Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 1.1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.50013#0141
DOI Heft:
Sechstes Heft (Juni 1905)
DOI Artikel:Schottmüller, Frida: [Rezension von: Fritz Burger, Geschichte des florentinischen Grabmals von den ältesten Zeiten bis Michelangelo]
DOI Artikel:Popp, Hermann: [Rezension von: Arthur Bell, Tintoretto]
DOI Artikel:Koch, Ferdinand: [Rezension von: Walter Gensel, Velazquez]
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Juni-Heft.
Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.
133
redlich mit diesen Problemen herumgeschlagen hat,
das verleiht dem Buch eine Bedeutung trotz der
nicht fortzuleugnenden Schwächen.
Neues, Gutes findet sich besonders in den
Kapiteln, die die einzelnen Kunstwerke interpre-
tieren. Freilich sind auch hier Irrtümer nicht ver-
mieden. Der Helm, der unter der Bahre Meleagers
(Relief am Grabmal Francesco Sassettis in
Sta. Trinitä) liegt — genau dem antiken Vorbild
entsprechend —, wird als Totenkopf gedeutet; ob-
wohl die zehn Seiten lange Beschreibung der
Sassetti-Gräber doch ein gründliches Studium vor-
aussetzt. — (Ich bin a. a. 0. der Dekoration dieser
Gräber nach ihrem gedanklichen Inhalt hin nicht
gerecht geworden, heut im Prinzip aber zur An-
sicht Warburgs und Burgers gekommen.)
Eine Verlegenheit sind für den Kritiker die
zusammenfassenden Kapitel (speziell das XI.,
S. 286—313). Ich kann B.’s ästhetischen Ausein-
andersetzungen hier nur zum kleinen Teile folgen.
Die Unterscheidung von monumentaler und deko-
rativer Baukunst und Kunstgewerbe als drei Aus-
drucksformen der bildenden Kunst, die verschiede-
nen Gesetzen unterstehen, ist so, wie B. sie formu-
liert, nicht zu unterschreiben; denn die daraus ab-
geleiteten Prinzipien sind im besten Fall auf
Frührenaissance, nicht gut jedoch auf andere Stile
— z. B. Antike oder Barock — anzuwenden. Eine
Widerlegung dieser Dinge im Einzelnen hiesse ein
neues Buch schreiben; zudem erscheint sie mir
zwecklos, denn das von B. herangezogene Material
(Fassaden, Kanzeln, Ciborien) reicht nicht aus, um
auf ihm und dem florentinischen Grabmal eine
Geschichte der florentinischen Renaissance-Deko-
ration aufzubauen.
Frida Schottmüller
Arthur Bell, Tintoretto. — Newnes’ Art
Library. London, G. Newnes. 8°, 64 Abb.,
Preis 3/6 Sh.
Auf Seite XXIII des von Arthur Bell ver-
fassten Textes lesen wir: „The Uffizia Gallery
owns Tintoretto’s lost Portrait of himself, a noble
work . . . taking high rank amongst the portraits
of great masters from their own Hand.“ Mit keiner
Silbe ist hier des einzigen authentischen Portraits
im Louvre Erwähnung getan, dessen Züge von
denen des Florentiner Bildes doch in auffallendster
Weise ab weichen. Auf der folgenden Seite wird
der „hl. Marzilian mit Petrus und Paulus“ in
San Marziale in Venedig als „the last picture painted
by Tintoretto“ bezeichnet, eine Behauptung, die
auf Seite XXXII der „List of the principal works
of Jacopo Robusti“ nochmals bekräftigt ist. Dieses
Bild fällt jedoch in die Periode, in welcher Jacopo
mit besonderer Vorliebe jene hellgelben, leuchten-
den Glorienscheine in seinen Heiligenbildern an-
brachte, also in das Ende der 70 er oder in den
Anfang der 80 er Jahre. Wahrscheinlich entstand
es nicht allzulange nach der vermutlich im Jahre
1577 gemalten „Versuchung des hl. Antonius“ in
San Trovaso in Venedig. Tintoretto starb jedoch
erst 1594, als er gerade mit der später von Domenico
vollendeten „Anbetung der hl. drei Könige“ und
der „Zurückweisung des Opfers Joachims“ beschäf-
tigt war. Seite XXXVIII erfahren wir, dass die
„Fusswaschung“ im Escurial eine „Replica of the
same subject in San Marcuola in Venice“ ist. Die
als Seitenstück zum „Abendmahl“ für die Chorwände
von San Marcuola bestimmte „Fusswaschung“ kam
aber schon in der ersten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts in den Besitz Karl I. von England und
wurde dann durch A. de Cadenas für Spanien
erworben und im Escurial aufgestellt, wo sie
sich noch heute befindet. An Stelle des Orginals
hängt in San Marcuola eine alte Kopie. So un-
zuverlässig, wie sich der Text durch diese Proben
erweist, so mangelhaft ist auch die „Liste der
wichtigsten Werke Tintoretto’s“, unter denen z. B.
