Graf Johann VII. Verteidigungshuch für Nassau-Dillenburg 1595
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Der Verfasser bezieht sich auf seine oben gemachten Erklärungen, es sei
besser, Untertanen zur Defension zu gebrauchen als fremde und ausländische
Soldaten, wofür er auch teilweise die Ursachen angezeigt habe. Jetzt will er die
eigentliche Durchführung der militärischen Ausbildung beschreiben. Aber zuvor
untersucht Graf Johann noch einmal die Gründe, warum die Untertanen heran-
gezogen werden sollen. Es sind die Gründe, die auch der Landesherr oder die
Obrigkeit den „sämtlichen Untertanen, Jung und Alten, wohl zu Gemüt führen“
muß. Die letzten kriegerischen Jahre im deutschen Reiche haben immer stärker
erwiesen, daß man sich „zur Gegenwehr festzumachen“ habe. Diese Defension
ist nach dem jus divinum et naturale gestattet. Wer sich zur Verteidigung ein-
gerichtet habe, sei besser gefahren und habe weniger Schaden gelitten als der,
der allein darauf vertraut habe, daß er niemanden offendiert hätte oder gleicher
„Religion und Faktion“ wäre. Besonders müßten die Evangelischen aufpassen,
weil der Gegner glaube, Gott einen Dienst zu tun, wenn er die Ketzer umbringe
und austilge. Daher müsse man sich beizeiten wappnen; denn die Aufgabe jeder
christlichen Obrigkeit sei, die Untertanen vor unbilliger Gewalt zu schützen und
zu schirmen. Dazu habe Gott der Obrigkeit das Schwert gegeben. Wer vor Gott
ein gutes Gewissen behalten will, muß daher auf Mittel und Wege bedacht sein,
sich und die Seinen zu bewahren. Wer darin fahrlässig handelt, lädt den Zorn
Gottes auf sich, verdirbt Land und Leute und wird von der Nachwelt mit Schimpf
und Spott betrachtet werden. Gott gibt einer jeden Obrigkeit Mittel und Wege
genugsam an die Hand, die Untertanen, die er ihr anvertraut, zu verteidigen,
„wann man nur demselben mit Vernunft nachdenket und vollends die schuldige
Gebühr dazu tut“.
Das ist eine ernste Ansprache, geboren aus der unmittelbaren Not der Zeit,
sich dem wirklichen Geschehen zu stellen und nicht unter irgendwelchen Gründen
vorzeitig zu kapitulieren und damit sich und die Seinen in Gefahr zu bringen.
Um die Not abzuwenden, kann man entweder Kriegsvolk und fremde Soldaten
annehmen und dieselben „stetig in schwerer Besoldung an der Hand halten, oder
aber die Untertanen müssen selbst das beste, weil sie es am meisten anginge, bei
der Sache tun“. Ein Auszug muß unter den jungen und beherzten Männern, die
am besten zu solchem Dienst qualifiziert sind, beizeiten gemacht werden. Ein
Schwert hält das andere in der Scheide. Wenn der Gegner sieht, daß man selbst
gefaßt ist, so bedenkt er sich wohl zehnmal, ehe er angreift, besonders weil er
weiß, daß der Verteidiger im Gebirge, durch Pässe und hinter Flüssen große Vor-
teile besitzt. Hauptsächlich muß man sich gegen die beutemachenden Truppen,
gegen das umherziehende Gesindel, das schlimmste Übel der Zeit, schützen, weil
bei jenen keine „conscientia, Religion, Verwandtnis, Unschuld, ja weder Trauens
noch Glaubens“ herrscht.
