1 5 WILLI BAUMEISTER, FRANKFURT. Badende ■ Bathing women • Femmes
au bain ■ 1930
herrfchung des Lebens. Zugleich aber auch ihre erweiterte und
durchdringende Tiefenerkenntnis von leib-(eeli(chen Belchaffen-
heiten. Ihr heil) überftrömendes Gefühl, jeglicher Kreatur inWefens-
gemeinfchaft innigft verbunden zu (ein. Hier ein neuer Naturalismus,
nicht der bürgerlichen Realperfpektive wohl, aber des univerlalen
Empfindens. Ein wucherndes Treiben aller Bildelemente. Beltrebt,
felbft das Aufleuchten verborgender Gefühlsräume mit plaftifcher
Sinnesnähe und Körpergier zu erfüllen. Befonders einprägfam bei
Coelter, Kuhr, Scholz, Tinzmann und Winter. Drüben vernunfthelle
Präzifion, fcharfe Abgrenzung der Bildteile, fportlich und technifch
angeregte Bewegungsfreude, harte energifche Spannung: Bau-
meifter, Vordemberge-Gildewart, Nerlinger, Engelien. Dazwilchen
eine auch im feelilch-stilgemäßen Habitus ausgleichende und ver-
knüpfende Mitte, Kompofitionen wärmerer Geftaltorganik und
Farbenlinnlichkeit. Diele Reihe geht von architektonilcher Straffung
(Schlemmer) bis zur lockeren malerilchen Improvifation (Muche)
über Bortoluzzi, Hoerle, Matare, Nebel, Neugeboren, Seiwert.
WAS WIRD AUSGESTELLT}
Der Verfuch der Galerie Möller in Berlin
Was in der Kunlt der leßten fünfzig Jahre an entlcheidenden
Ichöpferilchen Leiltungen zuftande kam, ift eine triumphale Erwei-
terung und Vertiefung aller Formgrenzen, dicht bis an den Rand
des linnlich eben noch Formbaren. Eine neue eroberungsfreudige
Kühnheit und Konzentration der Phantalie drang vom imprellio-
niftilchen Augenlchein der Dinge zu ihrem Welen vor. Von der
Perlpektive zur Vifion, vom Abbild zur Baugeltalt. Sie wühlte als
Exprellionismus alle Leidenlchaften der Farbe auf und lief} als
Konftruktivismus die feinften, zahl- und maßbeltimmten Beziehun-
gen zwilchen Fläche, Raum und Form in Erlcheinung treten. Eine
Entwicklung mit großartigen Ergebnillen und unablehbaren wei-
teren Möglichkeiten. Troßdem ift es üblich, zu behaupten, fie fei
länglt vorbei. Weil das Feld der Kunltausftellungen und -Zeit-
Ichriften augenblicklich von der zahlenmäßigen Übermacht der
Akademiker und Genremaler modernen Couleurs beherrlcht
wird. Um Io wichtiger die Initiative der Galerie Ferdinand Möller,
durch eine klar organilierte Ausheilung den Beweis zu erbringen,
daß auch Außenleiter am Werke lind, die das Vilionäre und Kon-
(truktive in der Kunlt mit neuen Ichöpferilchen Impullen erfüllen.
