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Deutscher Museumsbund [Mitarb.]
Museumskunde: Fachzeitschrift für die Museumswelt — 3.1907

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Moes, Ernst Wilhelm: Die Ordnung der Handzeichnungssammlung im Amsterdamer Kupferstichkabinett
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https://doi.org/10.11588/diglit.70258#0076

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68 Moes, Die Ordnung der Handzeichnungssammlung im Amsterdamer Kupferstichkabinett

führen, sicher ist. Auch ich zögerte, einen Anfang zu machen, als ich zu der
Ansicht kam, daß Handzeichnungen dieselben Anforderungen stellen wie Stiche.
Aber da die Zahl der Handzeichnungen doch immer bedeutend geringer ist als
die der Stiche, konnte doch ein Versuch gemacht werden.
Es kam für mich noch etwas hinzu. Öfters hatte ich Gelegenheit, Forschern
und Kunstfreunden unsere Sammlung von Handzeichnungen zu zeigen. Was stellte
sich aber dabei heraus? Wollte einer die Werke eines bestimmten Meisters sehen
dann war ja alles ganz leicht. Aber da kamen Fragen wie »Was haben Sie von
Handzeichnungen aus dem Zeitalter der Renaissance?« oder »Ich interessiere mich
speziell für Handzeichnungen der Meister des Rokoko«. Da mußte ich schon
mein Gedächtnis zu Rate ziehen, und trotz der größten Bereitwilligkeit war es
nicht zu vermeiden, daß manches wichtige Blatt vergessen in den Mappen blieb.
Noch weit schlimmer aber waren die Folgen für den Kunstfreund, der es wagte,
die ganze Sammlung durchzusehen. Unsere Sammlung ist neueren Ursprungs und
verhältnismäßig nur klein. Dennoch zeigt das Inventar über 4000 Blätter. Diese
mußten also alle durchgemustert werden. Und da die Zeit eines Reisenden bekannt-
lich immer beschränkt ist, blieb sogar der Tapferste irgendwo im Alphabet stecken.
Müssen denn die armen Künstler für die Ungeschicklichkeit, daß ihre Namen mit
einem V oder W anfangen, so büßen, daß ihre Arbeiten unbeachtet in den Mappen
liegen bleiben, während ein M wenigstens noch die Möglichkeit hat an die Reihe
zu kommen, und ein A sogar das Vorrecht, immer mit besonderer Andacht
studiert zu werden?
Bei den Handzeichnungen schien mir eine Änderung in der oben angedeu-
teten Weise, wenn sie überhaupt durchführbar ist, sehr angemessen zu sein, und
ich machte den Versuch, erst auf Papier, nachher in Wirklichkeit. Da ich es
wage zu glauben, daß mir mein Versuch gelungen ist, möchte ich Näheres hier-
über an dieser Stelle mitteilen.
Als erste Bedingung stellte ich voran, daß alle zeitlichen Marksteine völlig
beseitigt werden sollten. Nachdem also die Sammlung nach Nationalitäten getrennt
war, sollte von jeder Schule die Entwicklung von Anfang bis zum Ende gezeigt werden.
Es galt nun für jeden Künstler ein bestimmtes Jahr anzunehmen. Bei dessen
Berechnung bin ich von der Erwägung ausgegangen, daß die meisten Künstler
nicht vor ihrem zwanzigsten Jahre ausübend gewirkt haben. Es mußte also die
mittlere Zeit berechnet werden zwischen dem zwanzigsten Lebensjahre und dem
Ableben. Goltzius z. B. ist geboren 1558 und starb 1616. Die mittlere Zahl zwischen
1578 und 1616 ist 1597. Dieses Jahr nahm ich mithin für diesen gewaltigen
Zeichner an. Wo die Differenz zwischen dem zwanzigsten und dem Todesjahr
eine ungerade Zahl ergab, die mittlere Zeit also zwischen zwei Jahren lag, wählte
ich das frühere Jahr, was mir in Betracht von etwa doch vorhandenen ganz frühen
Arbeiten angemessener schien als das umgekehrte Vorgehen.
 
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