Nun erschallt eine große Klage über die fremden Soldaten oder vielmehr
schildert Graf Johann, wie man die Lasten und Leiden der Söldner den eigenen
Untertanen vor Augen führen muß. Denn der Verfasser weist immer wieder darauf
hin, daß für das Defensionswerk Einigkeit mit den Untertanen bestehen muß, daß
die Herrschaft die Untertanen an sich heranziehen soll, daß sie ihnen volle Kennt-
nis der Lage geben, die Notwendigkeit ständiger Abwehrmaßnahmen begründen
muß. Ein Kernpunkt des Defensio ns wesens liegt überhaupt in der Aufklärung
und Erziehung des ganzen Volkes durch gute Vermahnung, durch Erinnerung,
durch Zu-Gemüt-Führen der Motive usw„ so wie es Justus Lipsius, der Lehrer
an der Universität Leiden, in seiner fünf Jahre vor dem Verteidigungsbuch
erschienenen Politik oder Staatslehre ausgedrückt hat: Populus docendus suaden-
dus vix cogendus (IV, 11) 16). Wie vor ihm die großen Kriegswissenschaftler
seines Jahrhunderts Machiavelli, Raymonde de Fourquevaux (=Bellay), Pierre
de la Ramee, Frangois de la Noue, Lazarus von Schwendi und Justus Lipsius
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Der Verfasser bezieht sich auf seine oben gemachten Erklärungen, es sei
besser, Untertanen zur Defension zu gebrauchen als fremde und ausländische
Soldaten, wofür er auch teilweise die Ursachen angezeigt habe. Jetzt will er die
eigentliche Durchführung der militärischen Ausbildung beschreiben. Aber zuvor
untersucht Graf Johann noch einmal die Gründe, warum die Untertanen heran-
gezogen werden sollen. Es sind die Gründe, die auch der Landesherr oder die
Obrigkeit den „sämtlichen Untertanen, Jung und Alten, wohl zu Gemüt führen“
muß. Die letzten kriegerischen Jahre im deutschen Reiche haben immer stärker
erwiesen, daß man sich „zur Gegenwehr festzumachen“ habe. Diese Defension
ist nach dem jus divinum et naturale gestattet. Wer sich zur Verteidigung ein-
gerichtet habe, sei besser gefahren und habe weniger Schaden gelitten als der,
der allein darauf vertraut habe, daß er niemanden offendiert hätte oder gleicher
„Religion und Faktion“ wäre. Besonders müßten die Evangelischen aufpassen,
weil der Gegner glaube, Gott einen Dienst zu tun, wenn er die Ketzer umbringe
und austilge. Daher müsse man sich beizeiten wappnen; denn die Aufgabe jeder
christlichen Obrigkeit sei, die Untertanen vor unbilliger Gewalt zu schützen und
zu schirmen. Dazu habe Gott der Obrigkeit das Schwert gegeben. Wer vor Gott
ein gutes Gewissen behalten will, muß daher auf Mittel und Wege bedacht sein,
sich und die Seinen zu bewahren. Wer darin fahrlässig handelt, lädt den Zorn
Gottes auf sich, verdirbt Land und Leute und wird von der Nachwelt mit Schimpf
und Spott betrachtet werden. Gott gibt einer jeden Obrigkeit Mittel und Wege
genugsam an die Hand, die Untertanen, die er ihr anvertraut, zu verteidigen,
„wann man nur demselben mit Vernunft nachdenket und vollends die schuldige
Gebühr dazu tut“.
Das ist eine ernste Ansprache, geboren aus der unmittelbaren Not der Zeit,
sich dem wirklichen Geschehen zu stellen und nicht unter irgendwelchen Gründen
vorzeitig zu kapitulieren und damit sich und die Seinen in Gefahr zu bringen.
Um die Not abzuwenden, kann man entweder Kriegsvolk und fremde Soldaten
annehmen und dieselben „stetig in schwerer Besoldung an der Hand halten, oder
aber die Untertanen müssen selbst das beste, weil sie es am meisten anginge, bei
der Sache tun“. Ein Auszug muß unter den jungen und beherzten Männern, die
am besten zu solchem Dienst qualifiziert sind, beizeiten gemacht werden. Ein
Schwert hält das andere in der Scheide. Wenn der Gegner sieht, daß man selbst
gefaßt ist, so bedenkt er sich wohl zehnmal, ehe er angreift, besonders weil er
weiß, daß der Verteidiger im Gebirge, durch Pässe und hinter Flüssen große Vor-
teile besitzt. Hauptsächlich muß man sich gegen die beutemachenden Truppen,
gegen das umherziehende Gesindel, das schlimmste Übel der Zeit, schützen, weil
bei jenen keine „conscientia, Religion, Verwandtnis, Unschuld, ja weder Trauens
noch Glaubens“ herrscht.
Nun erschallt eine große Klage über die fremden Soldaten oder vielmehr
schildert Graf Johann, wie man die Lasten und Leiden der Söldner den eigenen
Untertanen vor Augen führen muß. Denn der Verfasser weist immer wieder darauf
hin, daß für das Defensionswerk Einigkeit mit den Untertanen bestehen muß, daß
die Herrschaft die Untertanen an sich heranziehen soll, daß sie ihnen volle Kennt-
nis der Lage geben, die Notwendigkeit ständiger Abwehrmaßnahmen begründen
muß. Ein Kernpunkt des Defensio ns wesens liegt überhaupt in der Aufklärung
und Erziehung des ganzen Volkes durch gute Vermahnung, durch Erinnerung,
durch Zu-Gemüt-Führen der Motive usw„ so wie es Justus Lipsius, der Lehrer
an der Universität Leiden, in seiner fünf Jahre vor dem Verteidigungsbuch
erschienenen Politik oder Staatslehre ausgedrückt hat: Populus docendus suaden-
dus vix cogendus (IV, 11) 16). Wie vor ihm die großen Kriegswissenschaftler
seines Jahrhunderts Machiavelli, Raymonde de Fourquevaux (=Bellay), Pierre
de la Ramee, Frangois de la Noue, Lazarus von Schwendi und Justus Lipsius