Sie noch einmal.« Schwitters kam wieder. Grosz öffnete die Tür
und sagte: »Er ist noch nicht zurück. Klingeln Sie noch einmal.«
Schwitters kam zum dritten Male, aber dann nicht mehr. Diese
Szene machte ihn lächerlich — gewiß! Aber bald danach erschien
in vielen Zeitungen seine »Anna Blume«, und mit ihr kam sein
großer Erfolg. Er gehörte seitdem zu den Dadaisten, aber Huel-
senbeck hat heute noch etwas an »Anna Blume« auszusetzen.
Schwitters war ein Dada und doch ein realistischer Mensch. Er
besuchte in Weimar unsere Ateliers im Bauhaus. Ich malte ein
Bild, und ein anderes stand neben der Staffelei, ein kleines
Format. Schwitters war des Lobes voll und steigerte seine Be-
wunderung, bis er sagte, er möchte mit mir tauschen, er möchte
dieses Bild besitzen. Obwohl mir solche Gedanken ganz fern
lagen, weil ich weiß, daß Malergeschenke untereinander selten
ein gutes Ende nehmen, sagte ich schließlich zu, und er gab mir
seine Mappe mit MERZ-Grafik und Lithos. Beim Abschied nahm
er mein Bild unter den Arm.
Als ich ein Vierteljahr später in Berlin die Galerie Nierendorf
besuchte, sah ich, daß dieses Bild an der Wand hing. Ich fragte
Nierendorf, auf welche Weise er es bekommen habe. Er antwor-
tete: »Das hat Schwitters mir gebracht. Er möchte es verkaufen.
Er hat den Eindruck, daß Sie günstig im Geschäft liegen, und er
glaubt, daß er auf diese Weise schneller zu Geld kommt, als wenn
er wartet, bis seine Mappen verkauft sind.«
Als der Krieg zu Ende war, dachte ich oft an den Augenblick,
an dem ich zum ersten Male einem Freund aus dem »Jenseits der
Grenzen« begegnen würde. Eines Abends wurde ich von einem
Bekannten eingeladen. Bei ihm traf ich einen englischen Sol-
daten. Von ihm hörte ich Namen von Freunden, die das Land
verlassen hatten. Von diesem festen Punkt der Erinnerung aus
tasteten im Gespräch meine Gedanken weitere Kreise ab, und
so kam es, daß jener Soldat mir folgende Geschichte erzählte:
»Ich war in Norwegen, und die Deutschen hatten mit ihrer über-
raschenden Landung begonnen. Alle, die fliehen wollten, sammel-
ten sich in den Fjorden. Dort warteten Schiffe der Alliierten. Es
wurde Alarm gegeben. Wir suchten Schutz unter den Felsen. Mir
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und sagte: »Er ist noch nicht zurück. Klingeln Sie noch einmal.«
Schwitters kam zum dritten Male, aber dann nicht mehr. Diese
Szene machte ihn lächerlich — gewiß! Aber bald danach erschien
in vielen Zeitungen seine »Anna Blume«, und mit ihr kam sein
großer Erfolg. Er gehörte seitdem zu den Dadaisten, aber Huel-
senbeck hat heute noch etwas an »Anna Blume« auszusetzen.
Schwitters war ein Dada und doch ein realistischer Mensch. Er
besuchte in Weimar unsere Ateliers im Bauhaus. Ich malte ein
Bild, und ein anderes stand neben der Staffelei, ein kleines
Format. Schwitters war des Lobes voll und steigerte seine Be-
wunderung, bis er sagte, er möchte mit mir tauschen, er möchte
dieses Bild besitzen. Obwohl mir solche Gedanken ganz fern
lagen, weil ich weiß, daß Malergeschenke untereinander selten
ein gutes Ende nehmen, sagte ich schließlich zu, und er gab mir
seine Mappe mit MERZ-Grafik und Lithos. Beim Abschied nahm
er mein Bild unter den Arm.
Als ich ein Vierteljahr später in Berlin die Galerie Nierendorf
besuchte, sah ich, daß dieses Bild an der Wand hing. Ich fragte
Nierendorf, auf welche Weise er es bekommen habe. Er antwor-
tete: »Das hat Schwitters mir gebracht. Er möchte es verkaufen.
Er hat den Eindruck, daß Sie günstig im Geschäft liegen, und er
glaubt, daß er auf diese Weise schneller zu Geld kommt, als wenn
er wartet, bis seine Mappen verkauft sind.«
Als der Krieg zu Ende war, dachte ich oft an den Augenblick,
an dem ich zum ersten Male einem Freund aus dem »Jenseits der
Grenzen« begegnen würde. Eines Abends wurde ich von einem
Bekannten eingeladen. Bei ihm traf ich einen englischen Sol-
daten. Von ihm hörte ich Namen von Freunden, die das Land
verlassen hatten. Von diesem festen Punkt der Erinnerung aus
tasteten im Gespräch meine Gedanken weitere Kreise ab, und
so kam es, daß jener Soldat mir folgende Geschichte erzählte:
»Ich war in Norwegen, und die Deutschen hatten mit ihrer über-
raschenden Landung begonnen. Alle, die fliehen wollten, sammel-
ten sich in den Fjorden. Dort warteten Schiffe der Alliierten. Es
wurde Alarm gegeben. Wir suchten Schutz unter den Felsen. Mir
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