Nr. n.
Münchner kunsttechnische Blätter.
49
Arbeit des Nachzeichnens hatte ich wohl das Gefühl
der korrigierenden EigenschaftdesGlases und ich be-
mühte mich, auch richtig zu zeichnen. Das Resultat
war nichtsdestoweniger ein stark verlängertes Bild!
Bei den Versuchen, den Kopf nach der Er-
innerung zu zeichnen (mit starken Dioptrien von
— 6,$0) zeigt sich ganz unzweifelhaft wieder der
Unterschied zwischen vertikaler und horizontaler
Achse und dementsprechend die Verzerrungen in
die Breite und in die Länge (s. Abbild. 9 und IO).
Von befreundeter Seite aufmerksam gemacht,
versuchte ich durch Herstellung von Photographien,
Abb. 9. Erinnerungsbild.
— 6^/2 Dioptrien. Achse horizontal.
Was für Schlüsse können und sollten
aus diesen Versuchen gezogen werden?
Ich glaube, es werden die folgenden sein:
I. Das durch bestehenden Astigmatismus ver-
änderte Sehvermögen äussert sich, je nach dem
Grade des Astigmatismus verschieden.
Auch bei verschiedenen Versuchspersonen
werden die Wirkungen verschieden sein, je nach-
dem ein völlig normales, ein kurzsichtiges oder
ein weitsichtiges Auge diese Versuche vornimmt.
Abb. 10. Erinnerungsbild.
— 6Vg Dioptrien. Achse vertikal.
Daraus erklärt sich vielleicht zum Teil die grosse
Differenz zwischen den Resultaten von Dr. Katz
und den meinigen.*) (Schluss folgt.)
die Wirkung des Astigmatismus rein objektiv
festzustellen, indem ich Gegenstände zuerst regel-
recht photographierte und das nämliche Vorbild,
durch Vorsetzen eines Zylinderglases astigmatisch
verändert, in der Kamera festhielt. Dies gelang
mir mit sehr schwacher Diopterie von 1,$, Achse
vertikal und das Bild zeigte Verlängerung der Form
mit allgemeiner Undeutlichkeit der Zeichnung, als
ob der Apparat fortgesetzt geschwankt hätte, was
aber durchaus nicht der Fall war. Ich bin in
photographischen Dingen nicht genügend bewan-
dert, um auf diesem Wege weiter Vorgehen zu
können, jedenfalls könnte die Photographie nur
den ersten Teil des asligmatischen Sehaktes,
das Auffangen des Bildes auf der Netzhaut, wieder-
geben, nicht aber die Ueberleitung in das Bewusst-
sein des Sehenden, worauf es doch hier ankäme.
*) Nach Abschluss des Artikels hatte ich Gelegen-
heit, die oben beschriebenen Versuche von einem
jüngeren Kollegen Herrn Sch., der sich dazu erboten
hatte, nochmals nachprüfen zu lassen. Dabei ergab sich
die interessante Tatsache, dass die ersten Versuche,
mit schwächeren Diopterien (—3,5) nach der Natur zu
zeichnen, deutliche Unterschiede in den Längs-
resp. Breitendimensionen zeigten. Bei Steigerung der
Diopterien wurden diese Unterschiede nicht so auffallend,
jedenfalls nicht so bedeutend, als es nach deren Stärke
hätte erwartet werden können. Es scheint demnach,
dass sich das Auge des Herrn Sch. schnell genug an
die Astigmatik akkommodiert hatte, d. h. dass wie nach
dem folgenden augenärztlichen Gutachten zu folgern ist,
der künstlich erzeugte Astigmatismus durch die Eigen-
schaft der Linsenakkommodation wieder aufgehoben wur-
de, was bei Sch., der 23 fahre alt ist, leicht verständlich ist.
Vielleicht beruhen die erheblichen Unterschiede
der Versuche von Dr. Katz gegenüber den meinigen
auch auf diesem Umstande: Ich stehe dem 60. Jahre
schon ziemlich nahe (geb. !857), während Dr. Katz
mindestens um 20 Jahre jünger sein mag.
