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Literaturbesprechung
dem nunmehr erweitert und kommentiert im Druck vorliegenden Vortrag, den A. Hartlieb von
Wallthor 1954 vor der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft und dem Kommunalwissenschaftlichen
Institut der Universität Münster gehalten hat52).
Daß der Reichsritter und gläubig protestantische Christ nicht nur mit Freidenkern wie Hans
v. Gagern, sondern auch mit namhaften Vertretern der katholischen Kirche Westfalens gut Freund
sein konnte, zeigt anhand eigener Spiegel-Studien M. Braubach in seiner mit ausführlichen
Quellenzitaten unterbauten Untersuchung über Stein und die Brüder Spiegel53), deren jüngerer
als Erzbischof von Köln bekanntgeworden ist. Die zweifellos noch aus der Aufklärung, kaum aus
liberalem Geist fließende, auf die Überwindung des Konfessionshasses gerichtete Toleranz Steins
war ein Wesensmerkmal sogut wie sein Reichspatriotismus oder seine weltbürgerliche Humanitas.
Last not least folgt der von K. Zuhorn am 5. Okt. 1957 anläßlich der Steinfeier der Abteilung
Münster des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens in Cappenberg gehaltene
Festvortrag54), der reich kommentiert noch kurz vor Redaktionsschluß dem ganz Stein gewid-
meten 107. Band der Westfälischen Zeitschrift vorgesetzt werden konnte. Die große Wert-
schätzung Steins, der 1827 Ehrenmitglied des Vereins wurde, für die westfälische Geschichte
erweist sich aus der Zusammensetzung seiner Bibliothek in Cappenberg wie aus seinen Beziehungen
zu Paul Wigand und Nikolaus Kindlinger. Diesen, der auch vielfach im Nassauischen geforscht
und gewirkt hat, kannte Stein seit 1802, und er versuchte ibn 1819 für die Mitarbeit an den Monu-
menten zu gewinnen, was freilich Kindlingers noch im gleichen Jahr erfolgter Tod zerschlug.
W. Klötzer
52) A. Hartlieb von Wallthor, Die Verfassung in Altwestfalen als Quelle moderner Selbstverwaltung, in: Westfäl. Forschunsen 9
(1956) S. 26—44.
°3) M. Braubach, Der Freiherr vom Stein und die Brüder Spiegel, in: Westfalen 35 (1957) S. 72—80.
54) K. Zuhorn, Der Freiherr vom Stein als Freund der westfälischen Geschichte, in: Westfäl. Ztschr. 107 (1957) S. XIII
bis XXXVI.
Adolf Bach: Das Elternhaus des Freiherrn vom Stein. 2. Aufl. Im Selbstverl. d. Vereins f.
Nass. Altertumskunde u. Geschichtsforschung Ortsgruppe Nassau a. d. L., in Kommission bei
L. Röhrscheid in Bonn 1957. 88 S., 17 Abb. (dav. 3 im Text). Kart. DM 6,—.
Als Heft VI der Rheinischen Neujahrsblätter, hrsg. vom Institut f. geschichtl. Landeskunde
der Rheinlande a. d. LTniversität Bonn, ist das vorliegende Buch des bekannten Bonner Professors
für Germanistik 1927 erstmals erschienen und hat allgemein freundliche Aufnahme gefunden
(vgl. die Bespr. von P. Wagner in: Nass. Hbll. 27, 1926, 103 u. von G. Ritter in: Hist. Zs. 136,
1927, 632f.). Seit langem ist es vergriffen und gesucht. Seine Neuauflage zur Feier des 200. Ge-
burtstages des Freiherrn vom Stein wird von Liebhabern der mittelrheinischen Landschaft ebenso
wie von Verehrern des großen deutschen Staatsmannes sehr begrüßt werden.
Wie der Titel besagt, stehen nicht Jugendzeit und Werden des preußischen Reformers und
Befreiers im Mittelpunkt der Darstellung, sondern die Heimat und Familie, die häusliche Welt,
der er entstammt und in der er aufwuchs: die von den Vätern ererbten Besitzungen mit dem
Mittelpunkt in Nassau, die Eltern, das Milieu seiner Jugendzeit und das Schicksal der Geschwister,
seine im weiteren Leben gelockerte Verbindung mit der heimatlichen Erde, in der er sich doch —
beim Grabe seiner Eltern in Frücht — die letzte Ruhestätte erwählte.
