmehr daraus, dass Pontormo,
der nur 1512 in Andreas Werkstatt arbeitete, die
Predelle gemalt hat. S. 44. Ghirlandajos Heim-

suchung im Louvre trägt nicht die Nummer 204,
sondern 1321. S. 68. Nach Woermanns Katalog
ist Corregios „Nacht“ bereits 1640 nach Modena
und erst 1746 nach Dresden gekommen. S. 110.
Die niederländische Madonna mit dem kirschen-
haltenden Kinde ist bereits seit 1884 nicht mehr
in Berlin, sondern (leihweise) im Aachener Suer-
mondt-Museum. Ebenso sind viele andere Bilder,
die Beinach in Berlin glaubt, längst nicht mehr
dort. S. 151. Warum auf der Madonna derBotti-
cellischule Louvre 1300 A eins der beiden Kinder
im Hintergrund den kleinen Johannes darstellen
soll, ist völlig unerfindlich; es handelt sich einfach
um zwei Engel. Das Bild wird übrigens neuer-
dings nicht mehr, wie Beinach angibt, dem Jacopo
del Sellajo zugeschrieben, sondern nach Berensons
Vorschlag dem Baffaellino dei Carli. S. 311. Fra
Angelico, Sa. Conversazione mit 8 Heiligen, Flo-
renz, San Marco. Dei’ Heilige, dessen Namen
Verf. nicht weiss, ist Thomas von Aquino, sein
Nachbar nicht Paulus, sondern Johannes. S. 621.
Tizians „Himmlische und irdische Liebe“ wird jetzt
endlich „Ueberredung zur Liebe“ genannt werden
müssen. S. 661. Pontormos Bildnis in Villa
Borghese stellt den Kardinal Marcello Cervini degli
Spannocchi, den nachmaligen Papst Marcellus II.
(1501-1555), dar.
Wenn es auch dem Beferenten schwer fällt,
so fordert doch die Bücksichtnahme auf die Spann-
kraft des Lesers gebieterisch ein Abbrechen. Dies
kleine Sündenregister, das sich leicht erweitern
liesse, möge den Benutzer des Buches zur Vorsicht
beim Gebrauch mahnen. Das Werk sollte einer
genauen Durchsicht unterzogen werden, es sollten
bei jedem einzelnen Bild die Masse und durch-
gängig, nicht wie jetzt hier und da, Galierienummer,
Herkunft und ev. Datum aufgeführt werden; dann
könnte das „Bepertoire“ das werden, was es sein
will, ein zuverlässiges LNachschlage- und Erinne-
rungsbuch. Curt Sacha
Verschiedenes.
Anton Hirsch. Die bildenden Künstlerinnen
der Neuzeit. Verlag von Ferdinand Enke
in Stuttgart 1905. VII, 232 S. m. 107 Abb. u.
8 Taf. Lex. 8°. M. 9.20.
„Was für eine Figur würde wohl eine gebildete
Dame bei Gelegenheit jener Parlamentsskandale
machen, deren Zeugen wir heutzutage sind?“ fragt
Anton Hirsch und meint, dass die schönen Künste
für die Betätigung der gebildeten Damen ge-
eigneter sind. Das mag wähl- sein; nicht recht
aber hatte er, als er uns in seinem Buche fast eiu
 
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