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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 14
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Berger, Ernst: Neue Gutachten über die römisch-pompejanische Wandmaltechnik, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0058
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54

Münchner kunsttechnische Blätter.

häufig besuchte und vieie Stunden dort zugebracht
habe.
Ich war insofern vom Giück begünstigt, ais der
Besuch in jenem Winter mit Ausnahme der Osterzeit
ein ziemiich schwacher war, so dass man nicht sehr
vom Strom der Besucher beiästigt wurde. Mit den
„custodi" hatte ich mich baid auf guten Fuss gesteht.
Was sich mir neben der künstlerischen Qualität
der Maiereien namentiich aufdrängte, war die wunder-
volle Technik, in der sie ausgeführt sind; und gerade
hier in diesem Museum können sie so bequem und
eingehend besichtigt werden. Das Haus der Livia auf
dem Palatin war damals oft nicht zugänglich wegen
der Ausgrabungen oder wenigstens war man immer
gestört; in „Prima porta" konnte ich ebenfalls keinen
Einlass bekommen, da gerade wieder einmal der Zu-
tritt aus irgendeinem Grunde, deren die Römer so
viele haben, nicht gestattet war.
Ich hatte sofort die Ueberzeugung, dass dieses
keine Fresken sein könnten. Die Art des Farben-
auftrages, der Glanz und die Farbenwirkung sowie der
Grund sind von demjenigen des Freskos so grundver-
schieden; auch glaube ich, dass bei der Kalkmalerei
auf nassem Grunde eine solche Ausführung, wie die-
jenige der „Gerichtsszenen" geradezu ausgeschlossen
wäre. Ich glaube auch nicht, dass diese Malereien,
wenn sie in Freskotechnik ausgeführt wären, den mecha-
nischen und chemischen Einflüssen von nahezu zwei
Jahrtausenden hätten diesen Widerstand leisten können.
Bei einem kurzen Besuche Neapels im Mai 1908, kurze
Zeit vor meiner Rückkehr aus Italien nach der Schweiz,
hatte ich noch Gelegenheit, die Malereien im dortigen
„Museo nazionale" zu besichtigen, für Pompeji selber
reichte die Zeit nicht mehr.
Bei der allerdings nur flüchtigen Besichtigung hatte
ich den Eindruck, dass die Malereien im Thermen-
museum in Rom technisch höher stehen.
Ich beabsichtigte, im darauffolgenden Winter mich
wieder nach Rom, ev. auch nach Pompeji zu begeben,
um die Technik an Ort und Stelle weiter zu studieren
und womöglich praktische Versuche anzustellen, da
sich mir von Anfang an den antiken Malereien gegen-
über der Gedanke aufgedrängt hatte und mich nicht
mehr losliess, dass sich auf Grund dieser Technik ein
Verfahren gründen Hesse für Wandmalereien an Aussen-
fassaden, die auch unserem Klima standhalten würden.
Anderweitige Arbeiten und meine inzwischen er-
folgte Verheiratung haben mein Vorhaben hinausge-
schoben, doch hoffe ich, in absehbarer Zeit mich mit
dem Problem noch praktisch abgeben zu können.
Zur direkten Beantwortung Ihrer gestellten Fragen
kommend, beantworte ich Ihre erste Frage, wie aus
dem Vorhergehenden ersichtlich ist, mit nein.
Frage 2. So viel ich Stuccolustro vom Hören-
sagen und persönlicher Anschauung von Arbeiten in
dieser Technik kenne (praktisch habe ich sie nicht
versucht), so spricht alles dafür, dass diese Technik
uns jedenfalls die richtige Wegleitung gibt, wenn sie
überhaupt nicht geradezu identisch mit dem Verfahren
der Alten ist.
Frage 3. Erfahrungen und Beobachtungen, die
ich vor ungefähr acht Jahren bei der Ausführung von
Wandmalereien auf Kalkverputz mit einer Wachstem-
pera, bei der ich Wachs teilweise in alkoholischer
Kalilauge verseifte, und mit der ich auf dem Verputz
mit und ohne Farben, die ich mir selber anrieb, ver-
schiedene Versuche anstellte, lassen es mir als un-
zweifelhaft erscheinen, dass bei der antiken Technik
ebenfalls Wachs verwendet worden ist; auch habe ich
damals schon Versuche mit dem Polieren gemacht.
Dass der Glanz bedingt sein soll durch kristallische
Partikelchen, diese Ansicht hat für mich geradezu
etwas Absurdes! Das Aussehen des Grundes und der
Malerei macht ganz den Eindruck, dass eine sehr

