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Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr. M.
Bleimennige werden in Verbindung mit ieichten Farb-
stoffen immer aushocken, bei sehr dünnflüssigen Farb-
aufträgen auch den farbigen Charakter der Misch-
farbe ganz verändern.
Wir haben schon oben gesehen, dass auch in
den Bindemitteln sich wichtige Veränderungen voll-
ziehen können, die als Verfallsursachen wirken. Die
Zersetzung der organischen Bindemittel, ihr Ausfaulen,
ihr Quellen und Schwinden, ferner die bis zur Kre-
pierung des öligen Bindemittels fortschreitende Oxy-
dation bringen solche Veränderungen mit sich. Immer-
hin sind sie klar erkennbar. Sehr schwierig wird
das aber bisweilen bei Bindemittelgemischen, so bei
den sogen. Harzölhirnissen oder bei manchen Lacken.
Solche Firnisse können gut und regelmässig auitrock-
nen, können guten Glanz zeigen und doch vermögen
sie nach einiger Zeit, entweder infolge grosser Hitze
oder grosser Kälte, wieder klebrig oder gar flüssig
zu werden. Auch bei Lacken ist das nicht unmöglich,
allerdings muss es eine besondere Gattung von Lacken
sein, die man nicht näher bestimmen kann, weil in
solchen Fällen selten genaue Angaben gemacht wer-
den, bei denen man aber nicht fehl gehen wird, wenn
man vermutet, dass es sich um einen „modernen"
Lack handele. Die moderne Lackfabrikationstechnik
beginnt ja vielfach von der alten Art, Lacke als Lö-
sungen von harten oder weichen Harzen herzustellen,
abzuweichen. Schon der aus Zelluloid oderZellon herge-
stellte Lack hat keine Aehnlichkeit mehr mit den
eigentlichen Lackfirnissen und die aus kondensierten
Phenolen entstehen, haben sich fast noch weiter da-
von entfernt. Aber auch die Lackfirnisse haben in
den Resinat- und Esterlacken eine Abart erhalten
und diesen darf man es wohl zuschreiben, was sich
heute sehr oft an Lackierungen mehr oder weniger
deutlich ereignet, dass sie nämlich nach einiger Zeit
wieder flüssig oder weich werden können. Manche
dieser Lacke vertragen es nicht einmal, dass man
nach ihrem Trocknen mit einer zweiten terpentinöl-
haltigen Oel- oder Lackfarbe darauf kommt; sie lösen
sich dabei auf. Andere werden durch die Fettsäuren
des Handschweisses erweicht und in einem Falle wur-
de ein sogen. Dekorationslack bester Sorte, der tadel-
los erhärtet war, nach sechs Monaten wieder weich,
anscheinend dazu angeregt durch ein paar warme
Sommertage. Diese Lacke kommen meistens unter
so nichtssagenden Bezeichnungen wie Dekorationslack,
Eichenholzlack usw. in den Handel und werden in
der gewerblichen Lackiererei und Baumalerei massen-
haft verbraucht. Welche Ursachen diese Veränderung
des Aggregatzustandes herbeiführte, ob eine Lösung
oder innere Umsetzung, das mag dahingestellt bleiben,
jedenfalls sind es aber innere Vorgänge in der Farb-
oder Lackschicht, die zu denken geben.
(Fortsetzung folgt.)
Chemie und Maitechnik in München.
Im Anschluss an ihre Artikel über den Neubau
der chemischen Institute an der Kgl. Technischen
Hochschule zu München bringt die „München-Augs-
burger Abdztg" folgende Notiz:
„Im Interesse besonders der Münchner Maler und
Künstler sei auf die Tätigkeit einer Anstalt hinge-
wiesen, die gewissermassen im Verborgenen blüht
und einen Zweig der Chemie pflegt, der mittelbar und
unmittelbar weitesten Kreisen zugute kommt. Es ist
das die Versuchs-Anstalt für Maltechnik an der Tech-
nischen Hochschule in München. Das Institut, das
unter Leitung des bekannten Spezialisten, Prof. Dr.
