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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 4.1844

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[Meyer, Heinrich]: I. Lebensbeschreibung von David Heß
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https://doi.org/10.11588/diglit.28555#0021
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Jm gleichen Jahre schrieb er znm Behuf deS Neujahrstückes der Künstlergesellschast das Lcben des KupferstecherS
Johann Heinrich Meyer. Er benutztc dazu den handschristlichen Nachlaß dicscs Mannes, in welchem sein
ganzes Streben und Wirken von den Knabenjahren an offen vorlag; es sprach ihn an, so ungehindert in die innerc
Welt dieses edeln Menschen hineinzublicken, und es gelang ihm, ihn als frommen Nathanael darzustellen, wie er
wirklich war.

Jm I. 1833 reiöte er nach Badenweilcr, zeichnete in der schönen Gegend viel und sammelte Materialien zur
Geschichte dieses Bades.

Am Ende des I. 1835 traf ihn schweres Unglück. Sein Tochtermann, Rathsherr Christoph Burckhardt
von Basel, ein edler, trefflicher Staatsmann, der sich mit sciner jüngern Tochter a. 1830 vermählt hatte, starb im
sünftcn Jahr dcr glücklichsten Ehe. Dieser harte Schlag erschütterte seine Gesundheit und unterbrach lange Zeit
alle seine Arbciten. Keincs dcr folgcndcn Jahrc verging, ohne daß er von einer Krankheit überfallen wurde. Auf
jede Erholung folgten neue Störungen, der Geist blicb zwar rege und stark, aber die Körpcrkräste versagten den Dienst.

Jm I. 1839 folgte er mit großem Jnteresse der Entwicklung der Revolution, wclche durch die Berufung des
vr. Strauß im Kanton Zürich veranlaßt wurde, und freute sich, daß die Frivolität, welche sich allmählig über
unser ganzes StaatSleben ausgebreitet hattc, an dem gesunden Sinn der Bürger scheiterte.

Er wünschte scinem Freunde Mayr von Arbon, der im 1.1838 gcstorben war, ein Denkmal zu stisten,
aus seinen hinterlassenen Papicren daö beste auszuwählen und sammt einer Lebensbcschreibung bekannt zu machen.
Niemand kannte diesen Nomaden so wie er, und niemand konnte wie er die wahre Quintcssenz scines Geistes und
edeln Gcmüthes so trcfflich abstrahircn; dcnn er durchschaute ganz die herrliche Natur dicses Pilgers zum heiligen
Grabe. Wie schwcr es auch hielt, sich in seine verworrene Sprache hineinzuarbciten, so durchlas er doch alle
seine hinterlassenen Schriften, und that es mit Lust, da unter der rauhen Schale immcr ein gesunder, kräftiger
Kern hervortrat. Allein er vollendete diese Arbeit nicht mehr: die Kraft des eigenen Lebens war bereits zu sehr
crschöpft.

Jm 1.1840 starb seine Gattinn. Auch er wünschte und hoffte bald von den irdischen Banden befreit zu werden.

Die Einsamkeit, in der er nunmehr lebte, erregte in ihm dcn Wunsch, sein eigenes Leben aufzuzeichnen unv
über seine ganze Laufbahn einen prüfenden Blick zu werfcn: dieß sollte der Schlußstcin aller seiner Arbeiten sein.
Der Anfang lautet folgendermaßen:

„Ein und sicbenzig Jahre sind verflossen, seit ich die Pilgerfahrt meines Lebens angetreten und fortgesetzt,
„und unter wechselnden Einflüssen bald bcwußtlos fortgeschoben, bald mit Bewußtsein die eigene Richtung behauptend,
„je nachdcm dic äußcrcn Verhältnisse oder der eigene Wille vorherrschten, und bin nun näher und immcr näher
„an das Ufer gelangt, wo dcr dunkle Strom vorbeieilt, der zwci Welten trennt, die dießseits sichtbare von der jenseits,
„dem sterblichen Augc noch mit eincm undurchdringlichen Nebelvorhang verhüllten. Müde von der langen Wallfahrt,
„setze ich mich aus cinen der bcmoosten Gränzsteine, harre ruhig, bis der nimmer ausblcibende Fährmann mit
„scinem unabweisbaren Nachen zu dcr mir bestimmten Stunde kömmt, mich einzunehmen und hinüberzusetzcn, und
„ blicke gedankenvoll auf die zurückgelegtc Bahn."

„Zu solchcm Rückblick in unwicderbringliche Vergangenheit gesellt sich meist ein Gefühl von Wehmuth: und
„doch — wie dürft' ich klagen! Wurde ich nicht vor so viel tausend Andcrn, Bessern, begünstigt mit manchcrlet

„Gütern und Vorzügen, und wenn mich meine Lcbensbahn auch ost durch düstcre Zeiten schwerer Prüfungen

„sührte, überwog nicht immer das Gute die mir aufgelegten Entbehrungen und Leidcn? Danken soll ich also, nur
„danken dem waltenden Vater im Himmel; und sollte ich dennoch klagen, so dürfte ich das mit gutem Gewissen
„nur übcr mich selbst, daß ich des Guten so wenig gethan, und nur der Wille besser war als die That."

„Mein Leben fiel in cine bewegte, höchst mcrkwürdige Zeit, wo in kreisender Gährung alle äußcrn und innern

„Formen der alten Welt zusammenbrachen, und immcr wechsclnde Gestaltungcn auftauchten, die noch lange kcinen
„festen Grund und Boden finden werden."

„Meiner eigenthümlichen Natur nach war ich nicht geschaffen, in dieses rege Getriebc mit einzugreifen, und
„nur selten und unwillkürlich hineingezogen, blieb ich bloß ein passtver, wenn auch nicht immer ruhiger Zuschaucr.
 
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