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Max Goering,

Marmor die Ruine eines prächtigen Sahles, an den hohe, mit Marmor gepflasterte und mit solchen
Kaminen versehene Seitenzimmer stoßen. Die Decke des Saales zeigt noch 13 Fabelgemälde von
Bocksberger. Diese waren einst die fürstlichen Gartenzimmer, aus denen eine Treppe an den Weiher
hinabführte. Jetzt herrscht hier die stille Einsamkeit abgeschiedener Glorie, bis das Ganze dem
neuen Casernbaue einverleibt seyn wird."
1810 berichtet Lipowsky'°) in seinem Artikel über Johann Bocksberger den Jüngeren von dessen
Malereien, die in einem Gebäude gewesen wären, das „am rechten Flügel der nun dort neu erbauten
Kaserne" stand.
In der späteren Literatur werden bis auf unsere Tage die „dreizehn Gemälde" stets als untergegangene
Werke für Hans Bocksberger den Jüngeren oder, wo diese falsche Zusammenziehung der zwei Meister
zu einem vorgenommen ist, für „Johann-Melchior" Bocksberger in Anspruch genommen51). Früher
heißt es entweder nur einfach „vom Bocksberger" oder es wird von Melchior Bocksberger gesprochen.
Vor allem wird in den älteren Schriften des 17. Jahrhunderts immer nur „Melchior" Bocksherger
als Mitarbeiter an der Ausschmückung der Residenz und ihrer Bauten genannt; so in Wilhelm Kalm-
bachs ausführlicher Aufzählung aller Künstler, die für den Hof gearbeitet haben52).
Man darf also ruhig annehmen, daß jene Deckenmalereien von Melchior Bocksberger
stammten. Nur eine Erwähnung schreibt sie dem Christoph Schwarz zu, freilich ohne
Berechtigung. Die Stelle ist mir nicht bekannt geworden. L. Zottmann hat sie, leider
ohne Quellenangabe, zitiert13).
Aus allen Erwähnungen geht hervor, daß die Gemälde beim Abbruch des Lusthauses
untergegangen sind. Dagegen haben sich aber Beschreibungen der Bilder erhalten.
Westenrieder sagt, es seien „Götterfabeln" gewesen. Die meisten späteren Schriftsteller wiederholen
seine Angabe. 0. Döring gibt an, es waren dreizehn Deckenfresken. Sie zeigen Bilder antiker Götter,
in der Mitte Jupiter auf dem Adler, darunter rings herum die römischen Kaiser".
Die ausführliche Beschreibung gibt die Stelle, welche Zottmann zitiert. Es heißt dort:
Christoph Schwarz „malt .die Oberdecke .des Saals des nicht mehr bestehenden kurfürst-
lichen großen Hofgartengebäudes in 13 Abteilungen: in den drei mittleren Stücken:
Jupiter — Sturz des Phaeton — Venus und Cupido im Schwanenwagen,
Saal, neben welchen einige hohe, mit Marmor belegte... Nebenzimmer angebracht sind. Die mar-
mornen Eingänge, die Gesimse, die Decken, alles zeugt von ehemaliger Schönheit. An der Decke des
Saals sind noch 13 Gemählde (Götterfabeln) vom Bocksberger. Man hat von diesem Saal eine sehr
schöne Aussicht nach dem Hofgarten, und nordwärts weit hin über Felder und kleine Wäldchen..."
5°) Lipowsky, Baierisches Künstlerlexikon, Bd. I, München 1810, p. 30—31.
") Vgl. u. a. Nagler, Künstler-Lexikon, Bd. 2, 1835, p. 522; Nouvelle-Biographie universelle, Paris
1853, vol. 6, Obermaier a. a. 0.; Seidel, die Kgl. Residenz in München (Textbd.), Gesch. d. Res. von
Haeutle, Leipzig 1883; Max Gg. Zimmermann a. a. 0.; Doering im Thieme-Becker, IV, a. a. 0.;
Stockbauer, Die Kunstbestrebungen am bayerischen Hof unter Herzog Albrecht V. und seinem Nach-
folger Wilhelm V., Quellenschr. z. Kunstgesch...., Wien 1874, p. 6.
52) Wilhelm Kalmbach, Triumphierendes Wundergebäu der herrlichen Residenz zu München, Mün-
chen 1705. Zweite Verdeutschung von Marchese Ranoccio Pallavicino, I trionfi dell'architettura della
sontuosa residenza di Monaco, Monaco 1667. Andere Ausgabe 1680. Erste Übersetzung: R. Pallavicini,
Triumphierendes Wundergebäu..., verdeutscht von Johan Schmidt, J. V. C. München 1685. Auch
hier ist stets nur Melchior Bocksberger genannt. Obwohl bei all diesen Residenzbeschreibungen der
Saalbau am Ende des Hofgartens fortgelassen wurde, dürfen wir dennoch die Erwähnung Melchior
Bocksbergers auf die dortigen Deckenbilder beziehen, da er nur im Verzeichnis der Künstler genannt
wird, die an der Dekoration der „Neuweste" mitarbeiteten, ohne daß ein bestimmtes Werk auf ihn
bezogen wird. Dasselbe gilt auch für v. Rittershausen, die vornehmsten Merkwürdigkeiten der Residenz-
stadt München. München 1788.
") L. Zottmann, Die Gemälde in der St. Michaelskirche, Münchener Jahrbuch V, 1910, p. 75, Anm. 1.
Statt „Erychton" muß es „Erysichton" heißen.
 
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