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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 18.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.25834#0398
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Kleine Frühstücksplaudereien.

Die anmuthige CabiuetshaHe tritt uuu iu eiu ueues Stadium.
Der Volksbote brachte die „Enthülluug", Herr Richard Waguer habe
zrm Fordennig seiuer „Kunsttendeuzen" neuerdiugs 40,000 fl. begehrt
uud die Opposition, aus welche dieses Postulat bei dcu Verwalteru dcr
Civilliste stieß, habe die „ideale Nuhe" des erstereu so erschüttert, dast
er durch seille Freuude- das gäuze Cabiuet als eiu iucoustitutiouelles
Justitut augreifeil liest und im Naulen des „bayrischen Volkes" desscu
sofortige Abschaffuug verlaugte. Dic Combiuatiou des Volksboteu tvurde
amüsaut gefundell, doch mochte mau ihr uicht unbediugt beipflichteu.
Der cabiuetsfeiudliche Schmerzeusschrei ließ sich ja auch aus dcr Noth-
weudigkeit erkläreu, das heilige Feuer der Aufreguug incht ausgeheu zil
lasseu uild füilf Wocheu vor Neujahr liegt eiu Seusatiousartikel iiu
Juteresse eines jedeu Blattes. Ninl erscheiut aber iu deu „Neuesteu
Nachrichteu" vou dem nächsteu Freuude Wagucrs eiu Artikel, au desseu
Schluß die Eutferuuug von zwei oder drei Persoueu als das
eiuzige Mittel hiugestellt wird, uiu der ganzcu Beuuruhiauug eiu Eude
zu macheu. Herr vou Psistermeister wird deu Nitter, der gegeu ihu
aureuut, wohl schou gekaunt habeu; derselbe hak uliu aber auch vor
dem Publikum das Visir abgeuommen: e§ ist Herr Nichard Wag-
uer! Als zur Zeit der Tausendguldeu-Krisis seiue Verabschieduug so
voreilig ausposauut wurde, schrieb Jemaud au die Allgemeiue Zeituug:
„Zwischeu deu König uud seiu Volk soll sich kein Zukuuftsmusiker drän-
geu." Heute sagt der Zukuuftsmusiker: „Zwischeu mich uud deu Köuig
soll sich keiu Cabiuet dräugen!" Was bei diesem Gedräuge herauskomml,
kauu geduldig abgewartet werdeu. Fremdartig aber kliugt für das
loyale Ohr eines wohlerzogeuen Bayern der Tou, iu welchem die Per-
sou des Monarcheu citirt wird. „Der Köuig" thut dieß, „der Köuig"
wird jeues thuu , „Wagner uud der Köuig" , gleichsam zwei coordiuirte
Größeu, siud die Einzigeu, die sich verstehen u. s. w. Es liegt etwas
Gemüthkiches in diesem Styl uud weuu die „Freuudschaft" zu dcm ge-
nialeu Componisteu dazu dieuen sollte, der oft so abgeschmackteu Etikette
eiueu Stoß zu versetzeu, so köunte sich letzterer eiues Verdieustes rüh-
meu. Aber wir sürchten, daß dieser Diktiou weniger die Gemüthlichkeit
thatsächlicher Verhältuisse, als vielmehr die Frechheit eiuzelner Judi-
vidueu zu Grunde liegt. Mag mau Hofkreiseu uoch so ferue steheu,
uoch so liberal seiu, so wird mau doch siudeu, daß es starker Toback ist,
weun geschrieben steht: die Vertrauteu des Köuigs sind „zur Zeit der
Gegeustaud eiuer allgemeiueu vera chtungsvolleu Entrüstuug", oder:
die „zwei oder drei Persoueu", welche Herr Waguer eutfernt wünscht
geuießeu „uicht im miudesteu die Achtuug des bayrischeu Volkes". —
Der Nürub. Auz. sagt: Wir habeu eiu Zerrbild von Preßfreiheit. Hat
er etwa Recht? ° _
 
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