A. Eibner, steht, repräsentiert die neueste Stätte
der Anwendung der Chemie und Physik auf einem
wichtigen Teil der Technologie, nämlich dem der
Malerfarben und deren Verwendung. Im Jahre 1903
auf Anregung der deutschen Gesellschaft zur Förde-
rung rationeller Malverfahren (Sitz München) proviso-
risch vom Staate übernommen, wurde die Anstalt im
Jahre 1906 als Attribut der Technischen Hochschule
angegliedert. Bei den Neubauten im Jahre 1911 wur-
den der Anstalt neue Räume zugewiesen, bestehend
aus einem Laboratorium zur Ausführung von Unter-
suchungen für die Praxis, einem Laboratorium für
reine Forschungszwecke, Sammlungsraum, Schulraum
usw. Zu dem Institut gehört ein Hörsaal mit 230 Plätf i
zen, in dem Vorträge über Malmateralienkunde a.*
Studierende der Kunstakademie, Kunstgewerbeschule,
der Hochschule und sonstige Interessenten aus Künst-
ler-, Handwerker- und Fabrikantenkreisen gehalten
werden.
In erster Linie dient das Institut der wissenschaft-
lichen Forschung auf dem Gebiete der Malmateralien
und Malweisen; im umfassenden Sinne hat die An-
stalt die Aufgabe, durch Forschung die Grundlagen
zur Herstellung normaler Malmateralien und rationeller
Ausübung der Maltechnik zu schaffen. In dem Sinne
führt sie den von Pettenkofer geäusserten Gedanken
praktisch durch, dass eine Wissenschaft der Maltech-
nik zu schaffen sei und stellt so das praktische Er-
gebnis der von diesem Forscher ins Leben gerufenen
Bewegung zur Förderung rationeller Malmethoden
dar. Die hierzu dienenden Hilfswissenschaften sind
die anorganische und organische Chemie in Anwen-
dung auf die Farbstoffe und ihrer Bindemittel zum
Zwecke der Herstellung in normaler Qualität und der
Abwehr der Verfälschungen. Nach der Richtung hin
kommen zur Prüfung sämtliche trockene Malerfarben,
die Bindemittel, besonders Oele, Firnisse, Lacke; fer-
ner angeriebene Farben und zwar Anstrich- wie Künst-
lerfarben.
Weitere Hilfswissenschaften für die Maltechnik
bilden die Grenzgebiete zwischen Chemie und Physik,
vor allem die Colloidchemie, die Lehre von der Op-
tik zur Erforschung des Verhaltens der Farben zu den
Bindemitteln und im Zusammenhang damit die Prüfung
der Beständigkeit, der Deckfähigkeit, der Lichtechtheit
usw. Zu den Hilfswissenschaften zählt ferner die
Kunstgeschichte hinsichtlich der Entwicklung der
einzelnen Maltechniken; hier kommt die Mikroskopie
zur Geltung, insbesondere auf dem Gebiete der Bil-
derfälschung.
Den Studien über Technik alter Malweisen, so
der pompejanischen und des Fresko, wird weiteste
Aufmerksamkeit geschenkt. Eine Reihe Entdeckun-
gen und Erfindungen gingen aus dem Institute her-
vor. Es sind zu nennen: Verfahren zur Herstellung
lichtechten Zinnobers; die Entdeckung der farbenzer-
störenden Eigenschaft des Zinkweiss. Erforschung
und Beseitigung deren Ursachen, sowie Erfahrungen
über Sprung- und Rissbildung bei Oelbildern und
deren Vermeidung.
Das Institut steht in bezug auf Organisation und
Arbeitsverbindung mit den einschlägigen Berufsklassen
vollkommen einzigartig da. Dem Kuratorium der Ver-
suchs-Anstalt gehören Vertreter der Kunst, des Han-
werkes und der Fabrikation an. Hierdurch bleibt
kein die Praxis interessierendes Arbeitsgebiet in der
Anstalt unberücksichtigt. Man kann die Anstalt als
Werkzeug zur Durchführung der in Bayern und be-
sonders in München auf die Zeit König Ludwigs I.
zurückgehenden staatlichen Massnahmen zur Förderung
der Maltechnik ansprechen.
Abels."
Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr. M.
Bleimennige werden in Verbindung mit ieichten Farb-
stoffen immer aushocken, bei sehr dünnflüssigen Farb-
aufträgen auch den farbigen Charakter der Misch-
farbe ganz verändern.
Wir haben schon oben gesehen, dass auch in
den Bindemitteln sich wichtige Veränderungen voll-
ziehen können, die als Verfallsursachen wirken. Die
Zersetzung der organischen Bindemittel, ihr Ausfaulen,
ihr Quellen und Schwinden, ferner die bis zur Kre-
pierung des öligen Bindemittels fortschreitende Oxy-
dation bringen solche Veränderungen mit sich. Immer-
hin sind sie klar erkennbar. Sehr schwierig wird
das aber bisweilen bei Bindemittelgemischen, so bei
den sogen. Harzölhirnissen oder bei manchen Lacken.
Solche Firnisse können gut und regelmässig auitrock-
nen, können guten Glanz zeigen und doch vermögen
sie nach einiger Zeit, entweder infolge grosser Hitze
oder grosser Kälte, wieder klebrig oder gar flüssig
zu werden. Auch bei Lacken ist das nicht unmöglich,
allerdings muss es eine besondere Gattung von Lacken
sein, die man nicht näher bestimmen kann, weil in
solchen Fällen selten genaue Angaben gemacht wer-
den, bei denen man aber nicht fehl gehen wird, wenn
man vermutet, dass es sich um einen „modernen"
Lack handele. Die moderne Lackfabrikationstechnik
beginnt ja vielfach von der alten Art, Lacke als Lö-
sungen von harten oder weichen Harzen herzustellen,
abzuweichen. Schon der aus Zelluloid oderZellon herge-
stellte Lack hat keine Aehnlichkeit mehr mit den
eigentlichen Lackfirnissen und die aus kondensierten
Phenolen entstehen, haben sich fast noch weiter da-
von entfernt. Aber auch die Lackfirnisse haben in
den Resinat- und Esterlacken eine Abart erhalten
und diesen darf man es wohl zuschreiben, was sich
heute sehr oft an Lackierungen mehr oder weniger
deutlich ereignet, dass sie nämlich nach einiger Zeit
wieder flüssig oder weich werden können. Manche
dieser Lacke vertragen es nicht einmal, dass man
nach ihrem Trocknen mit einer zweiten terpentinöl-
haltigen Oel- oder Lackfarbe darauf kommt; sie lösen
sich dabei auf. Andere werden durch die Fettsäuren
des Handschweisses erweicht und in einem Falle wur-
de ein sogen. Dekorationslack bester Sorte, der tadel-
los erhärtet war, nach sechs Monaten wieder weich,
anscheinend dazu angeregt durch ein paar warme
Sommertage. Diese Lacke kommen meistens unter
so nichtssagenden Bezeichnungen wie Dekorationslack,
Eichenholzlack usw. in den Handel und werden in
der gewerblichen Lackiererei und Baumalerei massen-
haft verbraucht. Welche Ursachen diese Veränderung
des Aggregatzustandes herbeiführte, ob eine Lösung
oder innere Umsetzung, das mag dahingestellt bleiben,
jedenfalls sind es aber innere Vorgänge in der Farb-
oder Lackschicht, die zu denken geben.
(Fortsetzung folgt.)
Chemie und Maitechnik in München.
Im Anschluss an ihre Artikel über den Neubau
der chemischen Institute an der Kgl. Technischen
Hochschule zu München bringt die „München-Augs-
burger Abdztg" folgende Notiz:
„Im Interesse besonders der Münchner Maler und
Künstler sei auf die Tätigkeit einer Anstalt hinge-
wiesen, die gewissermassen im Verborgenen blüht
und einen Zweig der Chemie pflegt, der mittelbar und
unmittelbar weitesten Kreisen zugute kommt. Es ist
das die Versuchs-Anstalt für Maltechnik an der Tech-
nischen Hochschule in München. Das Institut, das
unter Leitung des bekannten Spezialisten, Prof. Dr.
