Graf Johann VII. Verteidigungsbuch für Nassau-Dillenburg 1595 141
Beispiele aus dem naheliegenden niederländischen Befreiungskriege weisen
nach, daß die Bürgerschaft in den Städten sich selbst gut verteidigt hat, während
sie von den Söldnern vielfach im Stich gelassen wurde. Sogar der Herzog von
Alba mußte von Alkmaar, das sich ohne Hilfe fremder Soldaten gegen ihn zur
Wehr setzte, trotz mehrfacher Stürme unverrichteter Dinge abziehen. Auch der
Überfall des Duc d’Alengon auf Antwerpen wurde allein durch die Bürger abge-
schlagen. Weitere Beispiele erhärten den siegreichen Widerstand der Städte
durch die Bürgerschaft und den Verlust ihrer Freiheit bei Verteidigung durch
Söldnerheere14). Wichtig für die Gesamtkonzeption ist die Einschränkung, die
sofort hinzugefügt wird: „Doch will ich hiermit mitnichten redliche und ehrliche
Soldaten verachtet haben. Dann dies Werk nur allein zu einer geschwinden
Defension und nicht zu einem öffentlichen Krieg gerichtet ist, in welchem man
keineswegs Soldaten und Kriegsvolk entraten kann, sondern dieselben das beste
tun müssen, und können zu solchem Kriegshandel die Untertanen gar übel ge-
brauchet werden“. Schon in diesem Abschnitt sind Prinzipien für die Verteidi-
gung der Grafschaft ausgesprochen, Grundsätze, die nicht der Theorie, sondern
der Praxis entstammen, da das nassauische Defensionswesen bereits in voller
Blüte stand und durchaus Proben seiner Bewährung abgelegt hatte.
Die Befehlshaber im Falle eines Angriffes werden in der Verteidigungsschrift
mit Namen festgelegt. Es sind fünf Gruppen unterschieden: nassauische Kapi-
täne, Hauptleute aus der Pfalz, den Niederlanden, etliche vom Adel wie auch
noch besonders benannte fremde Kapitäne. Im ganzen finden wir 44 z. T. aus dem
Defensionswesen schon bekannte Namen wie Lohe, Selbach und Bernkopf,
ferner gräfliche Beamte wie den Amtmann zu Dillenburg Quad von Landskron.
Die Sorge des Verfassers gilt neben der Truppenführung weiter dem Ingenieur-
wesen. Hierzu soll man schon bei der Auswahl der Kapitäne darauf achten, daß
unter ihnen Ingenieure sind. Insbesondere muß der Oberst selbst im Bauwesen
„erfahren und geschickt“ sein. Wie sehr Graf Johann VII. es war wissen wir.
Vielleicht könnte man einen guten Ingenieur aus den Niederlanden selbst heran-
ziehen. In kluger Voraussicht wird der Gedanke aufgeworfen, ob man nicht
schon frühzeitig eigene Leute zu guten Ingenieuren in die Niederlande schicken
könnte, und bereits wird auch ein Name genannt: Meister Jost von Ottweiler,
„weil er große Lust dazu hat“. An einem guten Ingenieur darf man „keine Kosten
sparen“, weil er vor oder in einer Festung seinem Feldherrn gewaltige Kosten
ersparen kann. Selbst an eine Anwerbung von Bergknappen und Handwerkern
ist bereits gedacht.
Dieser strengen Planung der personellen Wehrmittel entspricht nun eine
solche Bemühung um die materiellen Wehrmittel, um Proviant, Kleidung, Geld,
Gewehre, Geschütz und Munition. Man sieht aus der Erörterung über die Finan-
zierung, wie sehr die kirchliche Gemeinde zugleich als militärische Gemeinde
gedacht wird. Zunächst einmal erwartet der Verfasser Geld „von Kollekten bei
der Kirchen“, sodann aus den Niederlanden, aus der Kommiß (Vorrat an Pro-
viant), durch den Verkauf von Silbergeschirr und anderen Materialien, die man
zu Geld machen kann, durch Anleihen bei Verwandten und Freunden. Jeder, der
zu Hilfe eilt, soll sein Volk selbst unterhalten. Die Kosten werden dem Reichs-
kreise, der für die Verteidigung nach der Reichsverfassung zuständig ist, aufge-
rechnet. Die Untertanen können, wenn man ihnen Verpflegung, Kleidung und
Schuhe verschafft, ohne Geld unterhalten werden. Im Notfall sind Münzen aus
Leder oder Blei anstelle von Bargeld zu verwenden, wenn nur über gute Ordnung
gewacht wird. Ferner kann „ein treuer, fleißiger Commissarius“, der zu den
Finanzgewaltigen gerechnet wird, viel Geld ersparen und auch Mittel und Wege
angeben, um zu Geld zu kommen. Wie klar ist die doppelte Aufgabe des Kriegs-
14) Die Bedeutung der Schutterijen der flämischen und brabantischen Städte in den bürgerkriegs-
ähnlichen Auseinandersetzungen wird auch deutlich bei L. Delfos, Die Anfänge der Utrechter
Union 1577—1587 (1941), bes. Kap. IV.
