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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 1.1905

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Neuntes Heft (September 1905)
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Rosenberg, Marc: [Rezension von: Anton C. Kisa, Die Hansa-Schüsseln des XII. und XIII. Jahrh.]
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Eggeling, Otto: [Rezension von: Rainer Maria Rilke, Worpswede, Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Fritz Overbeck, Hans am Ende, Heinrich Vogeler]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50013#0206

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198

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur. September-Heft.

Anton C. Kisa, Die Hansa-Schüsseln des
XII. und XIII. Jahrh. Mit neun Abbildungen.
Düsseldorf, Druck von L. Schwann. 1905.
56 SS. 8°. S.-A. aus der Zeitschrift für Chr.
Kunst 1905.
Kisa bespricht hier im Zusammenhang jene
Serie von gravierten Metall-Schüsseln, von welchen
das bekannteste Exemplar sich in der Victorskirche
zn Xanten befindet. Verwandte Stücke zusammen-
stellend, ergibt sich eine Reihe von etwa 100 Stück,
deren Ausgangspunkt in jenen Schüsseln erkannt
wird, deren Mittel-Medaillon mit einer weiblichen
Figur, die zwei Brote in den Händen hält, graviert
ist und die am Rande Tugend- und Laster-Be-
zeichnungen tragen.
In der Komposition weist Kisa auf die Patene
des Heiligen Bernward hin, aber es wäre vielleicht
richtiger, auf das Offertorium in Halberstadt zu
exemplifizieren, weil dadurch der Hinweis auf ein
byzantinisches Modell gesichert wäre.
Die Provenienz dieser Schüsseln kann Kisa
nicht bestimmen, aber’ er schreibt ihre Verbreitung
den Handelbeziehungen der Hansa zu und wählt
daher die Bezeichnung Hansa-Schüsseln.
Heber den Gebrauch urteilt Kisa mit voller
Sachkenntnis in den sehr lesenswerten letzten
Seiten. Sie waren bestimmt, um die vom Priester
gesegneten Brote aufzunehmen, um so im eignen
Gebrauch verwendet oder verschenkt zu werden.
Eine Bestätigung dieser Ansicht ist noch in
dem Umstande zu suchen, dass diese Schüsseln
keine späteren Nachfolger haben. Man hört auf,
sie zu machen, sobald in der abendländischen
Kirche in der Hauptsache das Segnen der Brote
unterbleibt.
M. Rosenberg-
Rainer Maria Rilke, Worpswede: Fritz
Mackensen, Otto Modersohn, Fritz Overbeck,
Hans am Ende, Heinrich Vogeler. Velhagen
und Klasing, Bielefeld u. Leipzig. Künst-
ler-Monographien von H. Knackfuss. 1905.
Lex. 8°. Preis Mk. 4,—.
Bereits 1905 ist die zweite Auflage des 1903
zuerst erschienenen „Worpswede“ von Rilke not-
wendig geworden. Der Autor hat den hundert-
zweiundzwanzig Abbildungen in der ersten Auflage
vierundzwanzig neue hinzugefügt, darunter eine
farbige. Die beiden Photographien von Mackensen
und am Ende sind durch ansprechendere ersetzt.
Der Text ist unverändert beibehalten und wir
freuen uns dessen; denn diese Arbeit Rilkes ist
eine vorzügliche. Nur am Schlüsse des Aufsatzes
Overbeck ist ein Satz fortgelassen, leider; denn die
persönliche Teilnahme des Schriftstellers für die

Landschaft seiner Künstler fand in den jetzt fort-
gelassenen Worten sympathischen Ausdruck.
Rilke brachte eine Reihe ausgezeichneter
Eigenschaften mit, als er daran ging, „Worpswede“
zu studieren. Ihm eignet eindringendes philoso-
phisches Denken, das doch seine Sätze mit leichter
Anmut darbietet. Er besitzt eine bedeutende Be-
lesenheit in kunsthistorischen Werken, die ihn be-
fähigt, durch schlagende Worte früherer Maler
und Aesthetiker die Weise des zu beschreibenden
Künstlers klar zu stellen, und ist hinlänglich be-
wandert in den Gedanken unserer Literatur, um
das Neue, das er bringt, dem Alten anzufügen, das
in uns allen lebt. Eine tiefe Teilnahme für das
Ringen und Siegen der jungen Meister erfüllt den
Biographen, und so werden seine blinkenden und
schnell fortgleitenden Worte von einer Wärme ge-
tragen, die uns für die Schönheit der Sprache noch
empfindlicher macht.
Es ist leichter, sehr verschiedene Personen
neben einander zu charakterisieren, als sehr ähn-
liche. Es war Shakespeare nicht schwer, seine
köstlichen Gebilde Falstaff und Prinz Heinz aus
einander zu halten; aber dass seine Römer, dass
seine Edelleute von Verona so klar ein jeder sich
von den andern absetzen, darin bewundern wir
die feine Kunst des grossen Menschenmalers. Die
Worpsweder sind alle jung, alle für- die Kunst be-
geistert und beanlagt, leben in derselben Land-
schaft und wählen dieselben Vorwürfe, und dennoch,
wie klar unterscheiden sie sich in Rilkes Worten,
ein jeder aus besonderen Verhältnissen hervor-
gegangen, ein jeder auf derselben Moorebene be-
sondere Gestalten erblickend! Wenn wir, wie einst
in Dresden, einen Saal voll herrlicher Worpsweder
vor uns erschlossen sehen, wir- sind leicht versucht,
diese Männer einander ähnlich zu finden. Haben
wir aber Rilkes Seiten gelesen, so werden wir in
Jedem der fünf ein Neues finden und werden das
Gebotene leichter geniessen. Der tiefe, das Wesent-
liche erforschende Künstlerblick Mackensens, die
träumende geistererweckende Dichterkraft Moder-
sohns, in der Jugend mit den Stoffen genährt, von
denen Storm und Rabe und Jensen mit Vorliebe
erzählen, die auf das Wirkliche gerichtete, schwere
norddeutsche Kraft Overbecks, das empfindliche
Talent am Endes, durch mannigfaltig bewegtes
Jugendleben angeregt, aufgeschlossen, sich an das
Schwingen der Töne und Gestalten wie an Ton-
wellen hinzugeben, all das wird uns ebenso deut-
lich vorgeführt, wie die zusammengehaltene Kraft
Vogelers, der die weite Welt sah und doch für
die reiche und kapriziöse Welt seines Innern die
Ausdrucksformen in dem stillen Garten des Moor-
dorfes fand.
 
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