Münchner kunsttechnische Btätter.
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Nr. 20.
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Um auch unseren Lesern einen Einbück in dieses Ge-
biet zu geben, lassen wir nachstehend die Abhandtung
im Wortlaut folgen:
Vor kurzem wurde einem Kunsthändler im Nord-
viertel ein Menzel-Stich zum Kaufe angeboten. Der
Stich war mit dem Signum Menzels versehen und war
in keiner Weise verdächtig. Der Händler wollte, da
es sich um eine respektable Ankaufssumme handelte,
recht vorsichtig sein und holte das Gutachten einer
Autorität ein, die den Stich nach genauer Prüfung
auch als echten Menzel anerkannte. Jetzt kaufte ihn
der Händler auch ohne Sorge, um ihn gleich wieder
mit grossem Gewinn nach Berlin weiter zu verkaufen.
Dort wurde aber durch einen Zufall einwandfrei fest-
gestellt, dass es sich nicht um einen echten Menzel,
sondern um eine gutgelungene Fälschung handelte.
Der Münchner Kunsthändler musste den Stich wieder
zurücknehmen und den Kaufpreis zurückerstatten. Es
sind in der letzten Zeit übrigens verschiedene Menzel
im Handel aufgetaucht, wie so überhaupt bei der ge-
genwärtig grossen Nachfrage nach Altertümern mehr
denn je Imitationen in den Handel gebracht werden.
Oft genug werden die tüchtigsten Kenner getäuscht;
denn es gibt der gefälschten und verfälschten Alter-
tümer eine Menge, bei denen gar nicht festzustellen,
ob alt oder neu, ob echt oder unecht. Die Kunstge-
lehrten wollen dies zwar nicht zugeben, aber gerade
sie mit ihrer oft zu idealen Weltanschauung sind am
leichtesten zu täuschen. Beispiele dafür gibt es in
Menge.
Das Fälschen und Verfälschen von Altertümern
ist eigentlich sehr einfach. Wenn von geschickter
Hand ein Gegenstand genau nach dem Vorbild einer
gewissen Zeitepoche aus altem Material bei richtiger
Beobachtung der alten Arbeitsmethode hergestellt wird,
lässt sich eben nicht mit Bestimmtheit sagen, ob das
Stück gestern oder z. B. in der Zeit der Frühgotik
gefertigt wurde, denn das Material ist alt und die Ver-
arbeitung entspricht der Zeit. Derartige Fälschungen
sind hauptsächlich bei Holzgegenständen üblich. Der
Altertümerschreiner, häufiger der Altertümerhändler,
kauft irgendwo im bayerischen Algäu oder in Tirol
altes Holz (Stubenvertäfelungen, Holzplafonds, ja Dach-
stuhlgebälk und dergleichen), bringt es in die Werk-
stätte des kunstverständigen Altertumsschreiners, wo
es fachgemäss zu alten Möbelstücken, hauptsächlich
zu gotischen, weil sich bei dieser Stilarbeit die Fäl-
schung am besten rentiert, verarbeitet wird. Aus der
.gotischen Zeit sind nur ganz wenig echte Möbelstücke
vorhanden, und doch sieht man massenhaft solche
Möbel in Privatbesitz. Das Sammeln von Altertümern
ist eben heute zur Mode geworden, wer Geld hat und
gesellschaftlich als vollwertig eingeschätzt werden will,
sammelt, während früher hauptsächlich Kunstfreunde
und Kunstkenner sammelten. Durch solche Verhältnisse
macht sich ein Warenmangel auf dem Antiquitäten-
markt immer mehr fühlbar, und dieser Warenmangel
ruft die bedauerlichsten Wirkungen hervor, die hohen
Preise für Altertümer, die Raubzüge der Händler nach
Altertümern durchs Land bis in die entlegensten Ein-
ödhöfe, das Fälschen und Verfälschen von Alter-
tümern usw.
Beim Fälschen von Altertümern werden die ver-
schiedensten Kniffe angewendet. So ist es gar nicht
selten, dass aus einer Figur zwei gemacht werden.
Man durchsägt, möglichst diagonal, eine alte Figur
und schnitzt zu jeder der beiden Hälften das notwen-
dige Ersatzstück. Auch kommt es häufig vor, dass
der Kopf einer Originalfigur abgesägt und ein neuer,
nachgebildeter Kopf aufgesetzt wird. Zu dem auf
solche Weise gewonnenen alten Kopfe wird dann ein
neuer Leib aus altem, mit Vogeldunst beschossenem
Holze gefertigt und dadurch selbst gewiegte Kenner
getäuscht. Oft werden alte, schöne Holzfiguren zum
Kopieren ausgebeten und dann einfach die täuschend
ähnliche Kopie statt dem Original zurückgegeben.