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intensive Bearbeitung mit Instrumenten (namentlich bei
den Malereien auf schwarzem Grund — „Gerichts-
szenen"), und zwar mit heissen, stattgefunden haben
muss, um diese Verbindung von Grund und Farbe zu
erreichen. Damit ist auch meine Antwort auf Frage 4
gegeben.
Zu Frage ! möchte ich noch bemerken, dass man
ja gerade in Rom die schönste Gelegenheit hat, Ver-
gleiche anzustellen zwischen den Ergebnissen der an-
tiken Malerei und der Freskotechnik der Renaissance,
um den gewaltigen Unterschied sich einzuprägen. Ich
möchte nur zum Beispiel, zum Vergleichen sehr ge-
eignet, auf die (wenn der Ausdruck gestattet ist) „in-
timen Fresken" in der Kapelle Niklaus V. von Fra
Angelico de Fiesolo im Vatikan oder die Fresken in
den Seitenkapellen von St. Maria in Aracoeli oder
St.Maria del Popolo von Pinturicchio hinweisen. Nament-
lich die letztgenannten lassen sich ungestört auf ihre
Technik hin ansehen, wenn man sich vom Custode
aufschliessen lässt, indem man sie aus unmittelbarer
Nähe betrachten kann.
Ich kann Ihnen mit gutem Gewissen die Versiche-
rung abgeben, dass ich mich in der Beantwortung
Ihrer Fragen in keiner Weise von Ihrem Buche habe
beeinflussen lassen, sondern dass das Gesagte nur auf
eigener Anschauung beruht. Ich bin jetzt im glück-
lichen Besitze Ihrer „Maltechnik des Altertums", aller-
dings erst seit vierzehn Tagen, und es freut mich,
Ihnen die Mitteilung machen zu können, dass schon
lange kein Fachwerk mich so interessiert hat, wie
dieses, das neben dem reichen, erschöpfenden Inhalt
den Stempel reinster Sachlichkeit und Gründlichkeit
trägt und nichts enthält, was der Autor mit gutem
Gewissen nicht behaupten könnte, weil er es selber
geprüft hat.
Leider kann man dieses nicht allen Büchern nach-
rühmen, die über solche und ähnliche Gegenstände
geschrieben worden sind.
Zu meinem grossen Bedauern habe ich erst nach-
träglich aus den „Münchner kunsttechnischen Blättern"
erfahren, dass Sie früher mit Dr. O. Buss in Rüschlikon
in Verbindung gestanden haben.
Ich habe mich während zweier Sommer dort auf-
gehalten und war oft in seiner Gesellschaft mit anderen
Kollegen zusammen, gerade als er ganz mit seiner
neuen Tempera beschäftigt war; auf die antiken Tech-
niken kam er nie zu sprechen. Der liebe gute Mensch
und ebenso intelligente und gründliche Fachmann ist
oftmals nicht ernst genommen worden; vielleicht weil
er sich nie einen gelehrten Anstrich geben wollte;
während meines Verkehrs mit ihm habe ich ihn sehr
hoch schätzen gelernt.
Zum Schlüsse möchte ich Ihnen noch die Mitteilung
machen, dass ich im Laufe dieses Sommers wieder Ge-
legenheit hatte, zwei figürliche Wandbilder in Prof.
Ostwalds Pastelltechnik in einem Festsaal hier auszu-
führen und dass ich mich von ihren grossen Vorzügen
wieder von neuem überzeugt habe. Prof. Ostwalds
Publikation über seine Technik habe ich mit grossem
Interesse gelesen; ich werde ihm demnächst voraus-
sichtlich über meine Resultate wieder berichten und,
wenn es Sie interessiert, Ihnen gern eine Kopie *) davon
zustellen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
zeichnet
Ihr ergebener
R. A m s 1 e r.
2. Herr Hans Wagner-Rom (Via Pietro Cossa 13)
schreibt:
Die erste Frage lautet: Halten Sie die in dem
Diokletiansthermen-Museum befindlichen altrömischen

*) Anmerkung. Dieser Brief ist in Nr. 11 S. 42
abgedruckt. E. B.
 
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