V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte
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liehen Charakter der Kirchspiele hin (S. 184). Al. Seiler, Studien zu den Anfängen der Pfarrei-
und Landdekanatsorganisation in den rechtsrheinischen Archidiakonaten des Bistums Speyer
(1959) kommt S. 158ff. zu ähnlichem Ergebnis. Ferd. Pauly, Siedlung und Pfarrorganisation im
alten Erzbistum Trier. Die Landkapitel Piesport, Boppard und Ochtendung (1961) findet aller-
dings S. 377ff. die erste Organisation durch die Verwaltungszentren von Krondomänen (Boppard,
Koblenz, Andernach) bestimmt. Erst seit dem 9. Jh. drang dort das Eigenkirchenrecht vor. Für
das rechtsrheinische Gebiet der Trierischen Diözese ist bis etwa 1200 „der starke Anteil von
Klöstern, Staat und Kirche“ in der Pfarreibildung charakteristisch (Gerh. Kleinfeldt—Hans
Weirich, Die mittelalterliche Kirchenorganisation im oberhessisch-nassauischen Raum, 1937
S. 127). Die ältesten Bergkirchen der Lahn und des Westerwaldes wie die Kirche auf dem Peters-
berg bei Diez, zu Kirberg und Blasiusberg-Frickhofen dürften ebensowenig grundherrlichen
Ursprungs sein wie die zum Archiakonatssitz aufgestiegene Pfarrei Dietkirchen. — Mit der
Ansicht des Verf.s über die Entstehung der Ortsgerichte stimmt die Erkenntnis von Hellmuth
Gensicke, Landesgeschichte des Westerwaldes (1958) S. 408ff. überein. Er kann Orts- und Kirch-
spielsgerichte zunächst in den Grundherrschaften vor allen geistlicher Grundherrschaften beob-
achten. Die Landesherren haben dann zur Ausschaltung grundherrlicher Hubengerichte selber
wohl erst im 13. Jh. zahlreiche Kirchenspielsgerichte geschaffen. Die von Aug. Meitzen geprägte
Auffassung, daß schon in der Landnahmezeit das Haufendorf entstand, wird auch von Wilh.
Abel, Geschichte der deutschen Landwirtschaft vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jh. (1962)
S. 15f. nicht mehr geteilt. Bei Hattersheim konnte Rez. (a. a. 0. S. 52f.) ebenfalls den Vorgang
der Siedlungskonzentration im 15. Jh. beobachten. Man darf abschließend sagen, daß die sich
ständig an den Quellen orientierende Darstellung des Verf.s der dörflichen Verfassungsgeschichte
erst einen modernen Inhalt verliehen hat. W.-H. Struck
Das Oberbergamt Rheinland-Pfalz in Bad Ems und der Bergbau in seinem Bezirk. Hrsg, mit
Unterstützung des Oberbergamts Rheinland-Pfalz in Bad Ems (von Berghauptmann Dr. Ing.
F. C. v. Hülsen). 2. ergänzte u. erweiterte Auflage. Berlin/Basel: Länderdienst-Verlag 1963. 4°.
124 S. (Internationale Industrie-Bibliothek, Bd. 81/176.)
Das in Nass. Ann. 71, 1960 S. 308f. besprochene Werk liegt in zweiter Auflage vor, vermehrt
um die Aufsätze über „Erdöl- und Erdgasgewinnung“ von Bergassessor A. Jordan, Bad Kreuz-
nach, der die einzelnen Erdgasfelder in Rheinland-Pfalz und die Förderung von Erdöl im Feld
Landau bespricht. „Die Sole- und Siedesalz-Gewinnung“ besprechen der Bergreferendar N.
Repetzki, Essen, und Bergassessor A. Jordan, Bad Kreuznach. Darin findet sich auch eine
Geschichte der Salinen in Bad Kreuznach und Bad Dürkheim. Neu ist auch der Aufsatz von
Berghauptmann v. Hülsen über „Bergbau und Verkehr“ mit wertvollen Statistiken. Noch nicht
verwendet für diese zweite Auflage wurde die Bonner Dissertation von Fritz Wulff: „Das untere
und mittlere Lahngebiet. Strukturwandlungen seiner Industrie- und Bergwirtschaft seit dem
Ausgang des Mittelalters“ (Bonn 1963. 261 S. mit Karten und graphischen Darstellungen).
F. Geisthardt
Harm-Hinrich Brandt: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik im Raum Hanau 1597—1962. Die
Geschichte der Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern und ihrer Vor-
läufer. Hanau: Kuwe-Verlag (1963). 204 S„ 18 Tfn.
