Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 1.1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.50013#0029
DOI Heft:
Erstes Heft (Januar 1905)
DOI Artikel:Haenel, Erich: [Rezension von: Anton Hirsch, Die Frau in der bildenden Kunst]
DOI Artikel:Haenel, Erich: [Rezension von: H. Billing, Architekturskizzen]
DOI Artikel:Schultz, Alwin: [Rezension von: Robert Müllerheim, Die Wochenstube in der Kunst. Eine kulturhistorische Studie]
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Januar-Heft.
Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.
21
Arbeit aufgefasst werden. Neben die Kapitel also,
die den Wandel des weiblichen Schönheitsideals
schildern, reihen sich solche, in denen die Frau
als Beschützerin der Künste und als Künstlerin
selbst auftritt. Es kann dem Verfasser nach-
gerühmt werden, dass er die kunst- und kultur-
geschichtlichen Quellen im allgemeinen mit Ge-
schmack benutzt. Von einer Kritik der Quellen
indes kann kaum die Bede sein, ebenso wie eine
Vertiefung in die Eigenart der Probleme bei dem
ausserordentlichen Umfang des Stoffes vergeblich
gesucht wird. Zur sachlichen Detailkritik ist
vielfach Anlass gegeben: Mad. Vigee-Lebrun war
nicht Tochter „des bekannten (?) Porträtmalers“ L.,
sondern Gattin des Kunsthändlers L. (S. 464.)
In dem Porträt der Mad. Recamier von David ist
gewiss nicht das Badezimmer der Ort der Dar-
stellung (S. 486). Urteile, wie S. 502 über Bastien-
Lepage und S. 510 über Carolus Durans „mächtiges
Talent“ sind zum mindesten sehr subjektiv. Und
wer Riemerschmid nur „eines der Häupter der
Sezession“ nennt, gibt doch nur ein sehr ein-
seitiges Bild von der Bedeutung dieses Künstlers.
Ueber Rembrandts zweite Ehe (S. 343) dürften be-
sonders nach Neumanns Untersuchungen die An-
sichten heute günstigere sein. Warum wird nicht
jetzt endlich die Zuweisung des Mädchenporträts
in der Gal. Poldi-Pezzoli (S. 140) an Dom. Veneziano
angenommen? Warum sind unter den sechs
deutschen Skulpturen aus dem 19. Jahrhundert
Eberleins süssliches „Mädchen“ und Seffners
schwache „Eva“ abgebildet, warum unter den
wenigen Gemälden aus derselben Periode drei
von dem nui- als Koloristen interessanten Münchner
Karl Hartmann? Ueber Cimabues Stellung in
seiner Zeit urteilt man heute anders als Vasari
und nach ihm der Verfasser (S. 100) es tun. U. s. f.
Man sieht, zu Ausstellungen ist Anlass genug.
Dennoch wird das Buch seinen Platz behaupten,
und zwar infolge der gut ausgewählten ruid vor-
züglich hergestellten Abbildungen. An ihnen kann
auch der seine Freude haben, den der Text als
wissenschaftliche Leistung nicht zu befriedigen
vermag. Erich Haenel.
H. Billing, Architekturskizzen. Stuttgart,
Jul. Hoffmann. 48 Tafeln.
Wir haben gut reproduzierte Federzeichnungen
vor uns, die im Anschluss an Billings Vorträge:
„Die Architektur in der Landschaft und ihr Zu-
sammenhang mit den Schwesterkünsten, der
Malerei und der Skulptur“, von jungen Malern
entworfen worden sind. B. will künftige Maler
und Bildhauer in den Geist der Architektur ein-
führen, um das neu erwachende Stilgefühl zu
stärken und zu erziehen, nicht nur für die deko-
rativen Aufgaben, sondern auch für das selbständige
Werk der Malerei und Plastik im Rahmen der
Architektur. Ein vortrefflicher Standpunkt, dessen
schöpferiche Fähigkeiten die Blätter glänzend
illustrieren. Bei allen Entwürfen, unter denen
Monumentalbauten naturgemäss den Vortritt haben,
erfreut die Einfachheit der Gliederung, der klare
Sinn für gesunde und wirkungsvolle Proportionen,
die Feinheit in der Komposition des Landschafts-
bildes. Anklänge an historische Stile sind nicht
absolut vermieden — manche der grösseren Bauten
tragen einen ausgeprägt orientalischen Charakter —,
und trotzdem ist alles modern empfunden und mit
modernen Mitteln wiedergegeben. Als Beitrag zu
der so aktuellen Frage nach der Erziehung des
Baukünstlers, ja des schaffenden Künstlers über-
haupt, darf die Publikation B.s nicht übersehen
werden. Erich Haenel.
