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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 40.1880

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Bernardino Luini
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https://doi.org/10.11588/diglit.43131#0008
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zuführen, was dann Flüchtigkeit zur Folge hatte. Lionardo war ein Epikuräer in der feinsten Bedeutung
des Wortes; er durfte seinen Problemen leben und selbst über die wissenschaftlichen Experimente die
ihm gewordenen künstlerischen Aufgaben mal vernachlässigen, Luini dagegen musste in erster Linie
auf den Verdienst sehen; er hatte das tägliche Brot zu schaffen für eine grosse Familie und die
Erziehung von drei Söhnen zu besorgen, die ebenfalls Maler wurden.

Wer mit dem Dampfschiff in Luino ankommt und in südöstlicher Richtung den Flecken durch-
schreitet, wird bald zu seiner Linken eine kleine Kirche erblicken, die in schöner Lage am Fusse zweier
Hügel von frischem Wiesengrün umgeben ist. Von ferne schon fällt sic in die Augen durch den alten

romanischen Thurm mit den gekuppelten Fenstern, dem hübschen Rundbogenfries und dem noch ursprüng-

lichen Dach. Es ist S. Pietro, die Kirche, in welcher die Todtenmessen gelesen werden ; neben derselben

liegt der gutgepflegte Kirchhof des Orts. Nachdem der Fremde die Aussicht genossen hat, wird er,
vielleicht von seinem Reisebuch dazu aufgefordert, die Kirche einer näheren Besichtigung würdigen, soll
dieselbe doch ein Jugendwerk Luini’s besitzen3). Es ist eine al fresco gemalte Anbetung der Magier,
vom Eintritt in die Kirche das dritte Bild rechts. Maria, in rothem Untergewand und blauem Ueber-
wurf, einen Heiligenschein hinter dem Kopf, hält das nackte Christuskind auf dem Schooss, welches den
vor ihm knieenden greisen König segnet ; derselbe ist im Profil gesehen. Hinter der Mutter Gottes stehen

Anna und Joseph ; Letzterer ist hier, im Gegensatz zu den Bildern in Saronno , greisenhaft dargestellt.
Hinter dem knieenden Könige gewahren wir die beiden anderen Majestäten, die sich ehrfurchtsvoll mit

den Geschenken nahen. Abgeschlossen wird die Composition rechts von den Pferden der Könige und
den Rossknechten, im Hintergründe durch ein landschaftliches Motiv vom Lago. maggiore. Ueber diesem
Hauptbilde, im Schildbogen, ein Kirchenvater, der am Pult sitzt und studirt, vielleicht der heilige
Augustin, und an der Decke vier Engel, die einen Kranz halten, in dem das Zeichen steht : J S •
Trotzdem nun auf der Anbetung der Magier der jugendliche König entschieden an Luini erinnert, und
auch die heilige Anna und der knieende Greis, der im Typus dem aus Casa Litta verwandt ist, an ihn
gemahnen, so braucht das Bild doch nicht unbedingt von Luini herzurühren. Wenn es von ihm ist, so
gehört es jedesfalls zu seinen frühesten Arbeiten und muss vor seine Bekanntschaft mit lionardesken
Typen gesetzt werden. In der Composition zeigt es schon ein gewisses Talent, in manchem Ungeschickten
allerdings auch die jugendliche Hand des Anfängers. Die Ausführung entzieht sich leider dem Urtheil,
da das Bild stellenweise auf ganz pietätlose Art übermalt worden ist. Immerhin wird man gut tliun,

da so viele Meisterwerke Luini’s vorhanden sind, sich nicht zu lange bei der Anbetung in S. Pietro
aufzuhalten; sehen wir uns lieber nach wirklich authentischen Bildern aus der frühen Zeit unseres
Künstlers um! Wir finden solche in grosser Anzahl zu Mailand, im Palazzo reale, in der Brera und
im archäologischen Museum, ein in jene Cyklen gehöriges Fragment auch im Louvre zu Paris. Es
kommen zunächst die Stücke in Betracht, die aus Casa Pelucca, in der Nähe von Monza, stammen.
Da dieselben aus ihrem organischen Zusammenhänge gerissen sind und an drei verschiedenen Orten
aufbewahrt werden, ist es schwer, ihnen volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Ehe hier an künst-
lerischen Genuss zu denken ist, muss der einstige Zusammenhang so gut wie möglich wieder hergestellt
werden. Luini wagte sich in Casa Pelucca, von jugendlichem Eifer beseelt, an die mannigfaltigsten
Vorwürfe, Er stellt Scenen dar aus der biblischen Geschichte und den Legenden seiner Religion, führt
 
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