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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 63.1952

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Siegel- und Wappenstudien
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Brockhusen, Hans Joachim von: Die Balken von Mainz und das Rad von Aschaffenburg: ein politischer Dualismus im Wappenbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.62672#0284
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Siegel- und Wappenstudien

keineswegs, das „boumlant" = Baumland, nach dem sie heißen, darzustellen,
sondern nehmen kurzerhand dafür „boln" = rollen (Partizip: „bolent" = rol-
lend), ebenso die von Erolzheim bei Bonlanden (Kr. Biberach, Württbg. ; Abb. 41),
die Boll (Utrecht; Abb. 42) und die von (Hohen-) Syburg (Westf.; Abb. 43) nahe
bei Boele (früher „Bole"). Die von Tuslingen (Schwaben; Abb. 44) denken an
„tusen" = tosen, sausen, die von Jagow (Brandenburg; Abb. 45) an „jage" =
Eile, während das von Schäfer herangezogene Rad der ungarischen Stadt Nagy
Szombat, im Siegel „zum Bothel" genannt, offenbar auf die dritte Namensform
Tyrnau wegen „turnei" (franz, „tournoi") = Drehung anspielt. Das „Goldene
Rad" im Dom zu Fulda war jedoch einzig dem Gottesdienste gewidmet und kein
Hinweis auf Mainz, gegen das die Abtei Fulda gerade immer wieder um ihre
Selbständigkeit ringen mußte.
Allerdings scheint es bei der Frage nach Geschichte und Sinn der Mainzer
Abzeichen mißlich, daß die geistlichen Fürsten und Körperschaften gleich vielen
Städten das beim militärischen Aufgebot seit dem 12./13. Jahrhundert schlecht-
hin unentbehrliche und deshalb sicher vorhandene Wappen oft erst spät oder
überhaupt nicht in ihre Siegel setzen, für die reichere Ausdrucksmittel er-
wünscht waren. Der erste urkundliche Beleg kann deshalb nicht beweisen, daß
zuvor kein Wappen da war9). Immerhin erklärt Bischof Otto von Passau 1259,
er habe dem Siegel hinten das Sekret seiner Kirche aufprägen lassen, das einen
Wolf im Schilde zeige 10). Dies wie bei zahlreichen kirchlichen Anstalten rein
weltlich gedachte Bild dürften die Stiftsmannen wohl als Namenszeichen des
Bischofs Wolfger, 1191-—1204, aus der Taufe gehoben und weiterhin beibehalten
haben, als sich die Umwelt daran gewöhnt hatte.
Das Erzstift Mainz jedoch muß schon vor dem Rad in Fahne und Schild ein
Muster von weißen und roten Balken geführt haben; denn nicht nur das Dom-
kapitel, die eigentliche Regierung, worauf ich erst am Ende eingehen kann,
sondern auch verschiedene mainzische Vasallen und Ministerialen in ansehnlicher
Stellung haben ihr Wappen ganz oder teilweise in diesen Farben oder vereinzelt
auch gelb-rot gestreift und damit bewußt ein gemeinsames Merkmal geschaffen.
Wohl die ersten Träger dieses Bildes sind die Grafen von Loos und Rieneck
(Abb. 3), seit 1107 Burggrafen zu Mainz, 1168 Erbtruchsesse, 1187 Vögte zu
Aschaffenburg und nach Verlust des Burggrafenamtes seit 1258 Erzkämmerer.
Da 1222 fast der gleiche Schild, siebenmal geteilt von Rot und Weiß, bei den
Königen von Ungarn erscheint11), gewinnt damit die umstrittene Ehe des
Arpaden Almos, Fürsten in Kroatien, um 1090 mit einer Sophie, Tante des ersten
Burggrafen Arnold, eine gewisse Stütze 12), obwohl sie etwa 40 Jahre vor dem
ersten Auftreten der Wappen geschlossen wurde. Anscheinend übernahm man
auch nachträglich gern das Schildzeichen von geschätzten Verwandten weib-
licher Linie. Ähnlich dürfen wir vermuten, daß Sigebodo Graf von Schauenburg
(bei Hoof, Kr. Kassel), 1141—1163, eine Tochter Arnolds geheiratet hat, da
schon sein Großvater Adalbert I. 1109 Zeuge bei Erzbischof Ruthard von Mainz
ist, er selbst aber einen Sohn Arnold und einen Enkel Ludwig hat, ferner sein
Urenkel Adalbert VI. als Graf von Wallenstein (Kr. Homberg/Efze) wenigstens
1268 mit einem weiß-rot gepfählten Schild, einer um 90 Grad gedrehten Variante
des Rieneckischen, siegelt und vollends dessen Nachkommen auch die spätere
Rienecker Helmzier, den wachsenden Schwan mit ausgebreiteten Schwingen,

9) Vgl. das Beispiel von Erfurt (Nass. Ann. LXII 99).

10) Umschrift: SECRETVM ECCLESIE. G. A. Seyler, Gesch. der Siegel 1894 S. 129.

n) W. Merz u. F. Hegi, Die Wappenrolle von Zürich, 1927 ff. Nr. 26. Der Schild nicht erst 1233
im Siegel.

12) E. Brandenburg, Die Nachkommen Karls d. Gr., 1935, Taf. 30 Gen. XI Nr. 161; ebenso:
Johs. Meyer (Famgesch. Blätter, 1935 Sp. 88). Dagegen kennen W. Möller, Stammtafeln
westdt. Adelsgeschlechter im Mittelalter II 1933 Taf. XLVIII, W. K. Prinz zu Isenburg,
Stammt., z. Gesch. der europ. Staaten II 1936 Taf. 104, und Bälint Homan, Gesch. des ungar.
Mittelalters I 1940 S. 377, diese Heirat nicht. Isenburg und Homan erwähnen nur eine Ehe des
Almos von 1104 mit Predslawa, Tochter des Großfürsten Swatopolk II. von Kiew.
 
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