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Künstler-Gesellschaft Zürich [Editor]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 32.1872

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Das Leben des Architekten Ferdinand Stadler von Zürich
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https://doi.org/10.11588/diglit.43123#0019
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wieder entgegen. Im Februar ernannte die König!. Akademie der schönen Künste in Amsterdam Stadter zu ihrem
Mitglieds. Darüber freut er sich um so mehr, als er bisher nicht gewohnt war, anerkennende Dankesäußerungen
von der Wett zu erhalten. „Da ich in Amsterdam keinerlei Bekanntschaft nach Protektion habe, so mußte ich schließen,
„es sei diese Ernennung meinem ronomms zuzuschreiben. Genug sie hatte das Gute, daß ich mir voruahm, iu Er-
„mangeluug erheblicher Aufträge meine Kräfte nochmals in Anfertigung dreier Concursprojekte zu versuchen, welche
„um diese Zeit ausgeschrieben wurden." Sie betrafen eine Kirche in Sachsenhausen bei Frankfurt, ein Parlamentar-
haus im Haag und ein Museumsgcbäude in Bern. Bis Ende August waren alle drei Pläne vollendet. Diese Ar-
beiten hielten uusern Freund aufrecht, als ihn in eben dieser Zeit harte Schläge trafen. Jin März begrub er seine
Gattin. Im Juni beweinte er seine treue, sorgsame Mutter. Trost für solche betrübende Ereignisse gewährte ihm
in der That am besten die Arbeit, namentlich ein^ solche, der er sich mit aller Lust und Aussicht auf Gelingen hin-
geben konnte. Das Projekt für eine paritätische Kirche in Glarus wurde uuter solchen Antrieben und Auspizien ent-
worfen. Zuerst handelte es sich uni die Auswahl des zu befolgenden Stpls. Wo wie hier in unmittelbarer Nähe
des Gebäudes mächtige Gebirge sich erheben, da müßten auch die mannigfaltigen zahllosen Gliederungen des Spitz-
bogcnstyles kleinlich erscheinen, und wo die Höhen sich aufthürmen, die das Auge kaum erreichen kann, da können
selbst die kühnsten himmelanstrebcnden Thürme einer gothischen Cathedrale nicht mehr erhebend auf unser Gemüth
wirken. Da gilt es mehr durch ruhiges Zusammenwirken der Massen, durch Vorherrsche» der Horizontale» und Wöl-
bungen im Rundbogen den Beschauer zu befriedigen. Nach diesen Prinzipien wurde dann auch die Kirche iu Glarus
durchgeführt. Sie ist dreischiffig, 200' lang, 83' breit. Die zwei an der Ostseite angebrachten Thürme haben eine
Höhe von 200' und schließen zwischen sich eine Vorhalle von 35' Breite und 23' Tiefe ein. Das Langschiff geht von
Ost nach West 100' lang. Au dasselbe schließt sich das Querschiff 38' breit und daran stößt der geräumige Chor
mit den beiden Sakristeien. Auf der Kreuzung erhebt sich der kleine Thurm. Das Langhaus dient ausschließlich
als Predigtraum; in den Querschifsen stehen die katholischen Seiteualtäre und Beichtstühle. Die Orgelbühue befindet
sich zwischen den beiden Thürmen. — Langhaus und Querschiffe bestehen aus einem überhöhten Mittelschiffe von 60'
Höhe und je zwei Seitenschiffen 35' hoch.*)
Weniger beengt war Stadler beim Entwürfe einer protestantischen Kirche in Solothnrn. Dort durfte er den
gothischen Styl durchführen. Eine einfache von zwei Strebepfeilern eingerahmte Hauptfayade wird von einem Doppel-
portal und darüber von drei Fenstern mit ebenfalls einfachem Maßwerk durchbrochen. Den Abschluß bildet ein
treppenartig abgestufter Giebel, dessen Spitze von einem zierlichen reitend aufgesetztem Glockenthürmchen gekrönt
wird.**)
Nach Vollendung dieser Arbeiten waren unserm Freunde ein Paar Wochen der Erholung Bedürfniß. Wir
finden ihn im August 1865 auf einer Reise nach Köln, dessen Dom, „das genialste und großartigste Bauwerk des
„Mittelalters, das von Menschenhänden je errichtet worden ist," er bewunderte. Für die Gothik hatte er immer ein
besonderes Interesse nnd obgleich er im Allgemeinen ein großer Verehrer Göthe's gewesen zu sein scheint, so hatte
Stadler hierüber ganz entgegengesetzte Ansichten als Göthe, der beim Anblick einiger griechischen Gebälkstücke vom
Tempel des Antinous in Rom bemerkt: „Das ist freilich etwas anderes, als unsere tanzenden, auf Kragsteinlein über
„einander geschichteten Heiligen der gothischen Zierweisen, etwas anderes als unsere Tabackspfeifensäulen, spitze Thürm-
„lcin und Blumcnzacken; diese bin ich nun, Gott sei Dank, auf ewig los."
Von: Rheine zog er durch das reizende, für ihn immer interessante Belgien nach Holland und durch Hannover
nach Berlin, wo er seinen Sohn besuchte. Einige Wochen nach seiner Rückkunft finden nur ihn schon wieder reise-
fertig, um seine iu Bergamo verhcirathete Tochter zu besuchen. Wie freute er sich über den herrlichen Comersee!
Ballagio scheint ihm ein wahres Paradies. „Hier möchte ich Hütten bauen nnd dem Eigenthümer der Villa Ser-
iellem ein prächtiges Landhaus!" In Bergamo lebte er aber erst recht auf, als ihm die innige Freude zu Theil

*) Christliches Kunstblatt 1871.
'*) Ebendaselbst.
 
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