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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 23.1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.21529#0116
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I1V

Kieine FrnhstncksplLudereicn.

Dein alten Fatum, daß in München kein größeres politisches Blatt
aus eigenen Mitteln zu existiren vermag, ist nun endlich anch die Landes-
zeitung zum Opfer gefallen. Jhr letzter Feuilletonartikel war eine Ab-
handlung über — die Ernährung der Neugebornen in Paris. Dem folgte
auf dem Fnße ein Beweis von Nichternährung fchon länger Ge-
borner in München! Mit der Landeszeitung erlischt die letzte Nachkomnwn-
schaft jenes Zeitungsgeschlechtcs, das mit der „Münchener politischen"
seinen Ansang nahm.

Jn Berlin harrt man noch immer in größter Spannung der Auf-
führung — nicht Badens, Württembergs oder Bayerns, sondern —
der Meistersinger.

Faule Electricität! Die Frankfurter Zeitung beklagt sich, daß
das Wagner'sche Telegraphenbureau keine Depeschen über die bayrischen
Militärdebatten brachte. Das Wolf'sche Burcau in Berlin meldete aus
Bukarest die Bewilligung des Kricgsbudgcts, vcrgaß aber den Zusatz:
„Untcr Abstrich von 12 Millionen."

Die Pläne für das neue Opernhaus in Dresden werden Herrn
Semper mit 1000 Thalern honorirt. Vcrglcichsweise billig gegen die
40,000 sl., die dcrselbe Herr fnr das Modell zu einem neuen Münchener
Kunsttempel vcrlangte! Von Bayern scheint Niemand genug fordern zu
können.

Aus allen Städten der preußischen Monarchie kommen Nachrichten
über theatralische Festvorstellungen zu Ehren von „Königs Gebnrtstag",
Anch in Berlin wurde viel prologisirt, aus den Straßen aber von den
Bummlern Pferde schen gemacht, Damcn die Hnte, beziehungsweise
Käppchen abgerissen und schwächere Mannsleute in die Rinnsteine ge-
worfen. Zn wenig Schulunterricht, ultramontane Einstüsse, Mangel an
liberalen Schulräthen, das scheinen so die Hauptursachen der Berliner
Rohheit zn sein.

Der Besitzer dcs berühmten Wilhelmi'schen Kellers in Wiesbaden,
welcher sür die Suezfeierlichkeiten Weine lieferte, ist vom Vicekönig von
Aegypten zum Ho s - W e i nl ief e ran te n ernannt worden. Da möchte
sich ja Mahomet in Mekka umkehren! Jndeß — wir sind deßhalb doch
gute Moslemin.
 
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