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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 26.1866

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[Hess, Jacob]: Alexander Calame, Landschaftsmaler von Genf
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https://doi.org/10.11588/diglit.28601#0005
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Alexander Calame,

Landschasismaler von Genf.

Am äußersten Eude des Alpcngebirges, da wo es schroff uud stetl zur Küste des Mittelmeeres hiuuutersteigt und
sich in die blauen Fluthen desselben versenkt, in Mentone bei Nizza, ist — noch sind es nicht zwei Zahre her —
ein Maler gestorben, auf den wir Schweizer stolz sein dürfen, nicht nur weil er durch sein außerordentliches Talent
eine Zierde unscrer Heimat geworden ist, sondern auch, weil er dasselbe darauf verwendet hat, die Schönheiten der
Alpenwelt, an welcher wir alle nüt so großer Liebe hangen, künstlerisch wiederzugeben und vor aller Welt zu ver-
herrlichen. Dieser Mann war Alexander Calame aus Genf.

Es ist eine Ehrenpflicht unserer Gesellschaft, dem Andenken des henngegangenen Meisters in ihren Neujahrs-
blättern einen Dcnkstein zu setzen, und durch einen knrzen Lebensabriß an die mannigfachen Verdienste zu erinnern,
welche er sich um die vaterländischc Kunst erworbcn hat. Still und anspruchslos war Calame's Leben; keine span-
uenden Episoden, keine tieseingreifenden Wechselfälle stehen dem Biographen zu Gebote, um seiner Arbeit das fes-
selnde Jnteresse zu verleihen, welches bei einem minder ruhigen Lebens- nnd Entwicklungsgange zu erzielen moglich
gewesen wäre. Wir sind daher schon durch den Grund der änßersteu Einsachheit, ja Monotonie, dieses Künstler-
lebens daraus hingewicsen, dasselbe mehr nach seinem innern Werthe, nach seinen Bestrebungen, Erfolgen und Wir-
kungen zu betrachten, als nach den äußern Lebensschicksalen. Mchrere von Calame's Mitbürgern, die Herren Pro-
sessor Alphons Decandolle, Louis Vaucher, F. Gas nnd I. Gabarel haben Mittheilungen über Calame im Drucke
erscheiuen lassen, welche alle von großer Verehrung des Talentes sowohl, als auch des Charakters des ihnen persön-
lich bekannten und wohl auch befreundeten Künstlers Zeugniß ablegen. Wir benutzen vorzugsweise die Arbeit des
Herrn Gabarel, welche nicht bloß im engeu Rahmcn eiuer gewöhnlichen Lebensbeschreibung uns entgegentritt, sondern
ost durch freie Blicke in das weite Gebiet der Kunst Belehrung gewährt und die Verdienste und Cügenthümlichkeiten
unsers Künstlers nur um so besser beleuchtet und hervorhebt.

Wenn wir auf unsern Spaziergängen an schönen Sommerabenden über die lieblichen Seen hinwegblickend zum
Kranze der Felsknppen und Schneegipfel emporschauen, die über die Vorberge hereinwinken uird in ewig gleichen
Umrissen, aber in mannigfach wechselnder Färbung und Umhüllung unser Auge erfreuen, so sind wir geneigt, zu
glauben, daß der Sinn für die Schönheiten der Alpennatur von jeweilenher unser Erbtheil gewesen sei. Dem ist
aber nicht so. Ein flüchtiger Blick iu die Vergangenheit beweist nns, daß nur nach und nach dieser Sinn unter
uns erwacht ist, und daß unsere Gebirgswelt in Bezug auf das Schöne und Malerische ihre Entdecker hat, wie fern
im Ozean liegende Welttheile uud Jnseln.

Eine Jdee, welche ein Volk beherrscht, eine ausgesprochene, allgemein verbreitete Geschmacksrichtnng wird sich
zu jeder Zeit in den Geisteswerken desselhen kundthnn. Ziehen ivir nun aber unscre Literatur und die Schöpfungen
der bildeuden Künste ans srühern Jahrhunderten zu Nathe, so sehen wir, daß die Schönheit der Hochgebirgslandschaft
damals weder in dem einen noch in dem andern dieser beiden Gebiete ein Echo gesunden hat. All die Folianten des
sechszehnten Jahrhunderts, die fast so zahlreich erschienen als heut zu Tage Broschüren, — alle theologischen und
naturgeschichtlichen Abhandlungen aus damaliger Zeit sind stumm über die unserm Landc eigenthümlichen Schön-
heiten. Reisende, welche es besuchen, sprecheu mit großer, von Beobachtungsgabe zeugender Einsicht über die Ge-
schichte, die Volkseigenthümlichkeiten und die staatlichen Einrichtungen der schweizerischeu Nepubliken, sie rechnen die
 
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