die Werkstattbilder, wie der „Parnass“, „Christus
und die Ehebrecherin“, in Dresden (Katalog-
Nr. 27QA u. 271) als Originalarbeiten figurieren.
Für die „Susanna“ (gleichfalls in Dresden Nr. 273)
wird Domenico Robusti herangezogen, obschon es
hierfür keinerlei Anhaltspunkte gibt. Dass der
„hl. Hieronymus“ in der Wiener Galerie schon
seit Jahren von Mündler, neuerdings auch von
Wickhoff für Palma Giovine in Anspruch genom-
men ist, wird einfach ignoriert. Diesem Text
sind 64 Abbildungen in üblicher- Autotypie bei-
gegeben. Eigentümlicherweise fehlt das Selbst-
portrait Tintoretto’s im Louvre, wie denn auch
äusser den Bildern in Venedig nur äusserst wenig-
veranschaulicht ist. Hermann Popp
Spanische Kunst.
Walter Gensei, Velazquez. Klassiker der
Kunst in Gesamtausgaben. VI. Band. Des
Meisters Gemälde in 146 Abbildungen. Mit
einer biographischen Einleitung. Stutt-
gart und Leipzig 1905, deutsche Verlags-
anstalt. 160 S. 4°. Preis 6,— M.
Der eben erschienene 6. Band der Klassiker der
Kunst in Gesamtausgaben bringt uns, wie bereits
vorangezeigt, den grossen Spanier Velazquez. Was
äussere Ausstattung, Abbildungsmaterial und Text
anbetrifft, reiht £ich das Werk würdig den Vor-
Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.
133
redlich mit diesen Problemen herumgeschlagen hat,
das verleiht dem Buch eine Bedeutung trotz der
nicht fortzuleugnenden Schwächen.
Neues, Gutes findet sich besonders in den
Kapiteln, die die einzelnen Kunstwerke interpre-
tieren. Freilich sind auch hier Irrtümer nicht ver-
mieden. Der Helm, der unter der Bahre Meleagers
(Relief am Grabmal Francesco Sassettis in
Sta. Trinitä) liegt — genau dem antiken Vorbild
entsprechend —, wird als Totenkopf gedeutet; ob-
wohl die zehn Seiten lange Beschreibung der
Sassetti-Gräber doch ein gründliches Studium vor-
aussetzt. — (Ich bin a. a. 0. der Dekoration dieser
Gräber nach ihrem gedanklichen Inhalt hin nicht
gerecht geworden, heut im Prinzip aber zur An-
sicht Warburgs und Burgers gekommen.)
Eine Verlegenheit sind für den Kritiker die
zusammenfassenden Kapitel (speziell das XI.,
S. 286—313). Ich kann B.’s ästhetischen Ausein-
andersetzungen hier nur zum kleinen Teile folgen.
Die Unterscheidung von monumentaler und deko-
rativer Baukunst und Kunstgewerbe als drei Aus-
drucksformen der bildenden Kunst, die verschiede-
nen Gesetzen unterstehen, ist so, wie B. sie formu-
liert, nicht zu unterschreiben; denn die daraus ab-
geleiteten Prinzipien sind im besten Fall auf
Frührenaissance, nicht gut jedoch auf andere Stile
— z. B. Antike oder Barock — anzuwenden. Eine
Widerlegung dieser Dinge im Einzelnen hiesse ein
neues Buch schreiben; zudem erscheint sie mir
zwecklos, denn das von B. herangezogene Material
(Fassaden, Kanzeln, Ciborien) reicht nicht aus, um
auf ihm und dem florentinischen Grabmal eine
Geschichte der florentinischen Renaissance-Deko-
ration aufzubauen.
