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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 63.1952

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Siegel- und Wappenstudien
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Brockhusen, Hans Joachim von: Die Balken von Mainz und das Rad von Aschaffenburg: ein politischer Dualismus im Wappenbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.62672#0287
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v. Brockhusen, Die Balken von Mainz und das Rad von Aschaffenburg

271

Die Grafen von Wartburg und Brandenberg an der Werra verkörpern in
ihrem Wappen (Abb. 6) den Vornamen Albert durch den Doppeladler, der hier
aus den mainzischen Streifen wächst. Gottfried, 1143—1152, war Mainzer Burg-
graf zu Amöneburg (Kr. Marburg), sein Bruder Wigger, 1137—1155, wohl schon
1146, sicher 1151 Burggraf auf der Harburg bei Worbis im Eichsfeld. Daher tritt
seit 1227 unter Wiggers Urenkeln dies vererbte Wappen im Siegel auf. Eine
Tochter Gottfrieds scheint Rudolf I. Grafen von Reichenbach (später Ziegenhain)
geheiratet zu haben, da dessen einer Sohn Gottfried I. heißt, Boppo, der andere,
aber um 1166 ebenfalls Burggraf zu Amöneburg ist.
Friedrich I. Graf von Beichlingen ist 1146 hinter den Grafen von Gleichen und
dem eben erwähnten Wigger von Wartburg erzbischöflicher Zeuge, da er als Herr
zu Worbis, das über Thüringen später an Mainz fiel, Nachbar der mainzischen
Harburg war. Sein Sohn Reinbod ist Vasall des Erzbischofs Christian, während
dessen Großneffe Friedrich IV. mit Erzbischof Gerhard 1256 gefangen wird.
Infolgedessen nimmt es kaum Wunder, wenn neben dem königlichen Adler wegen
der Pfalzen Rothenburg und Kyffhausen bei diesen Grafen auch ein vierfach rot-
weiß quergestreifter Schild vorkommt, der offenbar die Mainzer Beziehungen
kennzeichnet.
1148 ist Graf Sigebodo von Scharzfeld am Harz Zeuge bei Erzbischof Hein-
rich I., zusammen mit Landgraf Ludwig, Graf Ernst von Gleichen, Graf Fried-
rich von Beichlingen und Graf Gottfried von Amöneburg und dessen Bruder
Wigger. Seine Nachkommen, die Grafen von Scharzfeld und Lauterberg, sind
weiterhin Mainzer Lehensträger und Amtleute auf dem Eichsfeld. Daher sind
unschwer die Balken unter ihrem Löwen im Siegel von 1209 mit Posse als ur-
sprüngliches Wappen zu verstehen 31) und dürfen von Mainz abgeleitet werden.
Der bunte Adler des Gerichts Vieselbach (Kr. Weimar; Abb. 8) scheint auf
die Grafen von Gleichen, seit 1120 mainzische Vögte und Burggrafen von Erfurt,
zurückzugehen, obwohl aus Siegeln nur ihr Stammwappen, in Blau ein her-
schauender gekrönter Löwe, nachzuweisen ist32). 1283 verkaufte nämlich Al-
bert II. genannt von Gleichenstein seine Hoheitsrechte an die Stadt, 1296 sein
Sohn Heinrich II. ferner Burg und Gericht Vieselbach. Der „Aar" dürfte hier auf
Erfurt anspielen, obgleich es vordem „Erphesfurt" nach einem Erpo (Eberhard)
hieß, während die rot-weißen Streifen der Mainzer Fahne entsprechen. Da die
Vogtei zuletzt inhaltslos war, nahm die Stadt das Wappen im 14. Jahrhundert
für Vieselbach in Gebrauch, zumal es als „visselvecli" (vielbunt), ähnlich dem
Ortsnamen, gelten konnte und obendrein zu dem gleichfarbigen Löwen des Land-
grafen paßte, der dort Oberlehensherr war (vgl. Abb. 4).
1123 ist Dietrich von Apolda, mainzischer Dienstmann, als Zeuge in Erfurt
genannt. Seine Nachkommen (jetzt: Vitztum von Eckstädt) sind seit 1162 gene-
rationenlang Vitztume in Erfurt, ferner 1184 Kämmerer, 1192 Schenken und 1207
Truchsessen in erzbischöflichen Diensten. Neben dem Apfel ihres Stammsitzes
trugen sie daher wegen ihres Amtes 33) die Mainzer Balken und zwar als senk-
rechte Pfähle (Abb. 9), wie sie ursprünglich in den Fahnen standen, das Ganze
überdeckt von einem Balken, der recht wohl eine „Furt" (Fahrweg) 34) darstellen
kann wie etwa der einzelne Schrägbalken im Siegel des Heinrich Vitztum von

31) Posse, Siegel des Adels IV 1911, 74.

32) Das angeblich älteste Siegel der Grafen von Gleichen nach Lepsius bei Posse, Siegel des Adels
III Nr. 645, ist tatsächlich identisch mit dem „Panther" des Grafen Friedrich v. Peilstein aus 1208
(Vgl. A. Wyss, Hess. Urkundenbuch III 1899, 475 Nr. 33).

33) Die Vermutung von Posse, Siegel des Adels I 1903, 53, „daß die Wettiner, nach Aufgabe der
Landsberger Pfähle (blau in Gelb), den Schenken von Apolda die Erlaubnis zur Führung derselben
in veränderter Form, durch Auflegen des Balkens, erteilten", ist gegenüber diesen ausgesprochenen
Mainzer Ministerialen nicht zu begründen.

34) Einen derartigen „Balken" haben nämlich die Stifter Münster, vormals „Mimigerneford", und
Herford, ferner die von Bökenförde (Westf.), von Ochsenfurt (Franken) und wegen Frankfurt die
von Praunheim-Sachsenhausen (vgl. Anm. 41 u. 43).
 
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