A. Eibner, steht, repräsentiert die neueste Stätte
der Anwendung der Chemie und Physik auf einem
wichtigen Teil der Technologie, nämlich dem der
Malerfarben und deren Verwendung. Im Jahre 1903
auf Anregung der deutschen Gesellschaft zur Förde-
rung rationeller Malverfahren (Sitz München) proviso-
risch vom Staate übernommen, wurde die Anstalt im
Jahre 1906 als Attribut der Technischen Hochschule
angegliedert. Bei den Neubauten im Jahre 1911 wur-
den der Anstalt neue Räume zugewiesen, bestehend
aus einem Laboratorium zur Ausführung von Unter-
suchungen für die Praxis, einem Laboratorium für
reine Forschungszwecke, Sammlungsraum, Schulraum
usw. Zu dem Institut gehört ein Hörsaal mit 230 Plätf i
zen, in dem Vorträge über Malmateralienkunde a.*
Studierende der Kunstakademie, Kunstgewerbeschule,
der Hochschule und sonstige Interessenten aus Künst-
ler-, Handwerker- und Fabrikantenkreisen gehalten
werden.
In erster Linie dient das Institut der wissenschaft-
lichen Forschung auf dem Gebiete der Malmateralien
und Malweisen; im umfassenden Sinne hat die An-
stalt die Aufgabe, durch Forschung die Grundlagen
zur Herstellung normaler Malmateralien und rationeller
Ausübung der Maltechnik zu schaffen. In dem Sinne
führt sie den von Pettenkofer geäusserten Gedanken
praktisch durch, dass eine Wissenschaft der Maltech-
nik zu schaffen sei und stellt so das praktische Er-
gebnis der von diesem Forscher ins Leben gerufenen
Bewegung zur Förderung rationeller Malmethoden
dar. Die hierzu dienenden Hilfswissenschaften sind
die anorganische und organische Chemie in Anwen-
dung auf die Farbstoffe und ihrer Bindemittel zum
Zwecke der Herstellung in normaler Qualität und der
Abwehr der Verfälschungen. Nach der Richtung hin
kommen zur Prüfung sämtliche trockene Malerfarben,
die Bindemittel, besonders Oele, Firnisse, Lacke; fer-
ner angeriebene Farben und zwar Anstrich- wie Künst-
lerfarben.
Weitere Hilfswissenschaften für die Maltechnik
bilden die Grenzgebiete zwischen Chemie und Physik,
vor allem die Colloidchemie, die Lehre von der Op-
tik zur Erforschung des Verhaltens der Farben zu den
Bindemitteln und im Zusammenhang damit die Prüfung
der Beständigkeit, der Deckfähigkeit, der Lichtechtheit
usw. Zu den Hilfswissenschaften zählt ferner die
Kunstgeschichte hinsichtlich der Entwicklung der
einzelnen Maltechniken; hier kommt die Mikroskopie
zur Geltung, insbesondere auf dem Gebiete der Bil-
derfälschung.
Den Studien über Technik alter Malweisen, so
der pompejanischen und des Fresko, wird weiteste
Aufmerksamkeit geschenkt. Eine Reihe Entdeckun-
gen und Erfindungen gingen aus dem Institute her-
vor. Es sind zu nennen: Verfahren zur Herstellung
lichtechten Zinnobers; die Entdeckung der farbenzer-
störenden Eigenschaft des Zinkweiss. Erforschung
und Beseitigung deren Ursachen, sowie Erfahrungen
über Sprung- und Rissbildung bei Oelbildern und
deren Vermeidung.
Das Institut steht in bezug auf Organisation und
Arbeitsverbindung mit den einschlägigen Berufsklassen
vollkommen einzigartig da. Dem Kuratorium der Ver-
suchs-Anstalt gehören Vertreter der Kunst, des Han-
werkes und der Fabrikation an. Hierdurch bleibt
kein die Praxis interessierendes Arbeitsgebiet in der
Anstalt unberücksichtigt. Man kann die Anstalt als
Werkzeug zur Durchführung der in Bayern und be-
sonders in München auf die Zeit König Ludwigs I.
zurückgehenden staatlichen Massnahmen zur Förderung
der Maltechnik ansprechen.
Abels."
Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).