Vereinsbericht
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8. Prof. Dr. L. Petry, Mainz: Das Rhein-Main-Gebiet im Spiegel seiner Universitäts-
geschichte, mit Lichtbildern (2. Mai).
Mit Beginn des Jahres 1952 fanden die Vorträge wieder im Vortragssaal des Neuen Museums
statt.
Die Arbeitsgemeinschaft trat an 6 Abenden im Staatsarchiv zu Vorträgen mit anschließen-
den Aussprachen zusammen:
1. Dr. H.-G. Böhme, Weilburg, skizzierte, namentlich auf seine Forschungen zur Weil-
burger Gymnasialgeschichte gestützt, „Vierhundert Jahre nassauischer Bildungsgeschichte"
(18. Okt.). Aus Vortrag und Diskussion ergab sich, daß Nassau — trotz seiner territorialen Zer-
splitterung und trotz vielseitig vorhandener Einflüsse, etwa Luthers und Melanchthons, der
Jesuiten, des Franckeschen Pietismus, der Schule Pestalozzis und Friedr. Aug. Wolfs - — eine
eigenständige und in sich geschlossene geistige und pädagogische Provinz entwickelt hat. Die
mustergültige Förderung des Bildungswesens durch das Haus Nassau erfuhr ihre Krönung in der
von Schellenberg und Ibell vorbereiteten Reform von 1817 mit ihrem umfassenden und klarge-
gliederten Schulaufbau, der durch das ihm eigene Simultanitätsprinzip kulturpolitisch nach-
gewirkt hat.
2. Privatdozent Dr. K. Köster, Frankfurt, zeigte die umfassende, bisher noch weithin un-
bekannte Tätigkeit auf, die „Meister Thilmann v. Hachenburg und sein Kreis" (29. Nov.) ent-
faltet hat, und gab damit einen Beitrag zur Glockenkunde des 15. Jh. Die Lichtbilder führten
Form und Verbreitung der Glocken Thilmanns vor und zeigten dann insbesondere die auf den
Glocken angebrachten Pilgerzeichen.
3. Oberregierungsrat R. Ohly behandelte „Das deutsche Münzwesen des Mittelalters"
(10. Jan.). Von dessen Grundlage, der Münzreform Karls d. Gr., ausgehend, schilderte er die Ent-
wicklung unter den einzelnen Kaiserhäusern, den Beginn des Zerfalls infolge der Münzrechtver-
leihungen bis zur restlosen Auflösung der Einheit des deutschen Münzwesens am Ende der
Stauferzeit. Den Abschluß bildete ein von Lichtbildern begleiteter Überblick über die Entwicklung
einiger wichtiger Münztypen des späteren Mittelalters bis zum Aufkommen des Talers, mit dem
numismatisch das Mittelalter schließt.
4. Studienrat Dr. J. Hörle besprach „Die landschaftlichen Grundlagen für die alten Straßen
und Grenzen des vorderen Taunus", indem er die im Vorjahr an der Bleidenstadter Terminei (812)
erprobte Betrachtungsweise (Nass. Ann. 62. Jg. S. 190) auf die benachbarten Grenzbeschrei-
bungen von Schloßborn (1043) und Bierstadt (1221) übertrug. Auch in der Schloßborner Urkunde
suchte er Zusätze, Erweiterungen auszulösen (obere Weil und Lorsbach), während er am Bier-
stadter Zehntbezirk den Rückgang eines ursprünglich größeren Gebietes (Abtrennung von
Kloppenheim und Sonnenberg) zeigte.
5. Staatsarchivrat Dr. W. H. Struck schilderte in einem aus der Mitarbeit am Deutschen
Städtebuch erwachsenen Vortrag „Die Entstehung der Städte in Nassau" (20. März). Er behan-
delte zunächst die einzelnen Gründungen in zeitlicher Folge, faßte sie in näher charakterisierten
Epochen zusammen und wertete dann die Ergebnisse aus (Übersicht über die verliehenen Stadt-
rechte; räumliche Verteilung der gelungenen und mißlungenen Gründungen; Anteil der ver-
schiedenen Territorialherren an den Stadterhebungen; Charakterisierung und Bedeutung der
königlichen Stadtrechtsprivilegien). Es ergab sich daraus, welche ausschlaggebende Bedeutung
die Territorien für die Entstehung der Städte in Nassau besaßen, wobei auch der Einfluß der
benachbarten Reichsstädte nicht ohne Bedeutung war. Aus diesem reizvollen Dualismus und der
Eigenart und Zersplitterung der nassauischen Territorien wurde abschließend die Besonderheit
der Städtegründung dieses Raumes verdeutlicht.
6. Dr. H. Schoppa sprach an Hand von Lichtbildern über „Ein frühchristliches Holz-
kästchen mit Beinbeschlägen aus Weilbach" (8. Mai), das besonders deswegen interessant ist,
weil es den Vorläufer frühmittelalterlicher Reliquienkästchen bildet und sich durch Fundumstände
und Stilvergleich in das 7. Jh. n. Chr. datieren läßt. Die Dekoration des Deckels mit Kreuz und
Spruchband (?) findet sich wieder bei fränkischen Taschenbeschlägen und frühchristlichen
Buchdeckeln. R.
