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München, 1. Mai 1916.
Baüagx zur „Werkstatt der Knast" (E.A. Seeataaa, Leipzig).
Erscheint !4tägig nater Leltaag von Maler Prof. Ernst Berger.
111. jahrg. Nr. 16,
Inhalt: Zur Begründung einer Lehre von den Pigmenten.
farben-Theorie und ihre Anwendnng. Von E. B.
Zur Preissteigerung der Malmaterialien.
Von Wilhelm Ostwald, Grosshothen. — Die Drei-
— Ueber verschiedene Malgründe. ^(Schluss.) —

Zur Begründung einer Lehre von den Pigmenten.
I. Die fundamentalen Eigenschaften der Pigmente und ihre Korngrösse.
Von Wilhelm Ostwald, Grossbothen").

Bei der ungeheuren Ausdehnung, welche die
Physik und Chemie, sowie die zwischen beiden
liegende physikalische Chemie in den letzten
Jahrzehnten genommen hat, bei der Sorgfalt, mit
welcher alle möglichen Einzelgebiete dieses
weiten Reiches bis in ihre Verzweigungen studiert
worden sind, muss es wundernehmen, dass eine
Gruppe von Erscheinungen, mit denen sich die
Menschheit seit Jahrtausenden beschäftigt hat,
dieser Bearbeitung durch die exakte Wissenschaft
bisher so gut wie vollständig entzogen geblieben
ist. Die physikalisch-chemischen Gesetzlichkeiten
sind noch fast ganz unbekannt, welche sich be-
tätigen, wenn man die zu Pigmenten geeigneten
Stoffe den Behandlungen unterwirft, die seit den
ersten Anfängen menschlicher Kultur versucht
worden sind, um aus den rohen Materialien „Far-
ben" zu machen, mit denen man sowohl den
Körper wie Geräte aller Art geschmückt hat.
Grundsätzlich sieht ja die Sache überaus einfach
aus. Die Stoffe werden zu feinem Pulver verrieben
und mit einem geeigneten Bindemittel vermischt
auf die zu tünchenden Flächen aufgetragen. Dieses
Verfahren führt grundsätzlich von den rohesten
Anstrichen bis zu den höchsten Leistungen der
künstlerischen Malerei. Dazwischen liegt das un-
geheure Gebiet der technischen Anstriche, welche
sowohl zu Schmuckzwecken wie auch zu Zwecken
des Schutzes gegen Angriffe durch Wasser, Luft-
sauerstoff und schweflige Säure angewendet werden.
Riesenhafte Industrien sind entstanden, um diesen

*) Mit Erlaubnis des Verfassers abgedruckt aus
„Zeitschrift für Kolloidchemie, Jahrg. !9i5-

Bedürfnissen zu genügen. Versucht man aber,
sich nach den wissenschaftlichen Grundlagen all
dieser Verfahren umzuschauen, so stösst man
auf einen Zustand, dessen primitive Beschaffenheit
in grellem Widerspruche zu dem wissenschaftlichen
Charakter des 20. Jahrhunderts steht. Es braucht
zum Beleg dieser Behauptung nur auf die Tatsache
hingewiesen zu werden, dass bis jetzt noch kein
einigermassen wissenschaftlich exakt durchgear-
beiteter Farbatlas, dass noch kein System be-
steht, um die einigen zehntausend Farbtöne zu
kennzeichnen und zu registrieren, welche ein
durchschnittliches Auge unterscheiden kann. Eben-
so sind die Methoden, nach welchen Pigmente von
bestimmten Eigenschaften erzeugt werden, zum
allergrössten Teil noch rein empirischen Charakters,
so dass man vorgeschriebene Ergebnisse nur durch
Einhaltung von Rezepten erzielen kann, deren
einzelne Vorschriften sich einer wissenschaftlichen
Erklärung bisher fast überall entzogen haben.
Dieser Zustand war mir bereits früher entgegen
getreten, als ich begann, die Malerei zu Liebhaber-
zwecken auszuüben, wobei ich die auf diesem
Gebiete vorhandenen technischen Anweisungen
überall höchst primitiv und der wissenschaftlichen
Vertiefung gänzlich entbehrend fand. Der Mangel
wurde aber dringend, als ich im Aufträge des
Deutschen Werkbundes unternahm, die wissen-
schaftlichen Vorarbeiten für die Herstellung eines
technischen Farbatlas in Gang zu bringen, durch
welchen das dringende Bedürfnis nach einer
Uebersicht der sämtlichen möglichen Farbtöne
derart auf eine wissenschaftliche Grundlage ge-
stellt werden sollte, dass die künftigen Zeiten das
 
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