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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 16.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.25836#0136
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Wie kommt man da zu den Schlüsseln? — „Der Schlüssel, womit
die Kerkerthore Polens allein geöfsnet werden können, liegt in Vene-
dig"— sagt Mazzini in seinem nenesten Ausrnf an die gesammtenropäische
Revolution. Andere hingegen rufen zuerst nach Polen und erklären: der
Schlüssel zum venetiauischen Festungsviereck liege in Warschau! —
Jetzt haben wir den Teusel!

Der Vorstand des „deutschen Handwerkerbundes" in Ham-
burg, der bckanntlich sür ^den alten Zunftzwang agitirt, hat Herrn v.
Bismark zu seinem völkerbeglückenden Geburrstag eine Gratulationsadresse
geschickt! Es kommcn doch merkwürdige Dinge vor, jenseits der Main-
linie! Bei uns im Süden gibt es auch Lente, welchcn die Gewerbefrei-
heit verhaßt ist, aber Herrn v Bismark wünschen sie deßhalb kein Glück
zum Geburtstag!

Garibaldi, der nun wirklich Anssicht haben soll, seinen EUerungs-
prozeß zu gewinnen, hat znr Abwechslung wieder einmal einen Auf-
ruf erlassen, und zwar an die ungarische Jugend; dieselbe soll sosort nach
Polen marschiren, er werde bald nachkommen. Dcr nnr allzu berühmte
General schcint also zu denen zu gehören, dic den venetianischen Schlüssel
an der Weichsel suchen.

„Politisch Lied, ein garstig Lied" heißt es im Fanst und die Zeit,
wo die politischen Demonstrationen sich in's Theater flüchten, kann immer
als eine kranke bezeichnet werden. Es ist eine traurige Satisfaktion,
wenn das Pnblikum seincm Widersprnch gegen bestehende Zustände da-
durch Luft macht, daß es irgend welchen Stellen in einem Lust- oder
Trauerspiel einen speciell zutreffenden Sinn unterlegt nnd dazu in die
Hände klatscht „Spottet seiner selbst nnd weiß nicht wie!" sagt Mephi-
stopheles. Daß dabei der Kunst kein Gefallen geschieht, versteht sich von
selbst. Jn diesem S^adium befinden sich gegenwärtig die Berliner, die
bei ihrer Sucht nach „Pikantem" Gefahr lanfen, den Sinn für die schöne
Einfachheit und das Harmlose des wahren Hnmors gänzlich zu verlieren.
Daß wir in München noch ungleich besser daran sind, bcweist die sym-
pathische Ausnahme, welche Herman Schmid's romantisches Lustspiel:
„Theuerdank" dahier gefunden hat. Kaiser Marimilians Liebesaben-
teuer mit allen dem Stoss angemessenen Ausschmückungen und Zuthaten
sand ei)i Publikum, das der theatralische „Fortschritt" noch nicht um
seine Empfänglichkeit und naive Lanne bctrogen hat.

Die Nachzügler des Winters sind nm diese Zeit, wo die Bännie
grün werden nnd die Sänger der Lüfte ihre Gratisproduktionen gebe»,
keine willkommcnen Gäste. Eine Ausnahme davon dürfte das Corzcert
machen, welches Bärmann und Sohn diese Woche veranstalten und
das zu den klassischen Musikgenüssen der abgelaufencn Saison einen wür-
digen Epilog bildet.

Druck der vr. Wild'schen Buchdruckerei (Parcus).
 
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