Münchner kunsttechnische Blätter.
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Arbeit des Nachzeichnens hatte ich wohl das Gefühl
der korrigierenden EigenschaftdesGlases und ich be-
mühte mich, auch richtig zu zeichnen. Das Resultat
war nichtsdestoweniger ein stark verlängertes Bild!
Bei den Versuchen, den Kopf nach der Er-
innerung zu zeichnen (mit starken Dioptrien von
— 6,$0) zeigt sich ganz unzweifelhaft wieder der
Unterschied zwischen vertikaler und horizontaler
Achse und dementsprechend die Verzerrungen in
die Breite und in die Länge (s. Abbild. 9 und IO).
Von befreundeter Seite aufmerksam gemacht,
versuchte ich durch Herstellung von Photographien,
Abb. 9. Erinnerungsbild.
— 6^/2 Dioptrien. Achse horizontal.
Was für Schlüsse können und sollten
aus diesen Versuchen gezogen werden?
Ich glaube, es werden die folgenden sein:
I. Das durch bestehenden Astigmatismus ver-
änderte Sehvermögen äussert sich, je nach dem
Grade des Astigmatismus verschieden.
Auch bei verschiedenen Versuchspersonen
werden die Wirkungen verschieden sein, je nach-
dem ein völlig normales, ein kurzsichtiges oder
ein weitsichtiges Auge diese Versuche vornimmt.
Abb. 10. Erinnerungsbild.
— 6Vg Dioptrien. Achse vertikal.
Daraus erklärt sich vielleicht zum Teil die grosse
Differenz zwischen den Resultaten von Dr. Katz
und den meinigen.*) (Schluss folgt.)
die Wirkung des Astigmatismus rein objektiv
festzustellen, indem ich Gegenstände zuerst regel-
recht photographierte und das nämliche Vorbild,
durch Vorsetzen eines Zylinderglases astigmatisch
verändert, in der Kamera festhielt. Dies gelang
mir mit sehr schwacher Diopterie von 1,$, Achse
vertikal und das Bild zeigte Verlängerung der Form
mit allgemeiner Undeutlichkeit der Zeichnung, als
ob der Apparat fortgesetzt geschwankt hätte, was
aber durchaus nicht der Fall war. Ich bin in
photographischen Dingen nicht genügend bewan-
dert, um auf diesem Wege weiter Vorgehen zu
können, jedenfalls könnte die Photographie nur
den ersten Teil des asligmatischen Sehaktes,
das Auffangen des Bildes auf der Netzhaut, wieder-
geben, nicht aber die Ueberleitung in das Bewusst-
sein des Sehenden, worauf es doch hier ankäme.
*) Nach Abschluss des Artikels hatte ich Gelegen-
heit, die oben beschriebenen Versuche von einem
jüngeren Kollegen Herrn Sch., der sich dazu erboten
hatte, nochmals nachprüfen zu lassen. Dabei ergab sich
die interessante Tatsache, dass die ersten Versuche,
mit schwächeren Diopterien (—3,5) nach der Natur zu
zeichnen, deutliche Unterschiede in den Längs-
resp. Breitendimensionen zeigten. Bei Steigerung der
Diopterien wurden diese Unterschiede nicht so auffallend,
jedenfalls nicht so bedeutend, als es nach deren Stärke
hätte erwartet werden können. Es scheint demnach,
dass sich das Auge des Herrn Sch. schnell genug an
die Astigmatik akkommodiert hatte, d. h. dass wie nach
dem folgenden augenärztlichen Gutachten zu folgern ist,
der künstlich erzeugte Astigmatismus durch die Eigen-
schaft der Linsenakkommodation wieder aufgehoben wur-
de, was bei Sch., der 23 fahre alt ist, leicht verständlich ist.
Vielleicht beruhen die erheblichen Unterschiede
der Versuche von Dr. Katz gegenüber den meinigen
auch auf diesem Umstande: Ich stehe dem 60. Jahre
schon ziemlich nahe (geb. !857), während Dr. Katz
mindestens um 20 Jahre jünger sein mag.