Monolog vor den Trümmern einer Wand
Als ich die mit Fresken bemalten Mauern zum letzten Mal sah,
hatten Rauch und Phosphordämpfe meine Augen geblendet. In
einem Feuerschleier verbrannte Hab und Gut. Die Wände zer-
fielen, die ich mit einer Legende bemalt hatte, in der auf orphische
Weise Deutung und Wirklichkeit vereint waren. Die Glut ver-
schlang eine Figur nach der anderen. Blattwerk und Früchte,
Wälder und Berge, Himmel und Erde glühten auf und wurden
Asche und Staub.
Das Feuer verbrannte das Gerüst, auf dem ich gestern noch stand
und arbeitete. Es vernichtete die Palette, die Pinsel, die Farben
und alles Werkzeug. Die Hitze zerriß den Mörtel. Qualm färbte
alles schwarz. Nur die Brandmauer hielt stand und mit ihr ein
Bruchstück jener gemalten Szene: Das südliche Mädchen, der
Kore verwandt - ich denke zurück an den Tag, an dem sie ent-
stand —, ertrug den glühenden Hauch jener Nacht. Hoch über den
Trümmern der Stadt war sie verzaubert festgebannt. Ihr zu
Füßen spielte ein Knabe mit schimmernden Früchten. Eine Ex-
plosion erschütterte das Mauerwerk bis in die letzten Fugen und
begrub - alles.
Mein Herz schlug glockenschwer.
Jenen dunklen Klang will ich zum Schweigen bringen. Ich will
ihn übertönen mit Worten, obwohl mir alle Worte wie Asche
schmecken. Doch im Wort kann ich das Verlorene heraufholen
aus dem Abgrund der Erinnerung.
Drei Bildstücke sind das einzige, das erhalten blieb von den
Malereien jener Wand. Die Freske mit dem schimmernden Glanz
war der Anlaß zum Auftrag für die Ausmalung jenes Raumes.
Insofern und im Thema und in der Malweise gehört sie dazu.
Die beiden anderen Fresken sind die ersten Versuche, die ich auf
der Mauer machte. An einem Tag war das Mädchen im Profil
entstanden und am anderen Tag der geradeausblickende Frauen-
kopf. Diese beiden Versuchsstücke malte ich, um mich im Techni-
schen zu üben und um die Eigenarten des Mauerwerkes kennenzu-
lernen. Ich löste sie von der Mauer ab. Sie hätten sich jedoch auch
in das Bildganze einordnen lassen, denn ich war vom Geist der
Arbeit schon ergriffen, als ich mit diesen Untersuchungen begann.
112
Als ich die mit Fresken bemalten Mauern zum letzten Mal sah,
hatten Rauch und Phosphordämpfe meine Augen geblendet. In
einem Feuerschleier verbrannte Hab und Gut. Die Wände zer-
fielen, die ich mit einer Legende bemalt hatte, in der auf orphische
Weise Deutung und Wirklichkeit vereint waren. Die Glut ver-
schlang eine Figur nach der anderen. Blattwerk und Früchte,
Wälder und Berge, Himmel und Erde glühten auf und wurden
Asche und Staub.
Das Feuer verbrannte das Gerüst, auf dem ich gestern noch stand
und arbeitete. Es vernichtete die Palette, die Pinsel, die Farben
und alles Werkzeug. Die Hitze zerriß den Mörtel. Qualm färbte
alles schwarz. Nur die Brandmauer hielt stand und mit ihr ein
Bruchstück jener gemalten Szene: Das südliche Mädchen, der
Kore verwandt - ich denke zurück an den Tag, an dem sie ent-
stand —, ertrug den glühenden Hauch jener Nacht. Hoch über den
Trümmern der Stadt war sie verzaubert festgebannt. Ihr zu
Füßen spielte ein Knabe mit schimmernden Früchten. Eine Ex-
plosion erschütterte das Mauerwerk bis in die letzten Fugen und
begrub - alles.
Mein Herz schlug glockenschwer.
Jenen dunklen Klang will ich zum Schweigen bringen. Ich will
ihn übertönen mit Worten, obwohl mir alle Worte wie Asche
schmecken. Doch im Wort kann ich das Verlorene heraufholen
aus dem Abgrund der Erinnerung.
Drei Bildstücke sind das einzige, das erhalten blieb von den
Malereien jener Wand. Die Freske mit dem schimmernden Glanz
war der Anlaß zum Auftrag für die Ausmalung jenes Raumes.
Insofern und im Thema und in der Malweise gehört sie dazu.
Die beiden anderen Fresken sind die ersten Versuche, die ich auf
der Mauer machte. An einem Tag war das Mädchen im Profil
entstanden und am anderen Tag der geradeausblickende Frauen-
kopf. Diese beiden Versuchsstücke malte ich, um mich im Techni-
schen zu üben und um die Eigenarten des Mauerwerkes kennenzu-
lernen. Ich löste sie von der Mauer ab. Sie hätten sich jedoch auch
in das Bildganze einordnen lassen, denn ich war vom Geist der
Arbeit schon ergriffen, als ich mit diesen Untersuchungen begann.
112