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8. Prof. Dr. L. Petry, Mainz: Das Rhein-Main-Gebiet im Spiegel seiner Universitäts-
geschichte, mit Lichtbildern (2. Mai).
Mit Beginn des Jahres 1952 fanden die Vorträge wieder im Vortragssaal des Neuen Museums
statt.
Die Arbeitsgemeinschaft trat an 6 Abenden im Staatsarchiv zu Vorträgen mit anschließen-
den Aussprachen zusammen:
1. Dr. H.-G. Böhme, Weilburg, skizzierte, namentlich auf seine Forschungen zur Weil-
burger Gymnasialgeschichte gestützt, „Vierhundert Jahre nassauischer Bildungsgeschichte"
(18. Okt.). Aus Vortrag und Diskussion ergab sich, daß Nassau — trotz seiner territorialen Zer-
splitterung und trotz vielseitig vorhandener Einflüsse, etwa Luthers und Melanchthons, der
Jesuiten, des Franckeschen Pietismus, der Schule Pestalozzis und Friedr. Aug. Wolfs - — eine
eigenständige und in sich geschlossene geistige und pädagogische Provinz entwickelt hat. Die
mustergültige Förderung des Bildungswesens durch das Haus Nassau erfuhr ihre Krönung in der
von Schellenberg und Ibell vorbereiteten Reform von 1817 mit ihrem umfassenden und klarge-
gliederten Schulaufbau, der durch das ihm eigene Simultanitätsprinzip kulturpolitisch nach-
gewirkt hat.
2. Privatdozent Dr. K. Köster, Frankfurt, zeigte die umfassende, bisher noch weithin un-
bekannte Tätigkeit auf, die „Meister Thilmann v. Hachenburg und sein Kreis" (29. Nov.) ent-
faltet hat, und gab damit einen Beitrag zur Glockenkunde des 15. Jh. Die Lichtbilder führten
Form und Verbreitung der Glocken Thilmanns vor und zeigten dann insbesondere die auf den
Glocken angebrachten Pilgerzeichen.
3. Oberregierungsrat R. Ohly behandelte „Das deutsche Münzwesen des Mittelalters"
(10. Jan.). Von dessen Grundlage, der Münzreform Karls d. Gr., ausgehend, schilderte er die Ent-
wicklung unter den einzelnen Kaiserhäusern, den Beginn des Zerfalls infolge der Münzrechtver-
leihungen bis zur restlosen Auflösung der Einheit des deutschen Münzwesens am Ende der
Stauferzeit. Den Abschluß bildete ein von Lichtbildern begleiteter Überblick über die Entwicklung
einiger wichtiger Münztypen des späteren Mittelalters bis zum Aufkommen des Talers, mit dem
numismatisch das Mittelalter schließt.
4. Studienrat Dr. J. Hörle besprach „Die landschaftlichen Grundlagen für die alten Straßen
und Grenzen des vorderen Taunus", indem er die im Vorjahr an der Bleidenstadter Terminei (812)
erprobte Betrachtungsweise (Nass. Ann. 62. Jg. S. 190) auf die benachbarten Grenzbeschrei-
bungen von Schloßborn (1043) und Bierstadt (1221) übertrug. Auch in der Schloßborner Urkunde
suchte er Zusätze, Erweiterungen auszulösen (obere Weil und Lorsbach), während er am Bier-
stadter Zehntbezirk den Rückgang eines ursprünglich größeren Gebietes (Abtrennung von
Kloppenheim und Sonnenberg) zeigte.
5. Staatsarchivrat Dr. W. H. Struck schilderte in einem aus der Mitarbeit am Deutschen
Städtebuch erwachsenen Vortrag „Die Entstehung der Städte in Nassau" (20. März). Er behan-
delte zunächst die einzelnen Gründungen in zeitlicher Folge, faßte sie in näher charakterisierten
Epochen zusammen und wertete dann die Ergebnisse aus (Übersicht über die verliehenen Stadt-
rechte; räumliche Verteilung der gelungenen und mißlungenen Gründungen; Anteil der ver-
schiedenen Territorialherren an den Stadterhebungen; Charakterisierung und Bedeutung der
königlichen Stadtrechtsprivilegien). Es ergab sich daraus, welche ausschlaggebende Bedeutung
die Territorien für die Entstehung der Städte in Nassau besaßen, wobei auch der Einfluß der
benachbarten Reichsstädte nicht ohne Bedeutung war. Aus diesem reizvollen Dualismus und der
Eigenart und Zersplitterung der nassauischen Territorien wurde abschließend die Besonderheit
der Städtegründung dieses Raumes verdeutlicht.
6. Dr. H. Schoppa sprach an Hand von Lichtbildern über „Ein frühchristliches Holz-
kästchen mit Beinbeschlägen aus Weilbach" (8. Mai), das besonders deswegen interessant ist,
weil es den Vorläufer frühmittelalterlicher Reliquienkästchen bildet und sich durch Fundumstände
und Stilvergleich in das 7. Jh. n. Chr. datieren läßt. Die Dekoration des Deckels mit Kreuz und
Spruchband (?) findet sich wieder bei fränkischen Taschenbeschlägen und frühchristlichen
Buchdeckeln. R.