Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Müller, Hinrich
Die Brückenbaukunde in ihrem ganzen Umfange: ein Handbuch für Ingenieure und Baumeister (Band 1): Die Hülfswissenschaften zur Brückenbaukunde — Leipzig, 1860

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.24549#0300
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
280

Zehntes Capitel.

§. 76. Die Rolle.

Unter einer Rolle verstcht man eine kreisrunde an ihrer Peripherie auS-
gehöhlte Schcibe von nur geringer Dicke, die sich um einen in ihrer Mitte
bcfindlichcn Zapfen dreht. Die Achse der Scheibe umgiebt man mit einer Scheere,
die zn beiden Seitcn herabgeht und die Achse tragt.

Wird nun diese Scheere so angehängt, daß fie der Achse eine feste Unter-
lage giebt und die Scheibe stch nur um dieselbe drehen kann, so heißt die
Rolle cine feste Rolle und das Seil wird daher oberhalb um dieselbe geschlagen.

Wird dagegen an der Scheere die Laft angchängt und das eine Ende des
um dic Scheibe geschlageneu Seiles oberhalb befestigt, daö andere Ende aber
in die Höhe gezogen, so daß die Scheibe sammt dcr Last ebenfalls in die Höhe
gezogen wird, so nennt man dieselbe cine lose (bewegliche) Rolle.

An einer festen Rolle ist im Zustande des Gleichgewichts die Kraft der
Last gleich, oder ? ^ 0. Dies findet auch Statt, weuu die Kraft ? nach
borizontalcr oder nach jeder beliebigen Richtung an der Peripherie der Scheibe
zieht.

Wenngleich auch bei eincr festeu Rolle keine Verschiedenheit der Hebel-
arme stattfindet nnd also dic Kraft immer der Last gleich sein muß, so gewährt
fie dennoch schr bedeutende Vortheile. Mau kann einmal die feste Rolle dazu
anwenden, die Richtung eiuer Krast, je uachdem es die Umstände erfordern,
zu verändern, ohne dadurch die Kraft zu vermindern. Ferner kann man mit
derselben Lasten auf jcde beliebige Höhe heben, was man aber mit einem ein-
sachen Hebel nicht zu thun im Stande ist.

Dci einer losen Nolle dagegen verhält sich die Kraft zur Last, wie der
Halbmesser der Schcibe zu der Sehue des Bogens, welchen das Seil umspaunt.
Bezeichuet man nun deu Halbmesser dcr Scheibe mit r uud die Sehne deS
vom Seile umspanuten Bogens mit s, so hat mau

? : 0 — r : s.

Umgiebt daher das Seil die halbe Peripherie, oder umspannt eS die halbe
Scheibe, waS gewöhnlich der Fall ist, so wird s —2r und man crhält dann

?:0^r:2r^1 :2,

woraus sich ? — -^- ergiebt. Wenn demnach die vom Seile umspannte Sehue

in den Durchmesser übergeht, also die Nichtungen der beiden Seile parallel
find, so ist die Krast der halben Last gleich. Es ist daher bei der loseu Rolle
nicht so wie bei der festen gleichgültig, welche Richtung man dem Seile giebt,
woran die Kraft wirkt; denn ist die Richtung der beiden Seile nicht parallel,
so wird auch s kleiner nnd es ift dann, um die Last zu heben, eine größere
Kraft nöthig, als wenn die Schne 8 —2r ist.

Befinden sich zwei oder mehrere Rollen in cinem Gehäuse oder Kloben,
so heißt man eine solche Zusammensetzung eine Flasche oder auch einen zwei-,
drei- oder mebrscheibigen Block. Werden aber zwei Flaschcn mittelst cines
SeileS dergestalt verbunden, daß das Seil abwechselnd von eiuer festen Rolle
 
Annotationen