W. Fred: Fragonard, Bd. 33 von Muthers
„Kunst“. Berlin, Bard, Marquardt & Co.
Mit Abbildungen. 66 S. 8°. Kart. 1,25 M.,
geb. 2,50 M.
Verf. beschränkt sich auf eine Darstellung des
Kulturbodens, aus dem heraus Fr.’s Kunst er-
wachsen ist und der sie verständlich macht. Von
Fr’s. Kunst hören wir eigentlich nichts.
Robert Müllerheim, Dr. med., Die Wochen-
stube in der Kunst. Eine kulturhistorische
Studie. Stuttgart, F. Encke, 1904. Mit 138
Abb. XVI, 244 S. 4°. Preis kart. 16 M.
Man kann es nur mit Dankbarkeit begrüssen,
wenn an der Erforschung der älteren Sitten-
geschichte sich auch Geleimte beteiligen, denen
derartige Fachstudien eigentlich fernliegen. Wieder-
holt haben schon Aerzte sehr dankenswerte Bei-
träge zur Kulturgeschichte geliefert; die vorliegende
Arbeit aber verdient die Beachtung um so mehr,
weil der Verfasser den gelungenen Versuch macht,
die erhaltenen Kunstdenkmäler für die Sitten-
geschichte zu verwerten, somit die Wichtigkeit
der beiden so nahe verwandten Studienarten mit-
einander wiederum zu erweisen. Die Abbildungen
sind es, die uns in diesem Werke ganz besonders
interessieren. Sie sind gut ausgewählt, vorzüglich
reproduziert, zum Teil noch gar nicht, jedenfalls
nicht so gut veröffentlicht. Einige Ergänzungen
werden wohl noch nötig sein; so scheint das frühe
Mittelalter ziemlich vernachlässigt, und doch dürften
sich in den Miniaturen und Bilderillustrationen
des Mittelalters noch manche interessante Ab-
bildungen vorfinden.
Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.
21
Arbeit aufgefasst werden. Neben die Kapitel also,
die den Wandel des weiblichen Schönheitsideals
schildern, reihen sich solche, in denen die Frau
als Beschützerin der Künste und als Künstlerin
selbst auftritt. Es kann dem Verfasser nach-
gerühmt werden, dass er die kunst- und kultur-
geschichtlichen Quellen im allgemeinen mit Ge-
schmack benutzt. Von einer Kritik der Quellen
indes kann kaum die Bede sein, ebenso wie eine
Vertiefung in die Eigenart der Probleme bei dem
ausserordentlichen Umfang des Stoffes vergeblich
gesucht wird. Zur sachlichen Detailkritik ist
vielfach Anlass gegeben: Mad. Vigee-Lebrun war
nicht Tochter „des bekannten (?) Porträtmalers“ L.,
sondern Gattin des Kunsthändlers L. (S. 464.)
In dem Porträt der Mad. Recamier von David ist
gewiss nicht das Badezimmer der Ort der Dar-
stellung (S. 486). Urteile, wie S. 502 über Bastien-
Lepage und S. 510 über Carolus Durans „mächtiges
Talent“ sind zum mindesten sehr subjektiv. Und
wer Riemerschmid nur „eines der Häupter der
Sezession“ nennt, gibt doch nur ein sehr ein-
seitiges Bild von der Bedeutung dieses Künstlers.
Ueber Rembrandts zweite Ehe (S. 343) dürften be-
sonders nach Neumanns Untersuchungen die An-
sichten heute günstigere sein. Warum wird nicht
jetzt endlich die Zuweisung des Mädchenporträts
in der Gal. Poldi-Pezzoli (S. 140) an Dom. Veneziano
angenommen? Warum sind unter den sechs
deutschen Skulpturen aus dem 19. Jahrhundert
Eberleins süssliches „Mädchen“ und Seffners
schwache „Eva“ abgebildet, warum unter den
wenigen Gemälden aus derselben Periode drei
von dem nui- als Koloristen interessanten Münchner
Karl Hartmann? Ueber Cimabues Stellung in
seiner Zeit urteilt man heute anders als Vasari
und nach ihm der Verfasser (S. 100) es tun. U. s. f.
