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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 28.1868

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I. Conrad Hitz. Eine biographische Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.28615#0004
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Ein mtscheidmdes Ereignitz machte dem beschaulichen, harmlosen Leden des Knaden im elterlichen Hause ein Ende.
Sein ausgesprochenes Talent veranlatzte die Besitzerin einer bedeutendcn Fayance-Fabrik unweit Kilchberg am Zürchersee,
den zwvlfjährigeu Jungen als Tassemnalcr für ihre Fabrik zu werben. Die Enthebung von der Sorgenlast der
Erziehung, die Ausficht auf Verdienst und Fortkommen und der hoffnungerregende. llmstand, datz dieser Antrag von
eiuer reichen Verwandten der Familie gestellt ward, die überdieh Conrads Pathin gewesen, drängten zur Annahme.
Letzterer selbst, dem damit wenigstens der Pinsel ilicht aus der Hand gerissen ward, fügte sich um so leichter dem
elterlichen Beschlusse, als ihm in letzterer Zeit durch den Tod des bekannten Landschaftsmalers Aschmann in Thalweil
eine srendige Hosfnung zerstört ward. Trotz der damit verbnndenen Opfer hatte sich nämlich der Vater entschlossen,
dem Talente seines Sohnes Rechnung zu tragen und ihn etliche Stunden in der Woche den Unterricht des genannten
Künstlers genietzen zu lassen. Bereits nach der ersten Stunde trat jene Katastrophe ein, welche dem Schicksal des
Knaben eine neue Wenduug gab. -

Es begannen die Lehrjahre im Hause der Pathin. Sie waren für unsern jungen Freund eine Kette von trüben
Erfahrungen, von unbelohnter Arbeit, Mühsal und Entbehrung. Man beanspruchte seine Dienstleistungen nicht bloh
in der Fabrik, sondern auch im Hauswesen zu den gröbsten Verrichtungen und ließ ihn zudem eine schnöde, lieblose
Behandlnng kosten. Selbst der Genuß, im elterlichen Hause einen Trost für sein bedrängtes Gemüth zu sindeu,
ward ihm verkümmert und der Besuch untersagt. Als ihm nach Iahren sein Dienstherr in Folge vorgekommener
Disserenzcn den Lauszettel schrieb und er mit neuen Hoffnungen der Heimat zugewandert war, empfing ihn an der
Schwelle die Nachricht vom Tode seiner Mutter, die ihrem Leiden erlegeu war, ohne dem Aeltestgebornen ihren letzten
Segen ertheilen zu können. Der Schmerz war noch nicht verwunden, als eine Reklamation des Dienstherrn erfolgte
und ancb die Aussicht aus eine Wandlung der Verhältnisse wieder znnichte machte. Hitz war gezwungen in das
Haus der Pathin zurück zu kehren und das alte Geleise wieder zu betreten. Seine Lage gestaltete sich nur wenig
sreundlicher. Man wutzte seinen Fleiß und sein Talent auszunützen; abcr man verweigerte ihm alle Hilssmittel des
Unterrichts nicht nur bezüglich der Kunst, sondern auch bezüglich all jeuer gemeiunützigen Kenntnisse, aus welchen
die allgemeinc humane Bildung gründet. Mit ungünstigen Augen ward es betrachtet, wenn er die kargen Freistunden in
seinem Dachkämmerlein zu mühseligem Selbststndium verwendete, und kein Mittel blieb unversucht, dem „Fabrikarbeiter"
die unberechtigten Künstlerideen zu verdrängen, die er sich in den Kops gesetzt. Bis zu seinem Ende konnte Hitz den
bitteren Schmerz nicht verwinden über die unverantwortliche Härte uud Selbstsucht, womit man seine Jugendjahre
vergällte, seinen Lerntrieb unterdrückte, seine geistige und künstlerische Entwicklung hemmte und störte.

Einigermatzen günstiger gestaltete sich seine Lage, als er nach Erfüllung seiner Militärdienstpflicht in Zürich
wieder in die Fabrik zurückgekehrt war. Der Umgang mit Offizieren hatte den Unabhängigkeitssinn des neunzehn-
jährigen Jünglings geweckt unv seine Energie gesteigert. Er wußte es durchzusetzen, datz man ihm den Besuch der
in Zürich nen gegründeten Feiertagsschule sür Freihandzeichnen unter ver Leitung des Zeichnnngslehrers Oberkogler
gestattete. Mit einem wahrcn Feuereifer besuchte er die Anstalt und ließ sich den iveiten Weg nichl verdrießen, den
er jeweils schon Morgens drei Uhr antreten mußte. So gelang es dem Strebenden in Beziehung zu den damals
iu Zürich wirkenden Künstlern zu treten nnd Ausmunterung zu gewinnen. Namentlich waren es die Maler Ludwig
Vogel und Pfenninger, die ihre Aufmerksamkeit auf ihu lenkten, und Letzterer gestattete ihm selbst, die Sonntag-
Nachmittage unter seiner Leilung zn zeichnen.

Hitz stund in seinem acht nnd zwanzigsten Iahre, als der Tod Pfenniugers eine neue — die entscheidende Kata-
strophe herbeiführte. Für den verlorenen väterlichen Freund mußte ein Ersatz gesucht werden. Er fand fich in
Maler Freudweiler, der den stiathlosen nicht nur in seine Malerschule, sondern ailch gegen bescheidene Vergütnng
in Kost nnv Wohnung aufzunehmen versprach. In anregender Hoffuung ward das Ränzlein geschnürt und nach
Zürich gewandert, obwohl mau jetzt, da die Gefahr des Verlustes einer tüchtigen Arbeitskrast vor der Thüre stund,
keill Mittel unversucht ließ, den Fortstrebenden zurück zu halten. Aber dietzmal lietz sich unser Freund nicht beirren;
er scbüttelte den Staub von den Füßen und übcr kurz tresfen wir ihn in rühriger Geschästigkeit bei dem Meister, der
den Kleinmüthigcn und an seiner Kraft Verzagenden »nt freundlichem Znspruch aufrichtete und ihm bei seinem Eifer
und seiner Lernbegierde tröstliche Aussicht in die Zukunft eröffnete.
 
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