1597 war das Jahr der Ansiedlung von Flamen und Wallonen, wodurch eine neue Epoche für
Hanau begann. Von da an ist die Stadt als wirtschaftlich tüchtig und in ihrer Lebensweise frei-
heitlich und modern bekannt. Ihr Selbstbewußtsein zeigt sich u. a. auch in einer ausgebreiteten
Literatur, die Hanaus Geschichte bekannt gemacht hat. Die neueste Arbeit geht in ihrer ausführ-
lichen Darstellung bis 1914 und gibt dann noch einen Überblick bis in unsere Gegenwart. Zwar
erhielt Hanau erst 1871 durch die Preußen eine Handelskammer, die Bestandhatte; aber vorher
war immer wieder versucht worden, ein Kolleg oder eine Deputation in Handels- und Gewerbesachen
für Hanau zu begründen und als Verbindung zwischen Staat und Wirtschaft fruchtbar werden zu
lassen. Es ist sehr lehrreich, diese Vorformen zu mustern: Aus dem Geist des Merkantilismus ent-
standen Handelskollegien 1737 und 1766, die freilich keine „wirklich funktionierenden Behörden“
waren. In der napoleonischen Zeit richtete man um 1811/12 eine sog. Gommercien-Deputation
ein, ohne daß man eine Wirksamkeit dieses Gremiums erkennen könnte. Unter Kurhessen wurden
die früheren Anläufe zunächst aufgegeben, bis 1822 Handels- und Gewerbevereine, die in Wahrheit
Deputationen waren, zur Beratung der Regierung gebildet wurden. Der Hanauer Verein büßte
1834 durch landesherrliche Maßnahmen seine Selbstständigkeit ein, worauf der Oberbürger-
meister einen Handelsausschuß einberief, der 1835 mit dem Verein verschmolzen wurde. Weil
nach 1848 wiederum eine Neuregelung erforderlich wurde, trat nunmehr ein „Freier Verein der
Handel- und Gewerbetreibenden in der Provinz Hanau“ zusammen, der gewisse Funktionen einer
Handelskammer übernahm. Erst nach der Angliederung Hessens an Preußen wurde auf Grund
des preußischen Gesetzes von 1870 eine Handelskammer in Hanau eingerichtet; danach löste sich
der „Freie Verein“ auf.
Mit dieser lebhaften Entwicklung verbindet sich die Wirtschaftsgeschichte der Stadt, die ihre
Entsprechung in einer vielseitigen Handels- und V'erkehrspolitik findet. B. verfolgt die wirtschaft-
liche Entwicklung auch des umgebenden Landes und schreibt die Geschichte der Industrie- und
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liehen Charakter der Kirchspiele hin (S. 184). Al. Seiler, Studien zu den Anfängen der Pfarrei-
und Landdekanatsorganisation in den rechtsrheinischen Archidiakonaten des Bistums Speyer
(1959) kommt S. 158ff. zu ähnlichem Ergebnis. Ferd. Pauly, Siedlung und Pfarrorganisation im
alten Erzbistum Trier. Die Landkapitel Piesport, Boppard und Ochtendung (1961) findet aller-
dings S. 377ff. die erste Organisation durch die Verwaltungszentren von Krondomänen (Boppard,
Koblenz, Andernach) bestimmt. Erst seit dem 9. Jh. drang dort das Eigenkirchenrecht vor. Für
das rechtsrheinische Gebiet der Trierischen Diözese ist bis etwa 1200 „der starke Anteil von
Klöstern, Staat und Kirche“ in der Pfarreibildung charakteristisch (Gerh. Kleinfeldt—Hans
Weirich, Die mittelalterliche Kirchenorganisation im oberhessisch-nassauischen Raum, 1937
S. 127). Die ältesten Bergkirchen der Lahn und des Westerwaldes wie die Kirche auf dem Peters-
berg bei Diez, zu Kirberg und Blasiusberg-Frickhofen dürften ebensowenig grundherrlichen
Ursprungs sein wie die zum Archiakonatssitz aufgestiegene Pfarrei Dietkirchen. — Mit der
Ansicht des Verf.s über die Entstehung der Ortsgerichte stimmt die Erkenntnis von Hellmuth
Gensicke, Landesgeschichte des Westerwaldes (1958) S. 408ff. überein. Er kann Orts- und Kirch-
spielsgerichte zunächst in den Grundherrschaften vor allen geistlicher Grundherrschaften beob-
achten. Die Landesherren haben dann zur Ausschaltung grundherrlicher Hubengerichte selber
wohl erst im 13. Jh. zahlreiche Kirchenspielsgerichte geschaffen. Die von Aug. Meitzen geprägte
Auffassung, daß schon in der Landnahmezeit das Haufendorf entstand, wird auch von Wilh.
