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Siegel- und Wappenstudien
sischen Grafen Werner IV. mit entsprechender Befugnis verliehen hatte, von
dem es 1121 an Graf Giso und schon 1122 an dessen Schwiegersohn Ludwig I.
von Thüringen gefallen sein könnte. Beim Tode des Königs Heinrich Raspe IV.
sank mit ihm 1247 der alt-thüringische Ständerschild endgültig ins Grab, während
sein Schwestersohn, Heinrich der Erlauchte Markgraf von Meißen, mit dem Land-
grafentitel auch den Löwen und die Ringfahne ungesäumt aufgriff24) und als
Vormund Heinrichs des Kindes von Hessen 1254 eine zunächst provisorisch ge-
dachte Belehnung mit heimgefallenen Besitzungen in Thüringen selbst sowie dem
Marschallamt erreichte, das ja sein Mündel noch nicht ausüben konnte. Als ding-
liche Widerlage mag der Wettiner für diese nun von Hessen geschiedene Würde
400 Hufen zwischen Allendorf und Eckartsberga an Mainz aufgetragen haben.
Sein Sohn Albrecht der Entartete jedoch verkaufte diese Grundstücke mit allen
mainzischen Lehen gegen Wissen und Willen des Erzbischofs Gerhard 1294 an
König Adolf von Nassau, als er mit ihm den schmählichen Handel über Thüringen
abschloß 25), und es dürfte recht wahrscheinlich sein, daß diese Felonie ihn das
Marschallamt kostete. Da andererseits Heinrich I. von Hessen, der nach Albrechts
Vorgang von 1266 26) ebenfalls 1269 27) im Reitersiegel den bunten Löwen und den
Hörnerhelm mit Blätterstäben als Erbe der Ludewinge trug und 1292 durch
König Adolf als Landgraf in den Reichsfürstenstand erhoben war, in jenen
Jahren mit Gerhard von Eppstein in gutem Einvernehmen stand und gerade 1294
eine Tochter mit dessen Neffen vermählte 28), so ist die Möglichkeit nicht von der
Hand zu weisen, daß Hessen damals den Mainzer Marschallstitel zurückgewonnen
hat, wenn auch davon erst 1347 in einer Sühne über das seit dem Tode Landgraf
Johanns 1311 umstrittene Niederhessen die Rede ist 29). Während das hochrecht-
eckige Löwenbanner der Landgrafen um 1216 erwähnt wird und 1234 im Thron-
siegel Konrads erscheint, das dem kaiserlichen nachgeprägt und selbst Vorbild
für das Stadtsiegel von Alsfeld wurde, ist die an sich ältere Fahne nur mit den
rot-weißen Streifen entsprechend der mainzischen 1225 auf dem Reitersiegel von
Kassel, später auch in Grünberg und Alsfeld zu erkennen. Wegen der schmalen
Form des Tuches stehen die Balken dort regelmäßig parallel zur Stange wie auch
sonst z. B. der Adler darin quer mit dem Kopf voran auftritt. Bisweilen sind
unter den Ludewingen die Zeichen der beiden beherrschten Lande derart vereint,
daß jeweils zwischen den roten mainzisch-hessischen Balken in Weiß eine Reihe
der roten thüringischen Ringe eingeschoben ist.
Bei den Grafen von Everstein (Kr. Holzminden; Abb. 4) ist Konrad I. schon
1123 erster Laienzeuge bei Erzbischof Adalbert I. auf der Feste Rusteberg im
Eichsfeld, wo seinen Nachkommen 1239 das Erbburggrafenamt bestätigt wird.
Neben dem Stammwappen, einem gekrönten weißen Löwen in Blau, ist der Schild
mit dem Adler wegen des Leitnamens Adalbert-Albrecht und den rot-weißen
Binden als dem Mainzer Fahnenbild wohl schon vor 1217 als Ausdruck des Burg-
graftums angenommen worden 3°).
24) 0. Posse, Die Siegel der Wettiner u. der Landgrafen v. Thüringen I 1888 Taf. III Nr. 6,
falsch „1231" statt 1251.
25) V. Samanek, Die Regesten des Kaiserreiches 1273—1313, 2. Abt. (J. F. Böhmer, Regesta
Imperii VI 1948) Nr. 395, berichtigt zwar das Jahr zu E. Vogt, Reg. d. Erzb. v. Mainz I Nr. 857,
läßt aber dafür den wesentlichen Zusatz bei den 400 Hufen: „.. die der Landgraf als Mainzer
Marschall innehat", aus dem Einspruch Gerhards fort.
26) Posse, Siegel der Wettiner I Taf. IV Nr. 4.
27) Staatsarch. Marburg, Dep. Kloster Haina, 1269 Juli 4.
28) 0. Grotefend u. F. Rosenfeld, Regesten der Landgrafen v. Hessen I 1929 (Veröff. der
Histor. Komm. f. Hessen u. Waldeck VI) Nr. 345.
29) H. Otto, Regesten der Erzbischöfe v. Mainz, 1. Abt. II 1935 Nr. 6162.
30) In Siegeln für Abb. 5, 6 u. 10 bei den Balken schräge Gitterung belegt, wahrscheinlich für Rot;
vgl. W. Möller, Farbenangaben in Siegeln des 13. Jh. (Nass. Ann. LXI 1950, 106—114). Posse,
Siegel des Adels III 24, gibt v. Ledeburs Hinweis auf den Schild von Anhalt wieder, der nicht zu-
treffen kann, da 2 Vettern, Enkel des Burggrafen Albert III., dies Wappen führen, das Albert
demnach schon besessen haben muß.