Beispiele aus dem naheliegenden niederländischen Befreiungskriege weisen
nach, daß die Bürgerschaft in den Städten sich selbst gut verteidigt hat, während
sie von den Söldnern vielfach im Stich gelassen wurde. Sogar der Herzog von
Alba mußte von Alkmaar, das sich ohne Hilfe fremder Soldaten gegen ihn zur
Wehr setzte, trotz mehrfacher Stürme unverrichteter Dinge abziehen. Auch der
Überfall des Duc d’Alengon auf Antwerpen wurde allein durch die Bürger abge-
schlagen. Weitere Beispiele erhärten den siegreichen Widerstand der Städte
durch die Bürgerschaft und den Verlust ihrer Freiheit bei Verteidigung durch
Söldnerheere14). Wichtig für die Gesamtkonzeption ist die Einschränkung, die
sofort hinzugefügt wird: „Doch will ich hiermit mitnichten redliche und ehrliche
Soldaten verachtet haben. Dann dies Werk nur allein zu einer geschwinden
Defension und nicht zu einem öffentlichen Krieg gerichtet ist, in welchem man
keineswegs Soldaten und Kriegsvolk entraten kann, sondern dieselben das beste
tun müssen, und können zu solchem Kriegshandel die Untertanen gar übel ge-
brauchet werden“. Schon in diesem Abschnitt sind Prinzipien für die Verteidi-
gung der Grafschaft ausgesprochen, Grundsätze, die nicht der Theorie, sondern
der Praxis entstammen, da das nassauische Defensionswesen bereits in voller
Blüte stand und durchaus Proben seiner Bewährung abgelegt hatte.
Die Befehlshaber im Falle eines Angriffes werden in der Verteidigungsschrift
mit Namen festgelegt. Es sind fünf Gruppen unterschieden: nassauische Kapi-
täne, Hauptleute aus der Pfalz, den Niederlanden, etliche vom Adel wie auch
noch besonders benannte fremde Kapitäne. Im ganzen finden wir 44 z. T. aus dem
Defensionswesen schon bekannte Namen wie Lohe, Selbach und Bernkopf,
ferner gräfliche Beamte wie den Amtmann zu Dillenburg Quad von Landskron.
Die Sorge des Verfassers gilt neben der Truppenführung weiter dem Ingenieur-
wesen. Hierzu soll man schon bei der Auswahl der Kapitäne darauf achten, daß
unter ihnen Ingenieure sind. Insbesondere muß der Oberst selbst im Bauwesen
„erfahren und geschickt“ sein. Wie sehr Graf Johann VII. es war wissen wir.
Vielleicht könnte man einen guten Ingenieur aus den Niederlanden selbst heran-
ziehen. In kluger Voraussicht wird der Gedanke aufgeworfen, ob man nicht
schon frühzeitig eigene Leute zu guten Ingenieuren in die Niederlande schicken
könnte, und bereits wird auch ein Name genannt: Meister Jost von Ottweiler,
„weil er große Lust dazu hat“. An einem guten Ingenieur darf man „keine Kosten
sparen“, weil er vor oder in einer Festung seinem Feldherrn gewaltige Kosten
ersparen kann. Selbst an eine Anwerbung von Bergknappen und Handwerkern
ist bereits gedacht.
Dieser strengen Planung der personellen Wehrmittel entspricht nun eine
solche Bemühung um die materiellen Wehrmittel, um Proviant, Kleidung, Geld,
Gewehre, Geschütz und Munition. Man sieht aus der Erörterung über die Finan-
zierung, wie sehr die kirchliche Gemeinde zugleich als militärische Gemeinde
gedacht wird. Zunächst einmal erwartet der Verfasser Geld „von Kollekten bei
der Kirchen“, sodann aus den Niederlanden, aus der Kommiß (Vorrat an Pro-
viant), durch den Verkauf von Silbergeschirr und anderen Materialien, die man
zu Geld machen kann, durch Anleihen bei Verwandten und Freunden. Jeder, der
zu Hilfe eilt, soll sein Volk selbst unterhalten. Die Kosten werden dem Reichs-
kreise, der für die Verteidigung nach der Reichsverfassung zuständig ist, aufge-
rechnet. Die Untertanen können, wenn man ihnen Verpflegung, Kleidung und
Schuhe verschafft, ohne Geld unterhalten werden. Im Notfall sind Münzen aus
Leder oder Blei anstelle von Bargeld zu verwenden, wenn nur über gute Ordnung
gewacht wird. Ferner kann „ein treuer, fleißiger Commissarius“, der zu den
Finanzgewaltigen gerechnet wird, viel Geld ersparen und auch Mittel und Wege
angeben, um zu Geld zu kommen. Wie klar ist die doppelte Aufgabe des Kriegs-
14) Die Bedeutung der Schutterijen der flämischen und brabantischen Städte in den bürgerkriegs-
ähnlichen Auseinandersetzungen wird auch deutlich bei L. Delfos, Die Anfänge der Utrechter
Union 1577—1587 (1941), bes. Kap. IV.