Die Ausheilung zeigt nur eine begrenzte Auswahl vornehmlich
jüngerer deutfcher Künftler. Grundbedeutfame Werke aus der
Schweiz, aus Holland, Frankreich und Rußland fehlen. Der Ein-
druck ilt troßdem lebendig. Reich an Bildern, die entlcheidende
Kräfte im Sein und Bewußtfein unlerer Zeit offenbaren. Ihre tech-
nilche Belchwingtheit, ihre Kühnheit im Organifieren und Kon-
(truieren. Ihren utopilchen Glauben an eine kühle geiltige Be-
14 FRITZ KUHR, BERLIN. Raben ■ Ravens ■ Corbeaux • Galerie Ferdinand
Möller, Berlin
239
au bain ■ 1930
herrfchung des Lebens. Zugleich aber auch ihre erweiterte und
durchdringende Tiefenerkenntnis von leib-(eeli(chen Belchaffen-
heiten. Ihr heil) überftrömendes Gefühl, jeglicher Kreatur inWefens-
gemeinfchaft innigft verbunden zu (ein. Hier ein neuer Naturalismus,
nicht der bürgerlichen Realperfpektive wohl, aber des univerlalen
Empfindens. Ein wucherndes Treiben aller Bildelemente. Beltrebt,
felbft das Aufleuchten verborgender Gefühlsräume mit plaftifcher
Sinnesnähe und Körpergier zu erfüllen. Befonders einprägfam bei
Coelter, Kuhr, Scholz, Tinzmann und Winter. Drüben vernunfthelle
Präzifion, fcharfe Abgrenzung der Bildteile, fportlich und technifch
angeregte Bewegungsfreude, harte energifche Spannung: Bau-
meifter, Vordemberge-Gildewart, Nerlinger, Engelien. Dazwilchen
eine auch im feelilch-stilgemäßen Habitus ausgleichende und ver-
knüpfende Mitte, Kompofitionen wärmerer Geftaltorganik und
Farbenlinnlichkeit. Diele Reihe geht von architektonilcher Straffung
(Schlemmer) bis zur lockeren malerilchen Improvifation (Muche)
über Bortoluzzi, Hoerle, Matare, Nebel, Neugeboren, Seiwert.
WAS WIRD AUSGESTELLT}
Der Verfuch der Galerie Möller in Berlin
Was in der Kunlt der leßten fünfzig Jahre an entlcheidenden
Ichöpferilchen Leiltungen zuftande kam, ift eine triumphale Erwei-
terung und Vertiefung aller Formgrenzen, dicht bis an den Rand
des linnlich eben noch Formbaren. Eine neue eroberungsfreudige
Kühnheit und Konzentration der Phantalie drang vom imprellio-
niftilchen Augenlchein der Dinge zu ihrem Welen vor. Von der
Perlpektive zur Vifion, vom Abbild zur Baugeltalt. Sie wühlte als
Exprellionismus alle Leidenlchaften der Farbe auf und lief} als
Konftruktivismus die feinften, zahl- und maßbeltimmten Beziehun-
gen zwilchen Fläche, Raum und Form in Erlcheinung treten. Eine
Entwicklung mit großartigen Ergebnillen und unablehbaren wei-
teren Möglichkeiten. Troßdem ift es üblich, zu behaupten, fie fei
länglt vorbei. Weil das Feld der Kunltausftellungen und -Zeit-
Ichriften augenblicklich von der zahlenmäßigen Übermacht der
Akademiker und Genremaler modernen Couleurs beherrlcht
wird. Um Io wichtiger die Initiative der Galerie Ferdinand Möller,
durch eine klar organilierte Ausheilung den Beweis zu erbringen,
daß auch Außenleiter am Werke lind, die das Vilionäre und Kon-
(truktive in der Kunlt mit neuen Ichöpferilchen Impullen erfüllen.
Die Ausheilung zeigt nur eine begrenzte Auswahl vornehmlich
jüngerer deutfcher Künftler. Grundbedeutfame Werke aus der
Schweiz, aus Holland, Frankreich und Rußland fehlen. Der Ein-
druck ilt troßdem lebendig. Reich an Bildern, die entlcheidende
Kräfte im Sein und Bewußtfein unlerer Zeit offenbaren. Ihre tech-
nilche Belchwingtheit, ihre Kühnheit im Organifieren und Kon-
(truieren. Ihren utopilchen Glauben an eine kühle geiltige Be-
14 FRITZ KUHR, BERLIN. Raben ■ Ravens ■ Corbeaux • Galerie Ferdinand
Möller, Berlin
239