Abel, Geschichte der deutschen Landwirtschaft vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jh. (1962)
S. 15f. nicht mehr geteilt. Bei Hattersheim konnte Rez. (a. a. 0. S. 52f.) ebenfalls den Vorgang
der Siedlungskonzentration im 15. Jh. beobachten. Man darf abschließend sagen, daß die sich
ständig an den Quellen orientierende Darstellung des Verf.s der dörflichen Verfassungsgeschichte
erst einen modernen Inhalt verliehen hat. W.-H. Struck
Das Oberbergamt Rheinland-Pfalz in Bad Ems und der Bergbau in seinem Bezirk. Hrsg, mit
Unterstützung des Oberbergamts Rheinland-Pfalz in Bad Ems (von Berghauptmann Dr. Ing.
F. C. v. Hülsen). 2. ergänzte u. erweiterte Auflage. Berlin/Basel: Länderdienst-Verlag 1963. 4°.
124 S. (Internationale Industrie-Bibliothek, Bd. 81/176.)
Das in Nass. Ann. 71, 1960 S. 308f. besprochene Werk liegt in zweiter Auflage vor, vermehrt
um die Aufsätze über „Erdöl- und Erdgasgewinnung“ von Bergassessor A. Jordan, Bad Kreuz-
nach, der die einzelnen Erdgasfelder in Rheinland-Pfalz und die Förderung von Erdöl im Feld
Landau bespricht. „Die Sole- und Siedesalz-Gewinnung“ besprechen der Bergreferendar N.
Repetzki, Essen, und Bergassessor A. Jordan, Bad Kreuznach. Darin findet sich auch eine
Geschichte der Salinen in Bad Kreuznach und Bad Dürkheim. Neu ist auch der Aufsatz von
Berghauptmann v. Hülsen über „Bergbau und Verkehr“ mit wertvollen Statistiken. Noch nicht
verwendet für diese zweite Auflage wurde die Bonner Dissertation von Fritz Wulff: „Das untere
und mittlere Lahngebiet. Strukturwandlungen seiner Industrie- und Bergwirtschaft seit dem
Ausgang des Mittelalters“ (Bonn 1963. 261 S. mit Karten und graphischen Darstellungen).
F. Geisthardt
Harm-Hinrich Brandt: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik im Raum Hanau 1597—1962. Die
Geschichte der Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern und ihrer Vor-
läufer. Hanau: Kuwe-Verlag (1963). 204 S„ 18 Tfn.
1597 war das Jahr der Ansiedlung von Flamen und Wallonen, wodurch eine neue Epoche für
Hanau begann. Von da an ist die Stadt als wirtschaftlich tüchtig und in ihrer Lebensweise frei-
heitlich und modern bekannt. Ihr Selbstbewußtsein zeigt sich u. a. auch in einer ausgebreiteten
Literatur, die Hanaus Geschichte bekannt gemacht hat. Die neueste Arbeit geht in ihrer ausführ-
lichen Darstellung bis 1914 und gibt dann noch einen Überblick bis in unsere Gegenwart. Zwar
erhielt Hanau erst 1871 durch die Preußen eine Handelskammer, die Bestandhatte; aber vorher
war immer wieder versucht worden, ein Kolleg oder eine Deputation in Handels- und Gewerbesachen
für Hanau zu begründen und als Verbindung zwischen Staat und Wirtschaft fruchtbar werden zu
lassen. Es ist sehr lehrreich, diese Vorformen zu mustern: Aus dem Geist des Merkantilismus ent-
standen Handelskollegien 1737 und 1766, die freilich keine „wirklich funktionierenden Behörden“
waren. In der napoleonischen Zeit richtete man um 1811/12 eine sog. Gommercien-Deputation
ein, ohne daß man eine Wirksamkeit dieses Gremiums erkennen könnte. Unter Kurhessen wurden
die früheren Anläufe zunächst aufgegeben, bis 1822 Handels- und Gewerbevereine, die in Wahrheit
Deputationen waren, zur Beratung der Regierung gebildet wurden. Der Hanauer Verein büßte
1834 durch landesherrliche Maßnahmen seine Selbstständigkeit ein, worauf der Oberbürger-
meister einen Handelsausschuß einberief, der 1835 mit dem Verein verschmolzen wurde. Weil
nach 1848 wiederum eine Neuregelung erforderlich wurde, trat nunmehr ein „Freier Verein der
Handel- und Gewerbetreibenden in der Provinz Hanau“ zusammen, der gewisse Funktionen einer
Handelskammer übernahm. Erst nach der Angliederung Hessens an Preußen wurde auf Grund
des preußischen Gesetzes von 1870 eine Handelskammer in Hanau eingerichtet; danach löste sich
der „Freie Verein“ auf.
Mit dieser lebhaften Entwicklung verbindet sich die Wirtschaftsgeschichte der Stadt, die ihre
Entsprechung in einer vielseitigen Handels- und V'erkehrspolitik findet. B. verfolgt die wirtschaft-
liche Entwicklung auch des umgebenden Landes und schreibt die Geschichte der Industrie- und