Niederländischet Einfluß auf Nassau um 1600
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verbinden, möglichst in eine Einigung mit den schwächern Ständen, nament*
lieh mit dem Reichsgrafenstande zu bringen, dessen Förderung ihm gleich*
falls sehr am Herzen lag. Es konnte nicht ausbleiben, daß infolge dieser
engeren Berührung mit einem Lande, in dem andere politische Anschau*
ungen vertreten wurden als in der Umgebung des Grafen Johann, in dem
eine höhere Kultur, ein regeres wirtschaftliches Leben erblüht war, als es
in Mitteldeutschland der Fall war, in dem infolge der dauernden Kämpfe
die Kriegskunst die der benachbarten Länder überflügelte, in dem andere
religiöse Anschauungen als in den deutschen lutherischen Landeskirchen
die Gemüter erfüllten, der Bruder Oraniens in mannigfacher Weise beein*
flußt wurde, und es war natürlich, daß er sich bestrebte, die erkannten
Vorzüge seinem eigenen Lande und seinen Freunden zugute kommen zu lassen.
So übernahm der Graf die Aufgabe, jenen bedeutenden Einfluß, den
die kulturell die übrigen deutschen Landschaften überragenden burgundischen
Lande seit Jahrhunderten auf Westdeutschland ausgeübt hatten, weiterhin zu
vermitteln. Von diesem Gebiete an der Mündung des Rheins aus war durch
die kriegerischen Vorstöße des Frankenkönigs Chlodwig und seiner
Nachfolger gegen die germanischen Stämme zu beiden Seiten des Rheins
und weiter nach Osten, nach Thüringen und Bayern hin, der Zusammenschluß
der ohne Verbindung nebeneinander stehenden Stammeseinheiten zu einem
fester gefaßten Verbände erfolgt. Sein Entstehen lag zwar im Zuge der Ent*
wicklung, aber ohne den ausgeübten Zwang wäre die Einigung wohl erst
Jahrhunderte später erfolgt. Die Schöpfung Chlodwigs wurde von Karl
dem Großen zur Höhe geführt, und das Wirken dieses großen, auch zum
niederländischen Kulturkreis gehörigen Herrschers ist in mancher Beziehung
für das mitteldeutsche Gebiet von besonderer Bedeutung geworden. Daß auch
beim Niedergang der karolingischen Macht ihr Stammland noch maßgebenden
Einfluß ausübte, zeigt die Erscheinung, daß die gemeinsame Bezeichnung der
im Römischen Reiche zusammengefaßten germanischen Stämme im Norden,
am Niederrhein, aufgekommen und von dort auf alle Völkerschaften über*
tragen worden ist, „soweit die deutsche Zunge klingt“.
Als im hohen Mittelalter auf westfränkischem Boden eine hohe Blüte
der Dichtkunst sich entwickelt hatte, da ist es ein aus der niederrheini*
sehen Grafschaft Limburg gebürtiger Ritter, Heinrich von Veldecke, der
„das erste Reis in deutscher Zunge impfte“ nach den Worten Gottfrieds von
Straßburg. Durch sein Wirken wurden die Dichtungsgattungen des höfischen
Epos und des Minnegesangs an den deutschen Höfen heimisch, und die erste
Blütezeit der deutschen Literatur brach an. War diese literarische Bewegung
im wesentlichen eine Angelegenheit der vornehmen Gesellschaft, so drang
ziemlich gleichzeitig unter dem Volke eine religiöse Laienbewegung,
die devotio moderna, nach Süden vor, die in ihren Idealen der des Franz
von Assisi verwandt war. Fand diese besonders unter der Männerwelt An*
bänger, so wirkte die in den Beginen* und Süsternhäusern gepflegte Frömmig*
keit mehr auf die Herzen der Frauen ein, deren soziale Sicherstellung zu*
gleich durch den Eintritt in diese halbklösterlichen Gemeinschaften in jener
Zeit des Frauenüberflusses ermöglicht wurde.