Ein sehr charakteristischer derartiger Fall ist fol-
gender: Ein Würzburger Händler wusste, dass sich in
einer fränkischen Dorfkirche zwei schöne, seltene,
gotische Holzüguren, St. Georg und St. Sebastian, be-
fanden. Gute Kunstkenner hielten die Figuren für
Riemenschneider-Werke. Beide Figuren waren be-
schädigt, hauptsächlich an Händen und Füssen, wie
dies bei alten Figuren meistens der Fall ist. 1907
waren die alten Figuren noch vorhanden. Nach einigen
Jahren zeigten sich die Figuren restauriert. Bei ge-
nauer Besichtigung machte man die Wahrnehmung,
dass es überhaupt nicht mehr die alten Figuren waren,
sondern Kopien. Der Pfarrer, von dieser Wahrneh-
mung verständigt, hatte nur ein überlegenes Lächeln
und erklärte, dass ein Wohltäter der Kirche auf eigene
Kosten die Restaurierung der Figuren veranlasst habe,
die Arbeit hätte dem Wohltäter mehr als 300 Mark
gekostet. Der Beweis, dass der Pfarrer das Opfer
eines geriebenen Schwindlers geworden sei, war leicht
zu führen. Neben anderen untrüglichen Fälschungs-
merkmalen war festzustellen, dass der Bildhauer, wel-
cher die Nachbildung besorgte, einen kleinen Finger,
der am Original abgebrochen gewesen, bei der Nach-
ahmung nicht angestückelt, sondern gleich an die Hand
angeschnitzt hatte. Dasselbe Versehen war bei einem
Ohr zu konstatieren, ganz abgesehen davon, dass statt
Lindenholz, wie es zu den alten Figuren verwendet
wurde, bei den Nachbildungen Nussbaumholz verarbeitet
war. Der „Wohltäter der Kirche", eben jener
Würzburger Händler, war gestorben, konnte also
nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden.
Sehr im Schwange ist seit kurzer Zeit das Fälschen
von Kupferstichen. Auf diese Fälschungen ist man
durch die grosse und deshalb auffallende Menge ge-
wisser Sorten von Stichen gekommen. So sind z. B.
in München die beliebten Kupferstiche des Joh. Elias
Ridinger (1698—1767), des populärsten Tierdarstellers
seiner Zeit, in einer derartigen Anzahl vorhanden, dass
Ridinger mit hundert Händen all diese Jagdstücke,
besonders gehetzte und ruhende Hirsche, Bären- und
Fasanenjagden usw. nicht hätte hersteilen können.
Genau so verhält es sich mit Ridingers geschätzten
radierten und geschabten Blättern, unzählige sind da-
von gegenwärtig im Handel. Man weiss nun zwar,
dass verschiedene Platten von Ridingers Hand heute
noch vorhanden sind und es sich um Neuabzüge auf
altem Papier handelt, aber man weiss auch, dass et-
liche Platten nachgemacht wurden. Das Fälschen der
Stiche ist für einen tüchtigen Künstler übrigens keine
besonders schwierige Sache. Man nimmt altes Papier
(in alten Büchern und Akten ist solches in grosser
Menge aus allen Zeiten und in allen Formaten vorhan-
den) und macht von den alten Stein-, Zink- und Kupfer-
platten, falls sie vorhanden, nach Belieben Abdrücke.
Sind die alten Platten nicht vorhanden, so lässt man
sie, mit Signatur des Stechers und mit Jahreszahl ver-
sehen, nachmachen.
Sehr viel gefälscht werden in letzter Zeit auch
Elfenbein- und Pergament-Miniaturmalereien. Die Fa-
briken, welche sich nur mit Herstellung von solchen
„Altertümern" befassen, sind zahlreich, besonders in
Holland und Belgien, wo auch massenhaft „alte" Por-
zellangegenstände und Möbelstücke fabriziert werden.
Hier müssen auch die Zinngegenstände erwähnt werden,
welche, weil beliebt und viel gesucht werden, eben-
falls massenhaft gefälscht werden; wir haben sogar in
Bayern eine Fabrik, die vorzügliche Zinngegenstände
nachmacht, die zwar nicht durch die Fabrik selbst,
wohl aber durch Händler für alt verkauft werden.
Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
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Um auch unseren Lesern einen Einbück in dieses Ge-
biet zu geben, lassen wir nachstehend die Abhandtung
im Wortlaut folgen:
Vor kurzem wurde einem Kunsthändler im Nord-
viertel ein Menzel-Stich zum Kaufe angeboten. Der
Stich war mit dem Signum Menzels versehen und war
in keiner Weise verdächtig. Der Händler wollte, da
es sich um eine respektable Ankaufssumme handelte,
recht vorsichtig sein und holte das Gutachten einer
Autorität ein, die den Stich nach genauer Prüfung
auch als echten Menzel anerkannte. Jetzt kaufte ihn
der Händler auch ohne Sorge, um ihn gleich wieder
mit grossem Gewinn nach Berlin weiter zu verkaufen.
Dort wurde aber durch einen Zufall einwandfrei fest-
gestellt, dass es sich nicht um einen echten Menzel,
sondern um eine gutgelungene Fälschung handelte.
Der Münchner Kunsthändler musste den Stich wieder
zurücknehmen und den Kaufpreis zurückerstatten. Es
sind in der letzten Zeit übrigens verschiedene Menzel
im Handel aufgetaucht, wie so überhaupt bei der ge-
genwärtig grossen Nachfrage nach Altertümern mehr
denn je Imitationen in den Handel gebracht werden.
Oft genug werden die tüchtigsten Kenner getäuscht;
denn es gibt der gefälschten und verfälschten Alter-
tümer eine Menge, bei denen gar nicht festzustellen,
ob alt oder neu, ob echt oder unecht. Die Kunstge-
lehrten wollen dies zwar nicht zugeben, aber gerade
sie mit ihrer oft zu idealen Weltanschauung sind am
leichtesten zu täuschen. Beispiele dafür gibt es in
Menge.
Das Fälschen und Verfälschen von Altertümern
ist eigentlich sehr einfach. Wenn von geschickter
Hand ein Gegenstand genau nach dem Vorbild einer
gewissen Zeitepoche aus altem Material bei richtiger
Beobachtung der alten Arbeitsmethode hergestellt wird,
lässt sich eben nicht mit Bestimmtheit sagen, ob das
Stück gestern oder z. B. in der Zeit der Frühgotik
gefertigt wurde, denn das Material ist alt und die Ver-
arbeitung entspricht der Zeit. Derartige Fälschungen
sind hauptsächlich bei Holzgegenständen üblich. Der
Altertümerschreiner, häufiger der Altertümerhändler,
kauft irgendwo im bayerischen Algäu oder in Tirol
altes Holz (Stubenvertäfelungen, Holzplafonds, ja Dach-
stuhlgebälk und dergleichen), bringt es in die Werk-
stätte des kunstverständigen Altertumsschreiners, wo
es fachgemäss zu alten Möbelstücken, hauptsächlich
zu gotischen, weil sich bei dieser Stilarbeit die Fäl-
schung am besten rentiert, verarbeitet wird. Aus der
.gotischen Zeit sind nur ganz wenig echte Möbelstücke
vorhanden, und doch sieht man massenhaft solche
Möbel in Privatbesitz. Das Sammeln von Altertümern
ist eben heute zur Mode geworden, wer Geld hat und
gesellschaftlich als vollwertig eingeschätzt werden will,
sammelt, während früher hauptsächlich Kunstfreunde
und Kunstkenner sammelten. Durch solche Verhältnisse
macht sich ein Warenmangel auf dem Antiquitäten-
markt immer mehr fühlbar, und dieser Warenmangel
ruft die bedauerlichsten Wirkungen hervor, die hohen
Preise für Altertümer, die Raubzüge der Händler nach
Altertümern durchs Land bis in die entlegensten Ein-
ödhöfe, das Fälschen und Verfälschen von Alter-
tümern usw.
Beim Fälschen von Altertümern werden die ver-
schiedensten Kniffe angewendet. So ist es gar nicht
selten, dass aus einer Figur zwei gemacht werden.
Man durchsägt, möglichst diagonal, eine alte Figur
und schnitzt zu jeder der beiden Hälften das notwen-
dige Ersatzstück. Auch kommt es häufig vor, dass
der Kopf einer Originalfigur abgesägt und ein neuer,
nachgebildeter Kopf aufgesetzt wird. Zu dem auf
solche Weise gewonnenen alten Kopfe wird dann ein
neuer Leib aus altem, mit Vogeldunst beschossenem
Holze gefertigt und dadurch selbst gewiegte Kenner
getäuscht. Oft werden alte, schöne Holzfiguren zum
Kopieren ausgebeten und dann einfach die täuschend
ähnliche Kopie statt dem Original zurückgegeben.