Frida Schottmüller
Arthur Bell, Tintoretto. — Newnes’ Art
Library. London, G. Newnes. 8°, 64 Abb.,
Preis 3/6 Sh.
Auf Seite XXIII des von Arthur Bell ver-
fassten Textes lesen wir: „The Uffizia Gallery
owns Tintoretto’s lost Portrait of himself, a noble
work . . . taking high rank amongst the portraits
of great masters from their own Hand.“ Mit keiner
Silbe ist hier des einzigen authentischen Portraits
im Louvre Erwähnung getan, dessen Züge von
denen des Florentiner Bildes doch in auffallendster
Weise ab weichen. Auf der folgenden Seite wird
der „hl. Marzilian mit Petrus und Paulus“ in
San Marziale in Venedig als „the last picture painted
by Tintoretto“ bezeichnet, eine Behauptung, die
auf Seite XXXII der „List of the principal works
of Jacopo Robusti“ nochmals bekräftigt ist. Dieses
Bild fällt jedoch in die Periode, in welcher Jacopo
mit besonderer Vorliebe jene hellgelben, leuchten-
den Glorienscheine in seinen Heiligenbildern an-
brachte, also in das Ende der 70 er oder in den
Anfang der 80 er Jahre. Wahrscheinlich entstand
es nicht allzulange nach der vermutlich im Jahre
1577 gemalten „Versuchung des hl. Antonius“ in
San Trovaso in Venedig. Tintoretto starb jedoch
erst 1594, als er gerade mit der später von Domenico
vollendeten „Anbetung der hl. drei Könige“ und
der „Zurückweisung des Opfers Joachims“ beschäf-
tigt war. Seite XXXVIII erfahren wir, dass die
„Fusswaschung“ im Escurial eine „Replica of the
same subject in San Marcuola in Venice“ ist. Die
als Seitenstück zum „Abendmahl“ für die Chorwände
von San Marcuola bestimmte „Fusswaschung“ kam
aber schon in der ersten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts in den Besitz Karl I. von England und
wurde dann durch A. de Cadenas für Spanien
erworben und im Escurial aufgestellt, wo sie
sich noch heute befindet. An Stelle des Orginals
hängt in San Marcuola eine alte Kopie. So un-
zuverlässig, wie sich der Text durch diese Proben
erweist, so mangelhaft ist auch die „Liste der
wichtigsten Werke Tintoretto’s“, unter denen z. B.
die Werkstattbilder, wie der „Parnass“, „Christus
und die Ehebrecherin“, in Dresden (Katalog-
Nr. 27QA u. 271) als Originalarbeiten figurieren.
Für die „Susanna“ (gleichfalls in Dresden Nr. 273)
wird Domenico Robusti herangezogen, obschon es
hierfür keinerlei Anhaltspunkte gibt. Dass der
„hl. Hieronymus“ in der Wiener Galerie schon
seit Jahren von Mündler, neuerdings auch von
Wickhoff für Palma Giovine in Anspruch genom-
men ist, wird einfach ignoriert. Diesem Text
sind 64 Abbildungen in üblicher- Autotypie bei-
gegeben. Eigentümlicherweise fehlt das Selbst-
portrait Tintoretto’s im Louvre, wie denn auch
äusser den Bildern in Venedig nur äusserst wenig-
veranschaulicht ist. Hermann Popp
Spanische Kunst.
Walter Gensei, Velazquez. Klassiker der
Kunst in Gesamtausgaben. VI. Band. Des
Meisters Gemälde in 146 Abbildungen. Mit
einer biographischen Einleitung. Stutt-
gart und Leipzig 1905, deutsche Verlags-
anstalt. 160 S. 4°. Preis 6,— M.
Der eben erschienene 6. Band der Klassiker der
Kunst in Gesamtausgaben bringt uns, wie bereits
vorangezeigt, den grossen Spanier Velazquez. Was
äussere Ausstattung, Abbildungsmaterial und Text
anbetrifft, reiht £ich das Werk würdig den Vor-