Dreierlei kam zusammen, um daraus ein Buch von eigenem Reiz entstehen zu lassen. Der Vf.
ist aufs innigste mit dem Herkunftslande des Freiherrn vom Stein vertraut, es ist seine eigene
Heimat, die er höchst anmutig und anschaulich zu schildern weiß. Er ist hervorragender Kenner
der geistigen Atmosphäre des Steinschen Elternhauses, die auch in seinen Büchern „Goethes
Rheinreise mit Lavater und Basedow im Sommer 1774“ (1923) und „Aus dem Kreise der Sophie
Larosche“ (1924) dargestellt ist. Schließlich besitzt er, wie aus seinem jüngsten autobiographischen
Buch von Jugend und Heimat und der Widmung vorliegender Schrift an seine Mutter hervorgeht,
aus persönlichem Erleben einen von tiefem Verständnis getragenen Zugang zu der Hauptgestalt
des Buches, der Mutter des großen Staatsmannes, über die H. Frh. Langwerth von Simmern, Aus
Krieg und Frieden, Kulturhistorische Bilder aus einem Familienarchiv (1906) reiches Quellen-
material vorgelegt hatte. Landschaft und historische Herkunft, Elternhaus und geistiges Erbe
verweben sich so zu einem farbensatten und lebensvollen Gemälde, das uns sogleich mit dem
Zauber einer echten Stimmung einfängt.
Es ist klar, daß bei der Neuauflage eines solchen Buches aus einem Guß, dem man seine Ent-
stehung aus vielerlei meist gedruckten Quellen nirgends anmerkt, kaum etwas zu ändern war. Die
Aussagefähigkeit der beigegebenen Bilder hat durch Auswechslung und Ergänzung noch gewon-
nen. Der Text wurde besser gegliedert, indem die Kapitel etwas (von 23 auf 27) vermehrt und mit
Überschriften versehen wurden. Auch hat Vf. die Darstellung hier und da um einen interessanten
Einzelzug oder einen dem allgemeinen historischen Verständnis dienlichen Abschnitt vermehrt:
S. 21 durchdie Schilderung der Durchreise von Kaiser Joseph II., S. 33 durchdie ältere Geschichte
der Adelsfamilie, S. 40 durch den Hinweis auf den Maler G. M. Kraus, S. 41 durch die Charakte-
ristik der Lahngegend seitens des Schweizer Historikers J. v. Müller, S. 68 durch den Abschnitt 22,
Der heimliche Kaiser, wo Steins Wirken und Persönlichkeit im Hinblick auf sein Verhältnis zur
nassauischen Heimat knapp umrissen wird, S. 76f. durch Nachrichten über die Anhänglichkeit
des Philipp Balzer, über Steins Leben in der eigenen Familie während seiner Nassauer Tage, dann
Literaturbesprechung
dem nunmehr erweitert und kommentiert im Druck vorliegenden Vortrag, den A. Hartlieb von
Wallthor 1954 vor der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft und dem Kommunalwissenschaftlichen
Institut der Universität Münster gehalten hat52).
Daß der Reichsritter und gläubig protestantische Christ nicht nur mit Freidenkern wie Hans
v. Gagern, sondern auch mit namhaften Vertretern der katholischen Kirche Westfalens gut Freund
sein konnte, zeigt anhand eigener Spiegel-Studien M. Braubach in seiner mit ausführlichen
Quellenzitaten unterbauten Untersuchung über Stein und die Brüder Spiegel53), deren jüngerer
als Erzbischof von Köln bekanntgeworden ist. Die zweifellos noch aus der Aufklärung, kaum aus
liberalem Geist fließende, auf die Überwindung des Konfessionshasses gerichtete Toleranz Steins
war ein Wesensmerkmal sogut wie sein Reichspatriotismus oder seine weltbürgerliche Humanitas.
Last not least folgt der von K. Zuhorn am 5. Okt. 1957 anläßlich der Steinfeier der Abteilung
Münster des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens in Cappenberg gehaltene
Festvortrag54), der reich kommentiert noch kurz vor Redaktionsschluß dem ganz Stein gewid-
meten 107. Band der Westfälischen Zeitschrift vorgesetzt werden konnte. Die große Wert-
schätzung Steins, der 1827 Ehrenmitglied des Vereins wurde, für die westfälische Geschichte
erweist sich aus der Zusammensetzung seiner Bibliothek in Cappenberg wie aus seinen Beziehungen
zu Paul Wigand und Nikolaus Kindlinger. Diesen, der auch vielfach im Nassauischen geforscht
und gewirkt hat, kannte Stein seit 1802, und er versuchte ibn 1819 für die Mitarbeit an den Monu-
menten zu gewinnen, was freilich Kindlingers noch im gleichen Jahr erfolgter Tod zerschlug.
W. Klötzer
52) A. Hartlieb von Wallthor, Die Verfassung in Altwestfalen als Quelle moderner Selbstverwaltung, in: Westfäl. Forschunsen 9
(1956) S. 26—44.
°3) M. Braubach, Der Freiherr vom Stein und die Brüder Spiegel, in: Westfalen 35 (1957) S. 72—80.