Ein sehr charakteristischer derartiger Fall ist fol-
gender: Ein Würzburger Händler wusste, dass sich in
einer fränkischen Dorfkirche zwei schöne, seltene,
gotische Holzüguren, St. Georg und St. Sebastian, be-
fanden. Gute Kunstkenner hielten die Figuren für
Riemenschneider-Werke. Beide Figuren waren be-
schädigt, hauptsächlich an Händen und Füssen, wie
dies bei alten Figuren meistens der Fall ist. 1907
waren die alten Figuren noch vorhanden. Nach einigen
Jahren zeigten sich die Figuren restauriert. Bei ge-
nauer Besichtigung machte man die Wahrnehmung,
dass es überhaupt nicht mehr die alten Figuren waren,
sondern Kopien. Der Pfarrer, von dieser Wahrneh-
mung verständigt, hatte nur ein überlegenes Lächeln
und erklärte, dass ein Wohltäter der Kirche auf eigene
Kosten die Restaurierung der Figuren veranlasst habe,
die Arbeit hätte dem Wohltäter mehr als 300 Mark
gekostet. Der Beweis, dass der Pfarrer das Opfer
eines geriebenen Schwindlers geworden sei, war leicht
zu führen. Neben anderen untrüglichen Fälschungs-
merkmalen war festzustellen, dass der Bildhauer, wel-
cher die Nachbildung besorgte, einen kleinen Finger,
der am Original abgebrochen gewesen, bei der Nach-
ahmung nicht angestückelt, sondern gleich an die Hand
angeschnitzt hatte. Dasselbe Versehen war bei einem
Ohr zu konstatieren, ganz abgesehen davon, dass statt
Lindenholz, wie es zu den alten Figuren verwendet
wurde, bei den Nachbildungen Nussbaumholz verarbeitet
war. Der „Wohltäter der Kirche", eben jener
Würzburger Händler, war gestorben, konnte also
nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden.
Sehr im Schwange ist seit kurzer Zeit das Fälschen
von Kupferstichen. Auf diese Fälschungen ist man
durch die grosse und deshalb auffallende Menge ge-
wisser Sorten von Stichen gekommen. So sind z. B.
in München die beliebten Kupferstiche des Joh. Elias
Ridinger (1698—1767), des populärsten Tierdarstellers
seiner Zeit, in einer derartigen Anzahl vorhanden, dass
Ridinger mit hundert Händen all diese Jagdstücke,
besonders gehetzte und ruhende Hirsche, Bären- und
Fasanenjagden usw. nicht hätte hersteilen können.
Genau so verhält es sich mit Ridingers geschätzten
radierten und geschabten Blättern, unzählige sind da-
von gegenwärtig im Handel. Man weiss nun zwar,
dass verschiedene Platten von Ridingers Hand heute
noch vorhanden sind und es sich um Neuabzüge auf
altem Papier handelt, aber man weiss auch, dass et-
liche Platten nachgemacht wurden. Das Fälschen der
Stiche ist für einen tüchtigen Künstler übrigens keine
besonders schwierige Sache. Man nimmt altes Papier
(in alten Büchern und Akten ist solches in grosser
Menge aus allen Zeiten und in allen Formaten vorhan-
den) und macht von den alten Stein-, Zink- und Kupfer-
platten, falls sie vorhanden, nach Belieben Abdrücke.
Sind die alten Platten nicht vorhanden, so lässt man
sie, mit Signatur des Stechers und mit Jahreszahl ver-
sehen, nachmachen.
Sehr viel gefälscht werden in letzter Zeit auch
Elfenbein- und Pergament-Miniaturmalereien. Die Fa-
briken, welche sich nur mit Herstellung von solchen
„Altertümern" befassen, sind zahlreich, besonders in
Holland und Belgien, wo auch massenhaft „alte" Por-
zellangegenstände und Möbelstücke fabriziert werden.
Hier müssen auch die Zinngegenstände erwähnt werden,
welche, weil beliebt und viel gesucht werden, eben-
falls massenhaft gefälscht werden; wir haben sogar in
Bayern eine Fabrik, die vorzügliche Zinngegenstände
nachmacht, die zwar nicht durch die Fabrik selbst,
wohl aber durch Händler für alt verkauft werden.
Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).