Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur (1.1905)

268 Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur. Nov./Dez.-Heft.

dem Reiche der bildenden Kunst befassen. „Das
religiöse Bild für Kind und Haus“ ist deshalb für
uns besonders interessant, weil es die Stellung der
katholischen Kirche zur bildenden Kunst klar und
deutlich umgrenzt. Zum Schluss wendet sich K.
gegen die süsslichen französischen Bilder, mit
denen jetzt Deutschland überschwemmt wird.
„Gedanken über Raffaels Cacilia“ beschäftigen sich
am meisten mit dem Inhalt dieses Bildes. K. wider-
spricht den Deutungen von Crowe und Cavalcaselle,
der Franciosis und endlich auch der Karl Justis,
die er im übrigen lobt. Ob seine eigene Erklärung-
überzeugender ist, lassen wir dahingestellt, im all-
gemeinen wird das dem Beschauer genügen, was er auf
den ersten Blick sieht, dass nämlich die dargestellten
fünf Heiligen mit einer je nach ihrem Temperament
deutlich differenzierten Inbrunst der himmlischen
Musik lauschen. Der folgende Aufsatz „der Ge-
mäldefund von Burgfelden in Württemberg“ hält
sich ziemlich eng an die bekannte Weber’sche
Publikation.
Am umfangreichsten ist die der venezianischen
Kunst gewidmete Abhandlung „Bilder aus Venedig“,
die auf die Geschichte Venedigs, auf San Marco,
den Dogenpalast, das Architekturbild der Stadt,
die venezianischen Maler insbesondere Giovanni
Bellini und endlich auf das Venedig benachbarte
Torcello des näheren eingehen. Von einem ge
bildeten, belesenen und von warmer Liebe für
seinen Stoff erfüllten Manne geschrieben bringen
diese Ausführungen zwar nichts neues, aber sie
bilden eine hübsche Einführung in die Geschichte
und die Kunst der Lagunenstadt.

Ein gründlicher und durch sein fruchtbares
Thema fesselnder Aufsatz ist der folgende: „Deutsch-
lands Riesentürme“. Die gothischen Türme von
Ereiburg, Köln, Strassburg, Wien und Ulm werden
einzeln und neben einander genau betrachtet.
In „Michelangelos Jüngstes Gericht“ analysiert K.
das Alterswerk des Meisters und kommt ohne seine
grandiosen Eigenschaften zu übersehen zu Ein-
wendungen, die nicht nur sein Standpunkt als
katholischer Geistlicher gerechtfertigt erscheinen
lässt. Wenn er dann aber gewissermassen als
Entschuldigung Michelangelos seine Leidenschaft
für die Anatomie anführt, so ist das doch etwas
äusserlich.
Auf die übrigen Aufsätze wie „Christliche und
moderne Kunst“ und „die Rottenburger Dombau-
frage“, zwei Gelegenheitsreden, wollen wir nicht des
näheren eingehen. Nur das wollen wir noch be-
tonen, dass das Buch dem Kunsthistoriker zwar
nichts Neues bringt, — wir befinden uns mit dieser
Ansicht wahrscheinlich mit der des Verfassers im
Wider Spruch, — aber doch gelesen zu werden ver-
dient, weil es in warmer und fast immer geschmack-
voller Weise sich mit wichtigen Werken der neu-
eren Kunst befasst. Es wird daher dem grösseren
Publikum, dass sich für die bildende Kunst inter-
essiert, eine willkommene Gabe sein; gerade aus
diesem Grunde wären einige antisemitische Ent-
gleisungen bei einem Katholiken, der sonst in
vorurteilsfreier Weise Luther und Goethe zitiert,
besser fortgeblieben.
Ernst Jaffe
e.

BIBLIOGRAPHIE



Deutsche Kunst.
Aufsätze:
Kunstfreund 10. Die Melancholie und der heilige
Hieronymus von Albrecht Dürer (G. A. Weber).
Dekorative Kunst 2. F. H. Ehmke und Clara Möller-
Coburg (N. Niemeyer).
Kunst und Handwerk 12. Leonhard Romeis f (L. G.).
Deutsche Kunst und Dekoration 2. Artur Volkmann-
Rom (W. v. Seidlitz).
Kunst für Alle 4. Toni Stadler (F. v. Ostini).
— 2. Deutsche Kunst in Amerika (Schluss).
(H. Reisinger.)

Zeitschrift für christliche Kunst 8. Das Rationale
zu Paderborn (B. Kleinschmidt). — Vom Dom
zu Bamberg (A. Schnütgen).
Rheinlande 10. Zum Fall Böcklin (M. Diez). —
Seidler-Vasen (H. E. Kromer). — Bodo Ebhardt
als Restaurator (W. Schäfer).
Die Rhcinlande 11. Robert Haugs Wandbilder im
Stuttgarter Rathaus (G. Keyssner).
Gazette des Beaux ■ Arts 580. Franz von Lenbach
(A. Marguillier).
Diözesanarchiv von Schwaben 12. Zu den Kunst-
beziehungen zwischen Schwaben und der Schweiz
(Beck).