Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 22.1862

DOI Heft:
Gustav Albert Wegmann von Zürich, Architekt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28597#0005
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Archi 1 ekt

Wenn wir die lange Neihe von Künstler-Biographien, welche unsere Neujahrsblätter seit ihrem Beginne uns
vorführen, durchsehen, wie wenige Glückliche zeigt sie uns, die das Ziel, nachdem sie strebten, auch nur auuähernd
erreichten, wie Wenige, die auf ehrenvoller Stufe angelangt, bis zn spätem Lebensende sortschaffen und wirken und
sich der erreichten Höhe erfreuen dursten. Wie Viele sehen wir vor der Zeit crmatten, stehen bleiben, wie Viele frühe,
allzu frühe in's Grab sinken. Auch jetzt wieder liegt nns ob, ein Leben zu schildern, dessen Faden die kalte Hand
dcr Parce durchschuitt, iu der vollen Kraft des Schaffens und in einer Zeit, die dem thätigen Geiste zu den kühnsten
Projekten Stofs und Aussicht bot, ihn für eine Reihe von Jahren ein reiches, schönes Wirken hoffcn ließ. Nicht
ohne schmerzliche Gefühle crfüllen wir diese Pflicht; dcnn auch wir cmpfinden tief die Lückc, die dieser frühe Hiugang,
dieser unerwartete Verlurst in Freundeskreisen und -Herzen zurückließ.

An dem klaren Spiegel eines Sees, doch nicht des reizenden heimatlichen, stand Wegmann's Wiege. Er wurde
den 9. Juni >812 in Steckborie geboren, wo seine Eltern nach dem Anstritt des Vaters aus würtembergischem Militär-
dieust, in welchcm er als Reiteroffizier gestandcn, sich niedergelassen hatten. So wenig dieser Geburtsort zu bieten
vermochte, er war der Schauplatz glücklicher Kinderjahre, der nach der frühen Entfernung freuudliche Erinnerungen
in der Seele des Knaben festhaftend zurückließ und desfen Dialekt in einzelnen Lauten in der Aussprache des gereiften
Maimes noch nachklang. (Achnliche Erinnerungen hatten den Vater bestimmt, gegenüber der Vaterstadt, dieseu stillen,
ländlichcn Wohnort zu wählen. Er hatte hier bei dem damals als Erzieher renommirten Pfarrer Gutmann einige
Jahre seiner Jugend verlebt und die alte, kleine Stadt so lieb gewonnen, daß er sich, von strengem Kriegsdienste
scheidend, in ihr ein Asyl baute.)

Schon mit dcm zehnten Jahrc mußte der geistig und körperlich sehr günstig entwickelte Knabe diese erste Heimat
verlassen, um in Zürich die lateinische Schule zu besucheu und nach dem Wunsche der Eltern für den geistlichen
Stand herangebildet zu werden. Wie schwer mag ihm die Trennung von den Geschwistern und Gespieleu, deren
Liebling der verständige, gutmüthige und iü allen Leibesübnngen gewandte Albert war, geworden sein. Zweimal hatte
den künftigen Turner jugendliches Wagniß in Tvdesgefahr gebracht, eiumal durch die Welleu des Sees, einnral durch
einen Sturz auf deu Kopf, von welchem eine starke Narbe dicht am rechteu Arige ihm geblieben und dessen Folge es^
auch sein mag, daß Wegmann frühe schon der Brillc sich bedienen mußte.

Bald machdem cr Steckborn verlasseu, erlag seiu Vater deu schweren Leiden, welche ihm die Strapazen ununter-
brochener Feldzüge zugezogen, im 36. Lebensjahre, und die Muttcr zog nuu mit dem jüugern Sohne und einer Tochter
auch nach Zürich, um unter dem Beistande des Oheims und Vormundes ihrer Kinder dcnselben die gewünschte Er-
ziehung gebeu zu können. So war der nur kurze Zeit getrennte Sohn wicder unter den Seinigen. Lernbcgierig und
fleißig fand er in den Schulen scinen Weg; aber bald und immcr mehr widersprach seine innere Neigung, die einem
schafsenden Wirkungskreise sich zuwandte, deni Beruse, für den der Eltern Wunsch ihn frühe schon bestimmt hatte und
den er sich als einen mchr kontemplativen dachte, wie er sich selbst ausdrückt. Seiner Neigung entsprechend, ließen
 
Annotationen