54) K. Zuhorn, Der Freiherr vom Stein als Freund der westfälischen Geschichte, in: Westfäl. Ztschr. 107 (1957) S. XIII
bis XXXVI.
Adolf Bach: Das Elternhaus des Freiherrn vom Stein. 2. Aufl. Im Selbstverl. d. Vereins f.
Nass. Altertumskunde u. Geschichtsforschung Ortsgruppe Nassau a. d. L., in Kommission bei
L. Röhrscheid in Bonn 1957. 88 S., 17 Abb. (dav. 3 im Text). Kart. DM 6,—.
Als Heft VI der Rheinischen Neujahrsblätter, hrsg. vom Institut f. geschichtl. Landeskunde
der Rheinlande a. d. LTniversität Bonn, ist das vorliegende Buch des bekannten Bonner Professors
für Germanistik 1927 erstmals erschienen und hat allgemein freundliche Aufnahme gefunden
(vgl. die Bespr. von P. Wagner in: Nass. Hbll. 27, 1926, 103 u. von G. Ritter in: Hist. Zs. 136,
1927, 632f.). Seit langem ist es vergriffen und gesucht. Seine Neuauflage zur Feier des 200. Ge-
burtstages des Freiherrn vom Stein wird von Liebhabern der mittelrheinischen Landschaft ebenso
wie von Verehrern des großen deutschen Staatsmannes sehr begrüßt werden.
Wie der Titel besagt, stehen nicht Jugendzeit und Werden des preußischen Reformers und
Befreiers im Mittelpunkt der Darstellung, sondern die Heimat und Familie, die häusliche Welt,
der er entstammt und in der er aufwuchs: die von den Vätern ererbten Besitzungen mit dem
Mittelpunkt in Nassau, die Eltern, das Milieu seiner Jugendzeit und das Schicksal der Geschwister,
seine im weiteren Leben gelockerte Verbindung mit der heimatlichen Erde, in der er sich doch —
beim Grabe seiner Eltern in Frücht — die letzte Ruhestätte erwählte.
Dreierlei kam zusammen, um daraus ein Buch von eigenem Reiz entstehen zu lassen. Der Vf.
ist aufs innigste mit dem Herkunftslande des Freiherrn vom Stein vertraut, es ist seine eigene
Heimat, die er höchst anmutig und anschaulich zu schildern weiß. Er ist hervorragender Kenner
der geistigen Atmosphäre des Steinschen Elternhauses, die auch in seinen Büchern „Goethes
Rheinreise mit Lavater und Basedow im Sommer 1774“ (1923) und „Aus dem Kreise der Sophie
Larosche“ (1924) dargestellt ist. Schließlich besitzt er, wie aus seinem jüngsten autobiographischen
Buch von Jugend und Heimat und der Widmung vorliegender Schrift an seine Mutter hervorgeht,
aus persönlichem Erleben einen von tiefem Verständnis getragenen Zugang zu der Hauptgestalt
des Buches, der Mutter des großen Staatsmannes, über die H. Frh. Langwerth von Simmern, Aus
Krieg und Frieden, Kulturhistorische Bilder aus einem Familienarchiv (1906) reiches Quellen-
material vorgelegt hatte. Landschaft und historische Herkunft, Elternhaus und geistiges Erbe
verweben sich so zu einem farbensatten und lebensvollen Gemälde, das uns sogleich mit dem
Zauber einer echten Stimmung einfängt.
Es ist klar, daß bei der Neuauflage eines solchen Buches aus einem Guß, dem man seine Ent-
stehung aus vielerlei meist gedruckten Quellen nirgends anmerkt, kaum etwas zu ändern war. Die
Aussagefähigkeit der beigegebenen Bilder hat durch Auswechslung und Ergänzung noch gewon-
nen. Der Text wurde besser gegliedert, indem die Kapitel etwas (von 23 auf 27) vermehrt und mit
Überschriften versehen wurden. Auch hat Vf. die Darstellung hier und da um einen interessanten
Einzelzug oder einen dem allgemeinen historischen Verständnis dienlichen Abschnitt vermehrt:
S. 21 durchdie Schilderung der Durchreise von Kaiser Joseph II., S. 33 durchdie ältere Geschichte
der Adelsfamilie, S. 40 durch den Hinweis auf den Maler G. M. Kraus, S. 41 durch die Charakte-
ristik der Lahngegend seitens des Schweizer Historikers J. v. Müller, S. 68 durch den Abschnitt 22,
Der heimliche Kaiser, wo Steins Wirken und Persönlichkeit im Hinblick auf sein Verhältnis zur
nassauischen Heimat knapp umrissen wird, S. 76f. durch Nachrichten über die Anhänglichkeit
des Philipp Balzer, über Steins Leben in der eigenen Familie während seiner Nassauer Tage, dann