Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst — 7.1912

Zitierlink:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/muenchner_jahrbuch_bildenden_kunst1912/0127
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Sitzungen der Kunstwissenschaftlichen Gesellschaft in München 1911—12.

77

Herr Sieveking spricht über die bisherigen
Rekonstruktionsversuche von Myrons Gruppe,
Marsyas und Athena, nämlich seinen eigenen und
die von Klein, Bulle, P. J. Meier. Er hält sie
alle für nicht geglückt und schlägt deshalb eine
neue vor; er gibt nämlich der Göttin zwei Flöten
in die Hand, die sie vom Munde gerissen und
eben wegwerfen will, während der Silen heran-
schleichend diesen Moment zu erhaschen sucht,
um sie wegzunehmen. (Die Ergänzung ist seit-
dem im Münchener Gipsmuseum ausgeführt wor-
den.)
Sitzung am 5. Februar 1912.
Herr Wolters legt das von Studniczka zum
Winckelmannstage 1911 ausgegebene fliegende
Blatt vor, das die Büste des Niccolo da Uzano
für ein Renaissanceporträt Ciceros nach einer
antiken Münze anspricht.
Freiherr v. Bissing zeigt ein von ihm im
Kunsthandel in Ägypten erworbenes Ebenholz-
figürchen eines Skeletts oder eigentlich einer
ausgewickelten Mumie, das in einem hölzernen
Obelisken als Amulett aufbewahrt war. Es gibt
uns die erste richtige Vorstellung von dem Aus-
sehen der Toten, die nach dem Bericht Hero-
dots in hölzernen Kästen bei den Gelagen der
Ägypter herumgereicht wurden. Es ist die älteste
Darstellung eines „Skeletts" überhaupt und be-
stätigt die Ansicht derer, die die hellenistischen
Skelettbecher usf. an ägyptische Bräuche an-
knüpfen.
Ferner legt der Vortragende Jequier, Decoration
egyptienne vor und knüpft daran Bemerkungen
über die Entwicklung der ägyptischen Decken-
ornamentik: sie geht aus von dem Schema einer
Holzdecke mit starkem beschriftetem Mittelbal-
ken; die Riegel sind mit Matten bespannt. Zu
einer einheitlichen Bemalung gelangt der Ägyp-
ter im Gegensatz zu den mykenischen Decken
nie: er strebt im Gegenteil nach Buntheit und
Mannigfaltigkeit der Muster.
Herr Buchheit legt den Plan des Schlosses
Karlsberg bei Homburg i. d. Pf. vor, der sich in
der graphischen Sammlung des Nationalmuseums
befindet. Das Schloß wurde seit 1770 von Herzog
Karl v. Zweibrücken durch den Hofarchitekten
v. Männlich um 14 Millionen erbaut. 1785 voll-
endet, wurde das neue „Weltwunder" von den
Franzosen 1793 niedergebrannt. Von dem kolos-
salen Bau wissen wir wenig. Die zwei bisher
bekannten Abbildungen werden von diesem Plan
bedeutend an Genauigkeit übertroffen.
Herr Jacobs berichtet über neue römische Skulp-

turenfunde in Kellmünz a. d. Iller, die sich schon
teilweise im Nationalmuseum befinden oder noch
dahin kommen sollen. In 2—3 m Tiefe wurden
in den noch stehenden Grundmauern Marmor-
bruchstücke aus älterer Zeit gefunden, nämlich
eine männliche Gewandstatue aus vermutlich
kleinasiatischem Marmor, aus dem 2. Jahrhundert
n. Chr., eine weibliche sitzende Gewandstatue
mit einem Hündchen auf dem Schoß, der Unter-
körper einer weiblichen stehenden Gewandstatue,
die das Beste der Funde darstellt, das Fußstück
einer weiteren weiblichen Gewandstatue aus Mu-
schelkalk mit Resten weißen Farbüberzugs, eine
Ara, ein großer Löwe mit einem Widderkopf in
den Pranken aus Kalkstein und einige Säulen-
reste, die wahrscheinlich zu einem Tempel ge-
hörten. Die Statuen, an denen leider kein Kopf
erhalten ist, gehören vermutlich zu Grabmälern.
Ihr Stil verrät gute handwerkliche Tradition, der
weibliche Unterkörper ist sogar von vortreff-
licher künstlerischer Qualität.
Herr Kehrer spricht über seine Forschungen
betreffs der Wandmalereien in der Forchheimer
Kaiserpfalz im 14. Jahrhundert. Sie wurde 1246
von Heinrich von Raspe teilweise zerstört. Leo-
pold III. Fürstbischof von Bamberg, der sie besaß,
stellte sie wieder her, auch sein Nachfolger Lam-
pert von Brunn, der Kanzler Wenzels, scheint
an ihr gebaut zu haben. 1831 fand Graf Seins-
heim die Wandmalereien, die unter König Lud-
wig I. unerfreulich übermalt wurden und erst
jetzt wieder von Fried. Pfleiderer in München
besser hergestellt wurden. Sie gehören zu den
bedeutendsten Wandmalereien Süddeutschlands
im 14. Jahrhundert und weisen auf den Ursprung
der Bamberger und Nürnberger Kunst hin. Denn
Lampert von Brunn war mit Karl IV. und Wenzel
in ganz Europa und dann in Prag, wo die Quelle
auch dieser Kunst sich befand. Durch ein Wap-
pen an der Pfalz wird die Bautätigkeit Lamperts
von Brunn an ihr nachgewiesen. In der Schloß-
kapelle befindet sich ein Prophetenzyklus aus
der Mitte des 14. Jahrhunderts. Weiterhin ein
Fresko mit einem „rex David", der die Gestalt
König Wenzels hat, davon rechts und links Dro-
lerien, von denen die eine den böhmischen
Löwen darstellt, ferner einen Elefanten, einen
Schnabelkönig auf einem Kamel und einen
schwebenden Troubadour. Sie weisen auf die
Liebesabenteuer und die Laster König Wenzels
hin. Der Meister dieses Freskos dürfte um 1390
zur Zeit Lamberts gearbeitet haben. Von einem
jüngeren Meister sind noch in der Kapelle und
 
Annotationen