Wurde hier geistiges Gut von der Grenze nach dem Innern des Reiches •
gebracht, so zogen aus dem übervölkerten Lande Scharen kräftiger Männer,
an die das Lied erinnert:
„Naar Oostland wellen wij vaeren
Wei over de groene zee . .
nach den dünn besiedelten Gegenden jenseits der Elbe, Schlesien, Preußen,
Brandenburg und halfen sie dem Deutschtum gewinnen. Aus den volk*
reichen Städten kamen Handwerker, besonders Friesen, nach unserer
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verbinden, möglichst in eine Einigung mit den schwächern Ständen, nament*
lieh mit dem Reichsgrafenstande zu bringen, dessen Förderung ihm gleich*
falls sehr am Herzen lag. Es konnte nicht ausbleiben, daß infolge dieser
engeren Berührung mit einem Lande, in dem andere politische Anschau*
ungen vertreten wurden als in der Umgebung des Grafen Johann, in dem
eine höhere Kultur, ein regeres wirtschaftliches Leben erblüht war, als es
in Mitteldeutschland der Fall war, in dem infolge der dauernden Kämpfe
die Kriegskunst die der benachbarten Länder überflügelte, in dem andere
religiöse Anschauungen als in den deutschen lutherischen Landeskirchen
die Gemüter erfüllten, der Bruder Oraniens in mannigfacher Weise beein*
flußt wurde, und es war natürlich, daß er sich bestrebte, die erkannten
Vorzüge seinem eigenen Lande und seinen Freunden zugute kommen zu lassen.
So übernahm der Graf die Aufgabe, jenen bedeutenden Einfluß, den
die kulturell die übrigen deutschen Landschaften überragenden burgundischen
Lande seit Jahrhunderten auf Westdeutschland ausgeübt hatten, weiterhin zu
vermitteln. Von diesem Gebiete an der Mündung des Rheins aus war durch
die kriegerischen Vorstöße des Frankenkönigs Chlodwig und seiner
Nachfolger gegen die germanischen Stämme zu beiden Seiten des Rheins
und weiter nach Osten, nach Thüringen und Bayern hin, der Zusammenschluß
der ohne Verbindung nebeneinander stehenden Stammeseinheiten zu einem
fester gefaßten Verbände erfolgt. Sein Entstehen lag zwar im Zuge der Ent*
wicklung, aber ohne den ausgeübten Zwang wäre die Einigung wohl erst
Jahrhunderte später erfolgt. Die Schöpfung Chlodwigs wurde von Karl
dem Großen zur Höhe geführt, und das Wirken dieses großen, auch zum
niederländischen Kulturkreis gehörigen Herrschers ist in mancher Beziehung
für das mitteldeutsche Gebiet von besonderer Bedeutung geworden. Daß auch
beim Niedergang der karolingischen Macht ihr Stammland noch maßgebenden
Einfluß ausübte, zeigt die Erscheinung, daß die gemeinsame Bezeichnung der
im Römischen Reiche zusammengefaßten germanischen Stämme im Norden,
am Niederrhein, aufgekommen und von dort auf alle Völkerschaften über*
tragen worden ist, „soweit die deutsche Zunge klingt“.
Als im hohen Mittelalter auf westfränkischem Boden eine hohe Blüte
der Dichtkunst sich entwickelt hatte, da ist es ein aus der niederrheini*
sehen Grafschaft Limburg gebürtiger Ritter, Heinrich von Veldecke, der
„das erste Reis in deutscher Zunge impfte“ nach den Worten Gottfrieds von
Straßburg. Durch sein Wirken wurden die Dichtungsgattungen des höfischen
Epos und des Minnegesangs an den deutschen Höfen heimisch, und die erste
Blütezeit der deutschen Literatur brach an. War diese literarische Bewegung
im wesentlichen eine Angelegenheit der vornehmen Gesellschaft, so drang
ziemlich gleichzeitig unter dem Volke eine religiöse Laienbewegung,
die devotio moderna, nach Süden vor, die in ihren Idealen der des Franz
von Assisi verwandt war. Fand diese besonders unter der Männerwelt An*
bänger, so wirkte die in den Beginen* und Süsternhäusern gepflegte Frömmig*
keit mehr auf die Herzen der Frauen ein, deren soziale Sicherstellung zu*
gleich durch den Eintritt in diese halbklösterlichen Gemeinschaften in jener
Zeit des Frauenüberflusses ermöglicht wurde.
Wurde hier geistiges Gut von der Grenze nach dem Innern des Reiches •
gebracht, so zogen aus dem übervölkerten Lande Scharen kräftiger Männer,
an die das Lied erinnert:
„Naar Oostland wellen wij vaeren
Wei over de groene zee . .
nach den dünn besiedelten Gegenden jenseits der Elbe, Schlesien, Preußen,
Brandenburg und halfen sie dem Deutschtum gewinnen. Aus den volk*
reichen Städten kamen Handwerker, besonders Friesen, nach unserer