Siegel- und Wappenstudien
sischen Grafen Werner IV. mit entsprechender Befugnis verliehen hatte, von
dem es 1121 an Graf Giso und schon 1122 an dessen Schwiegersohn Ludwig I.
von Thüringen gefallen sein könnte. Beim Tode des Königs Heinrich Raspe IV.
sank mit ihm 1247 der alt-thüringische Ständerschild endgültig ins Grab, während
sein Schwestersohn, Heinrich der Erlauchte Markgraf von Meißen, mit dem Land-
grafentitel auch den Löwen und die Ringfahne ungesäumt aufgriff24) und als
Vormund Heinrichs des Kindes von Hessen 1254 eine zunächst provisorisch ge-
dachte Belehnung mit heimgefallenen Besitzungen in Thüringen selbst sowie dem
Marschallamt erreichte, das ja sein Mündel noch nicht ausüben konnte. Als ding-
liche Widerlage mag der Wettiner für diese nun von Hessen geschiedene Würde
400 Hufen zwischen Allendorf und Eckartsberga an Mainz aufgetragen haben.
Sein Sohn Albrecht der Entartete jedoch verkaufte diese Grundstücke mit allen
mainzischen Lehen gegen Wissen und Willen des Erzbischofs Gerhard 1294 an
König Adolf von Nassau, als er mit ihm den schmählichen Handel über Thüringen
abschloß 25), und es dürfte recht wahrscheinlich sein, daß diese Felonie ihn das
Marschallamt kostete. Da andererseits Heinrich I. von Hessen, der nach Albrechts
Vorgang von 1266 26) ebenfalls 1269 27) im Reitersiegel den bunten Löwen und den
Hörnerhelm mit Blätterstäben als Erbe der Ludewinge trug und 1292 durch
König Adolf als Landgraf in den Reichsfürstenstand erhoben war, in jenen
Jahren mit Gerhard von Eppstein in gutem Einvernehmen stand und gerade 1294
eine Tochter mit dessen Neffen vermählte 28), so ist die Möglichkeit nicht von der
Hand zu weisen, daß Hessen damals den Mainzer Marschallstitel zurückgewonnen
hat, wenn auch davon erst 1347 in einer Sühne über das seit dem Tode Landgraf
Johanns 1311 umstrittene Niederhessen die Rede ist 29). Während das hochrecht-
eckige Löwenbanner der Landgrafen um 1216 erwähnt wird und 1234 im Thron-
siegel Konrads erscheint, das dem kaiserlichen nachgeprägt und selbst Vorbild
für das Stadtsiegel von Alsfeld wurde, ist die an sich ältere Fahne nur mit den
rot-weißen Streifen entsprechend der mainzischen 1225 auf dem Reitersiegel von
Kassel, später auch in Grünberg und Alsfeld zu erkennen. Wegen der schmalen
Form des Tuches stehen die Balken dort regelmäßig parallel zur Stange wie auch
sonst z. B. der Adler darin quer mit dem Kopf voran auftritt. Bisweilen sind
unter den Ludewingen die Zeichen der beiden beherrschten Lande derart vereint,
daß jeweils zwischen den roten mainzisch-hessischen Balken in Weiß eine Reihe
der roten thüringischen Ringe eingeschoben ist.
Bei den Grafen von Everstein (Kr. Holzminden; Abb. 4) ist Konrad I. schon
1123 erster Laienzeuge bei Erzbischof Adalbert I. auf der Feste Rusteberg im
Eichsfeld, wo seinen Nachkommen 1239 das Erbburggrafenamt bestätigt wird.
Neben dem Stammwappen, einem gekrönten weißen Löwen in Blau, ist der Schild
mit dem Adler wegen des Leitnamens Adalbert-Albrecht und den rot-weißen
Binden als dem Mainzer Fahnenbild wohl schon vor 1217 als Ausdruck des Burg-
graftums angenommen worden 3°).
24) 0. Posse, Die Siegel der Wettiner u. der Landgrafen v. Thüringen I 1888 Taf. III Nr. 6,
falsch „1231" statt 1251.
25) V. Samanek, Die Regesten des Kaiserreiches 1273—1313, 2. Abt. (J. F. Böhmer, Regesta
Imperii VI 1948) Nr. 395, berichtigt zwar das Jahr zu E. Vogt, Reg. d. Erzb. v. Mainz I Nr. 857,
läßt aber dafür den wesentlichen Zusatz bei den 400 Hufen: „.. die der Landgraf als Mainzer
Marschall innehat", aus dem Einspruch Gerhards fort.
26) Posse, Siegel der Wettiner I Taf. IV Nr. 4.
27) Staatsarch. Marburg, Dep. Kloster Haina, 1269 Juli 4.
28) 0. Grotefend u. F. Rosenfeld, Regesten der Landgrafen v. Hessen I 1929 (Veröff. der
Histor. Komm. f. Hessen u. Waldeck VI) Nr. 345.
29) H. Otto, Regesten der Erzbischöfe v. Mainz, 1. Abt. II 1935 Nr. 6162.
30) In Siegeln für Abb. 5, 6 u. 10 bei den Balken schräge Gitterung belegt, wahrscheinlich für Rot;
vgl. W. Möller, Farbenangaben in Siegeln des 13. Jh. (Nass. Ann. LXI 1950, 106—114). Posse,
Siegel des Adels III 24, gibt v. Ledeburs Hinweis auf den Schild von Anhalt wieder, der nicht zu-
treffen kann, da 2 Vettern, Enkel des Burggrafen Albert III., dies Wappen führen, das Albert
demnach schon besessen haben muß.