Man sieht, zu Ausstellungen ist Anlass genug.
Dennoch wird das Buch seinen Platz behaupten,
und zwar infolge der gut ausgewählten ruid vor-
züglich hergestellten Abbildungen. An ihnen kann
auch der seine Freude haben, den der Text als
wissenschaftliche Leistung nicht zu befriedigen
vermag. Erich Haenel.
H. Billing, Architekturskizzen. Stuttgart,
Jul. Hoffmann. 48 Tafeln.
Wir haben gut reproduzierte Federzeichnungen
vor uns, die im Anschluss an Billings Vorträge:
„Die Architektur in der Landschaft und ihr Zu-
sammenhang mit den Schwesterkünsten, der
Malerei und der Skulptur“, von jungen Malern
entworfen worden sind. B. will künftige Maler
und Bildhauer in den Geist der Architektur ein-
führen, um das neu erwachende Stilgefühl zu
stärken und zu erziehen, nicht nur für die deko-
rativen Aufgaben, sondern auch für das selbständige
Werk der Malerei und Plastik im Rahmen der
Architektur. Ein vortrefflicher Standpunkt, dessen
schöpferiche Fähigkeiten die Blätter glänzend
illustrieren. Bei allen Entwürfen, unter denen
Monumentalbauten naturgemäss den Vortritt haben,
erfreut die Einfachheit der Gliederung, der klare
Sinn für gesunde und wirkungsvolle Proportionen,
die Feinheit in der Komposition des Landschafts-
bildes. Anklänge an historische Stile sind nicht
absolut vermieden — manche der grösseren Bauten
tragen einen ausgeprägt orientalischen Charakter —,
und trotzdem ist alles modern empfunden und mit
modernen Mitteln wiedergegeben. Als Beitrag zu
der so aktuellen Frage nach der Erziehung des
Baukünstlers, ja des schaffenden Künstlers über-
haupt, darf die Publikation B.s nicht übersehen
werden. Erich Haenel.
W. Fred: Fragonard, Bd. 33 von Muthers
„Kunst“. Berlin, Bard, Marquardt & Co.
Mit Abbildungen. 66 S. 8°. Kart. 1,25 M.,
geb. 2,50 M.
Verf. beschränkt sich auf eine Darstellung des
Kulturbodens, aus dem heraus Fr.’s Kunst er-
wachsen ist und der sie verständlich macht. Von
Fr’s. Kunst hören wir eigentlich nichts.
Robert Müllerheim, Dr. med., Die Wochen-
stube in der Kunst. Eine kulturhistorische
Studie. Stuttgart, F. Encke, 1904. Mit 138
Abb. XVI, 244 S. 4°. Preis kart. 16 M.
Man kann es nur mit Dankbarkeit begrüssen,
wenn an der Erforschung der älteren Sitten-
geschichte sich auch Geleimte beteiligen, denen
derartige Fachstudien eigentlich fernliegen. Wieder-
holt haben schon Aerzte sehr dankenswerte Bei-
träge zur Kulturgeschichte geliefert; die vorliegende
Arbeit aber verdient die Beachtung um so mehr,
weil der Verfasser den gelungenen Versuch macht,
die erhaltenen Kunstdenkmäler für die Sitten-
geschichte zu verwerten, somit die Wichtigkeit
der beiden so nahe verwandten Studienarten mit-
einander wiederum zu erweisen. Die Abbildungen
sind es, die uns in diesem Werke ganz besonders
interessieren. Sie sind gut ausgewählt, vorzüglich
reproduziert, zum Teil noch gar nicht, jedenfalls
nicht so gut veröffentlicht. Einige Ergänzungen
werden wohl noch nötig sein; so scheint das frühe
Mittelalter ziemlich vernachlässigt, und doch dürften
sich in den Miniaturen und Bilderillustrationen
des Mittelalters noch manche interessante Ab-
bildungen vorfinden.