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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 32.1872

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Das Leben des Architekten Ferdinand Stadler von Zürich
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https://doi.org/10.11588/diglit.43123#0011
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Anfangs 1839 unternahm Stadler nochmals eine Reise nach Straßburg und Karlsruhe, woselbst er seine frühern
Lehrer und Bekannten begrüßte. Nach seiner Rückkunft wandte er sich wieder seinen Bauten zu, dein Obmannamt
u. s. w., und begann 'auch einen eigenen Hausbau am See, den er einen übereilten Schritt nennt, zu dem er über-
redet worden sei. Größere Befriedigung gewährte ihm die Restauration des Schlosses Lauffen, die er in englisch-
gothischem Styl ausführte.
Im Juli dieses Jahres verlobte stch Stadler mit Frl. Barbara Waser nicht ohne das Beigefühl, die ehelichen
Verhältnisse möchten ihm vielleicht sein künstlerisches Streben und Wirken erschweren.
Im Jahre 1840 versuchte er sich zum ersten Mal in einer 'größer» Coneursarbeit, einem Entwürfe für ein
Börsengebäude in Frankfurt a. M. Kaum fand er Zeit dazu, nebeu seiueu praktischen Arbeiten und neben den
Rücksichten 'gegenüber seiner Brant. Nichts desto weniger entstand ein durchdachtes Projekt, mit welchem er sich
unter 37 Concurrenten, von denen mancher schon einen anerkannten Ruf besaß, den zweiten Preis erwarb; der erste
wurde Oberbaurath Stiller iu Berliu zuerkannt.
Mit dem Erfolge dieser Coneursarbeit trat ein Wendepunkt in Stadlers Leben ein. Lassen wir ihn darüber
selbst sprechen. Mit Stolz durfte er sagen: „Es war das Morgeuroth einer bessern Zukunft; denn diese Auszeich-
nung verschaffte mir nicht nur iu Zürich Gewicht, sondern machte mir auch im Auslande einen Namen." Jetzt
stand sein Entschluß fest, Architekt zu werden, und mit diesem.Entschluß mehrte sich auch seine Lust und Freudigkeit
zum Arbeiten. Wir sehen ihn 1841 wieder mit neuen Concursprojekten beschäftigt. Das eine für eine protestantische
Kirche iu Mühlhausen erhielt den ersten, das andere für eine katholische Kirche ebendaselbst den zweiten Preis. In
diesem Concnrse gewann er seinem frühern Lehrer Eisenlohr in Karlsruhe und seinem Mitschüler, dem genialen leider
zu früh verstorbenen Müller von Moßnang*) den Rang ab. Das völlige Aufgeben seines Berufes als Zimmermaun
und die Lösung der Association mit Arter erfolgte erst nach Vollendung der gemeinschaftlich von ihnen übernommenen
Bauten im Mai 1842. Unter den nnn ausgeführten Plänen sind hauptsächlich zu erwähnen: das Wohnhaus von
Prof. Locher an der Bahnhofstraße und die katholische Kirche in Zürich, eine Baute im gothischen Styl, mit deren
Ausführung Stadler 1843 betrant wurde. Er spricht sich über letztere folgendermaßen aus: „Es galt hier mit ver-
„hältnißmäßig geringen Mitteln einen dem Zweck entsprechenden Ban zu erstellen, und es war nur Eine Stimme,
„daß ich der gegebenen Aufgabe iu allen Theilen nachgekommeu sei. Es konnte sich hier nicht darum handeln, die
„Kirche genau so herzustellen, wie sie früher als Augustinerkirche dastand, sondern einfach, dem vorgeschriebenen Zweck
„entsprechend und im Geiste des frühern Baustyls. In diesem Sinn wurde der Bau vollendet zur Zufriedenheit der
„katholischen Gemeinde." Durch dieses Werk gründete Stadler auch in nächster Nähe seinen Ruf als Kirchenbaumeister.
Das Aeutzere uud das Innere spricht in dieser Kirche durch gute Verhältnisse an, was namentlich der Altar beur-
kundet, welcher nach Stadlers Zeichnung von Müller in Wyl ausgeführt wurde.
Unter den Privatbauten, deren Schöpfer Stadler war, zeichnet sich durch geschickte Auffassung der Aufgabe, das
am See gelegene Forkart'sche Haus aus, dem er gleichzeitig den Charakter eines städtischen Wohnhauses und einer
Villa zu geben wußte.**) Stadler rechnet diesen Bau zu seinen gelungensten Arbeiten. „Einfach und nicht überladen,
„aber in uobeln und reinen Verhältnissen steht er da als Zierde der nächsten Umgebung Zürichs. Meine Tendenz
„war immer und ist es noch, wenig zu bauen, aber das Wenige tüchtig und meisterhaft auszuführen."
Im Spätjahr 1844 bctheiligte sich Stadler am Coucurse für ein Projekt zur Nikolaikirche in Hamburg. Dieß
Mal trug er keine» Preis davon, wahrscheinlich, meint er, habe er sich „zu genau au die fixirte Bausumme gehalten
„und zu sehr ökonomisirt. Thurm uud Seitenfayade siud nicht gelungen, genug ich fand es begreiflich, daß mein
Projekt dießmal nicht zu Ehre» kann" Wir aber ehren eine so nackt ausgesprochene Wahrheit in der Beurtheiluug
seiner eigenen Person und eine so weit von Selbstüberschätzung entfernte, wahre Bescheidenheit athmende Offenheit
gegen sich selbst, und freuen uns, daß unser Freund sich nicht cntmuthigen ließ, sondern mit aller Kraft und frischer

*') Neujahrsblatt 1860.
**) Försters Bauzeitung 1843.
 
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