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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 13
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Berger, Emil: Ueber den Einfluss von Anomalien und Erkrankungen des Sehorganes auf die Maltechnik [1]
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Täuber, E.: Kann künstliches Alizarin den Krappfarbstoff der Malerei ersetzen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.36597#0067
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Nr. 13.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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kommenes und mit so zahlreichen Fehlern ver-
sehenes Instrument, wie das menschliche Auge es
ist, zurücksenden. Ausser den Anomalien des diop-
trischen Apparates des menschlichen Auges können
auch noch Anomalien oder Erkrankungen des perzi-
pierenden Apparates (Netzhaut) oder des die Licht-
emphndung zum Gehirn leitenden Apparates (Seh-
nerv) die Ursache von Anomalien der Gesichtswahr-
nehmungen, insbesondere des Farbensinnes, werden.
Unter den Anomalien der Strahlenbrechung im
menschlichen Auge sind die Weitsichtigkeit (Hyper-
métropie) und Kurzsichtigkeit (Myopie) am meisten
verbreitet und bekannt. Bei der Hypermétropie kom-
men von entfernten Gegenständen ausgehende Licht-
strahlen hinter der Netzhaut, bei der Myopie vor der
Netzhaut zur Vereinigung. Bei ersterer können nur
mit Zuhilfenahme der Akkommodation (welche eine
stärkere Krümmung der Halbmesser der mensch-
lichen Linse zur Folge hat), bei letzterer nur mit-
tels konkaver vor das Auge gesetzter Linsen ferne
Gegenstände deutlich gesehen werden. Kurzsichtige
sehen ferne Gegenstände undeutlich (in Zerstreuungs-
kreisen), sehen jedoch nahe Objekte ungemein deut-
lich. Bekannt ist, dass Kurzsichtige als Miniatur-
maler, Graveure u. dergl. m. die feinsten Details
ausarbeiten, jedoch als Landschaftsmaler (wenn nicht
Korrektionsgläser benützt werden) nur den allge-
meinen Eindruck, ohne Darstellung der Details, wieder-
geben. Letzteres scheint jetzt in den Pariser Maler-
schulen den zukünftigen Künstlern empfohlen zu
werden und wird von den letzteren häufig, um den
allgemeinen Eindruck ohne Details wahrzunehmen,
das Auge zugekniffen, wodurch unangenehme lästige
Empfindungen im Auge entstehen können.*) Viel
einfacher ist es, dasselbe optische Resultat für den
Künstler zu erreichen, wenn man denselben während
der Arbeit leichte Konvexgläser oder (bei Kurzsich-
tigen) nicht vollständig korrigierende Konkavgläser,
wie ich dies empfehle, tragen lässt.
Eine andere Anomalie des dioptrischen Appa-
rates des Auges, welche, wie Liebreich^) gezeigt
hat, bei Malern von grosser Bedeutung sein kann,
ist Astigmatismus. Man unterscheidet zwei Formen
des letzteren, den regulären Astigmatismus, bei wel-
chem die Brechkraft des Auges in verschiedenen
Meridianen desselben eine verschiedene ist und den
irregulären Astigmatismus, bei welchem dieselbe in
einem und demselben Meridiane verschiedene Werte
aufweist. Letztere Form des Astigmatismus kommt
für uns hier praktisch nicht in Betracht, da bei der-
selben die Sehschärfe eine so herabgesetzte ist, dass
an die Wahl des Malberufes nicht gedacht wird. Bei
der häutigst vorkommenden Varietät des regulären
Astigmatismus kommen parallele Lichtstrahlen im
vertikalen Meridiane des Auges früher als im hori-
*) Vergi, die Verhandlungen der Französischen Ophthal-
mologischen Gesellschaft. 1902. Seite 585. (Paris, Steinheil.)
3) Turner and Mulready. On the Effect of certain Faults of
Vision on Painting.Royal Institution of Great Britain.March8,! 872.

zontalen Meridiane des Auges zur Vereinigung. Die
optischen Bestandteile des Auges haben dann nicht
einen Brennpunkt, sondern eine Brennstrecke.
Von den Eigentümlichkeiten des Sehens des
astigmatischen Auges kann man sich leicht eine rich-
tige Vorstellung machen, wenn man durch ein kon-
vexes Zylinderglas mit horizontal gestellter Axe einen
fernen Gegenstand betrachtet. Bäume zum Beispiel
sehen in die Länge gezogen aus, wie dies auch an
den in der Londoner National Gallery exponierten
Bildern aus der letzten Zeit des berühmten eng-
lischen Malers Turner der Fall ist. Liebreich er-
klärt diese Eigentümlichkeit Turners als Folge von
Astigmatismus, welcher, ebenso wie die später zu er-
wähnenden Störungen des Farbensinnes, infolge von
Erkrankung der Linse (Star) auftrat. Andere Er-
scheinungen bei astigmatischen Augen sind das Auf-
treten von Strahlen an Sternen und die Verdoppe-
lung von Konturen (Hummelsheim).
Die meisten Augen haben einen leichten Grad
von Astigmatismus, sehen mithin Sterne (die als
Punkte gesehen werden sollten) mit Strahlen um-
geben und tatsächlich ist ein Stern in der volks-
tümlichen Darstellung vielzackig. Das Sehen des
astigmatischen Auges lässt sich durch Korrektions-
gläser (zylindrische und torische) bessern. Augen,
die von Astigmatismus frei sind (anastigmatische
Augen) sind selten (g°/o nach Steiger).
Ein anderer optischer Fehler des menschlichen
Auges besteht in der sphärischen Aberration.
Bekanntlich kommen bei sphärisch geschliffenen Lin-
sen die Randstrahlen früher zur Vereinigung, als die
zentralen Strahlen. Es ist jedoch gelungen, Linsen
zu schleifen, bei welchen die peripheren und die
zentralen Strahlen im selben Brennpunkte zur Ver-
einigung gelangen (aplanatische Linsen), oder wo
die letzteren früher vereinigt werden, als die ersteren
(überkorrigierte Linsen).
Man kann sehr leicht sich von dem Bestehen
der sphärischen Aberration des eigenen Auges über-
zeugen, wenn man vor dasselbe eine aplanatische
Konvexlinse hält und eine fein quadrillierte Zeich-
nung betrachtet: Für die meisten Augen erscheinen
die Linien nach der Peripherie zu konkav verbogen
(sphärische Aberration), selten sind die Linien gerade
(aplanatische Augen), oder nach der Peripherie kon-
vex verbogen (überkorrigierte Augen). Im allgemeinen
zeigt das menschliche Auge keinen hohen Grad von
sphärischer Aberration, da dieselbe durch die peri-
phere Abflachung der Hornhaut teilweise, ganz oder
überkorrigiert wird. (Fortsetzung folgt.)
Kann künstliches Alizarin den Krapp-
farbstoff in der Malerei ersetzen?
Von Reg.-Rat Professor Dr. E. Täuber (Charlottenburg).
Schon im Jahre 186p ist es den Chemikern
Graebe und Liebermann gelungen, den natür-
lichen Krappfarbstoff aus einem Bestandteile des
 
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