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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 75.1964

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Literaturbesprechung
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https://doi.org/10.11588/diglit.70355#0326
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296

Literaturbesprechung

Handelskammer, indem er die Verbindung mit Hessen und die immer enger gewordene Anlehnung
an Frankfurt berücksichtigt. Hanau ist ein hervorragender Platz der Gewerbefreiheit. Alles, was
an der Stadt von Bedeutung war und ist, haben nicht die Zünfte geschaffen, sondern die freien
Unternehmer, die mit ihrem Unternehmungsgeist, ihren Privilegien und ihrem Kapital Hanau
zur Blüte verhalfen.
Die Arbeit ist gut gegliedert und bemüht sich, die oft verwickelten Tatbestände klar darzu-
legen. Es ist immerhin verdienstlich, daß B. wenigstens versucht hat, die Entwicklung nach 1914
anzudeuten. Daß er nicht mehr geben konnte für die letzten 50 Jahre, liegt wohl nicht zuletzt
daran, daß die Wirtschaftsgeschichte der Gegenwart noch der Aufhellung bedarf. Die Ausstattung
des Buches ist vorzüglich. Manche Abbildungen haben dokumentarischen Wert und bilden eine
gute Ergänzung zum Text. F. Geisthardt
Neue Forschungen zur Flurgeographie
Dank der Energie von Anneliese Krenzlin hat sich ein Kreis junger Wissenschaftler in den
vergangenen Jahren im Geographischen Institut der Universität Frankfurt mit der Frage der
Gewannentstehung beschäftigt und damit ein Thema weiterbearbeitet, das in den letzten Jahr-
zehnten in allen Landschaften einen breiten Raum in den Erörterungen der Geographen ein-
nahm. Die vier Bände, die im folgenden angezeigt werden, haben zwar durchweg keinen Bezug
zur nassauischen Geschichte und Landeskunde; sie hier zu besprechen, ist jedoch geboten sowohl
im Blick auf die Ergebnisse an sich als auch hinsichtlich der hier angewandten verfeinerten Me-
thoden. Es handelt sich um diese Titel:
1. Anneliese Krenzlin — Ludwig Reusch: Die Entstehung der Gewannflur nach Untersuchun-
gen im nördlichen Unterfranken. Frankfurt a. M.: Wald. Kramer 1961. Textband 132 S. mit
6 Abb., Atlasband mit 12 Ktn. (Frankfurter Geographische Hefte 35. Jg. 1961, Nr. 1.) Brosch.
DM 40,—.
2. Walter Sperling: Der nördliche vordere Odenwald. Die Entwicklung seiner Agrarlandschaft
unter dem Einfluß ökonomisch-sozialer Gegebenheiten. Frankfurt: Kramer 1962. 210 S. m. 56 Abb.
im Text. (Rhein-Mainische Forschungen 51.) Brosch. DM 12,—.
3. Wilhelm Matzat: Flurgeographische Studien im Bauland und Hinteren Odenwald. Frankfurt:
Kramer 1963. 146 S. m. 6 Ktn. u. 9 Abb. im Text, 4 Ktn. in Rückenschlaufe. (Rhein-Mainische
Forschungen 53.) Brosch. DM 10,50.
4. Werner Fricke (Hrsg.): Beiträge zur Siedlungsgeographie und zur rhein-mainischen Landes-
kunde. Frankfurt: Wald. Kramer 1963. 157 S. mit 37 Abb. im Text. (Rhein-Mainische For-
schungen, H. 54).
1. Im erstgenannten Band teilen sich A. Krenzlin und L. Reusch derart in die LTntersuchun-
gen, daß die allgemeine Problemstellung und die Zusammenfassung der Ergebnisse von den ein-
zelnen Gemarkungsanalysen getrennt und durch Krenzlin dargeboten werden, während Reusch
(S. 13—75) die Einzelbeispiele aufzeigt: Poppenlauer, Altbessingen, Bühler und Münster, Sei-
friedsburg, Büchold, Ottelmannshausen, Aubstadt, Serrfeld, Willmars, Poppenroth, Weisbach,
Sondernau, Frankenheim und Lebenhan. Zu diesem Textteil gehört der vorzüglich gestaltete
Atlas.
Die Genese der Gewanne ist nach weitverbreiteter Vorstellung angeblich das Ergebnis alter
agrargeschichtlicher Entwicklungen. Demgegenüber wird hier überzeugend nachgewiesen, daß
die heutige Gewanngliederung der Fluren ein erst verhältnismäßig junges Zerfallsprodukt ist.
Der Block und die Breitstreifenflur sind als Vorformen anzusprechen. Vermutungen von Franz
Steinbach und Albert Homberg, daß die Gewannflur sekundären Charakter trage, werden „in
einem typischen Gewannflurgebiet“ erhärtet (S. 79 ff.). Nicht nur das Herren- und Kirchenland,
sondern auch bäuerlicher Besitz scheint jahrhundertelang in Großeinheiten erhalten geblieben
zu sein. Die Siedlungsstruktur der Dörfer war anders als heute; die Hofzahl war kleiner, Kloster-
traditionen des 9. Jhs. zeigen häufig eine Gliederung in Weiler und Hofgruppen. Die gewann-
bildende Aufteilung der alten Blöcke dringt erst während des 15. und 16. Jhs. durch (S. 99).
Vorausgegangen war wohl eine stärkere innere Gliederung der Einheiten auf dem Teilungswege,
die ihrerseits die Folge der Bevölkerungsvermehrung und der agrarischen Prosperität des Hoch-
mittelalters darstellen. „So schwer diese Vorgänge im einzelnen bisher faßbar sind, so ist doch wohl
soviel sicher, daß in der Zeit des 10. bis 13. Jhs. eine Vermehrung der Stellen durch Teilung statt-
gefunden hat“ (S. 105). In der Wetterau ist die Zertrümmerung agrarwirtschaftlicher Altformen
beispielsweise in der Besitzgeschichte des Deutschen Ordens und des Klosters Arnsburg nachweis-
bar bereits vor der Wüstungsperiode des 14. Jhs. Im Limburger Becken führte eine starke Be-
völkerungszunahme nach dem 30jährigen Kriege zu intensiver Besitzzersplitterung. Landschaften
mit relativ weitgehender Verstädterung während des Hochmittelalters wurden von der Verge-
wannung meist mehr erfaßt, während abgelegene Regionen an dieser Entwicklung nicht teilnah-
men. Die Wetterau hebt sich gegenüber dem Vogelsberg und Taunus in solchen Phänomenen der
Agrarstruktur scharf ab.
Der Wert solcher Untersuchungen liegt in den sowohl räumlichen als auch zeitlichen Indivi-
dualisierungen, mit denen Krenzlin, teilweise in der Diskussion der Ergebnisse von Heinrich
 
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